# taz.de -- Mythos Spitzensteuersatz: Steuerrabatt für Superreiche | |
> Eigentlich gilt: Je mehr Einkommen, desto höher der Steuersatz. Doch wenn | |
> Reiche superreich werden, zahlen sie anteilsmäßig weniger. | |
Bild: Champagner für alle! | |
BERLIN taz | Sollte der Spitzensteuersatz erhöht werden? Sind die 45 | |
Prozent für Menschen, die mehr als 250.000 Euro im Jahr verdienen, eine zu | |
große Last? Egal. Die Frage geht am Wesentlichen vorbei: Denn Superreiche | |
zahlen in Deutschland einen niedrigeren Steuersatz als Reiche. Und das | |
liegt an der festen Besteuerung von Kapitalerträgen. | |
Das progressive Steuersystem verspricht: Je mehr Einkommen eine Person hat, | |
desto höher ist der Anteil, mit dem sie sich an der Finanzierung des | |
Staates beteiligt. Die [1][Zahlen zur Einkommenssteuer vom Bundesamt der | |
Statistik] zeigen: Der Anteil des Einkommens, der an den Staat abgegeben | |
wird, steigt in jeder reicheren Einkommensgruppe an – aber unter den | |
Superreichen kehrt sich das um. | |
Je superreicher, desto niedriger der Steuersatz – das wird erst sichtbar, | |
wenn man die wenigen Zehntausend Superreichen, das reichste ein Prozent, | |
genauer unter die Lupe nimmt. Die reichsten 0,1 Prozent – diejenigen, die | |
mindestens 500.000 Euro im Jahr einnehmen – zahlen 38 Prozent Steuern. Doch | |
die reichsten 0,01 Prozent zahlen nur noch 37 Prozent. | |
Und die allerreichsten, die 0,001 Prozent? 1.315 Menschen in Deutschland | |
haben ein Einkommen von jährlich mehr als 5 Millionen Euro. Sie zahlen noch | |
weniger. Bei einem Gesamteinkommen von 16 Milliarden Euro zahlen sie nur | |
knapp 5 Milliarden Euro Steuern: Das ist ein Steuersatz von 31 Prozent, | |
vierzehn Punkte unter dem angeblichen „Spitzensteuersatz“ von 45 Prozent. | |
Das liegt daran, dass sie ihr Geld vor allem mit Kapitalanlagen machen. In | |
Deutschland werden Kapitaleinnahmen nur mit 25 Prozent besteuert – egal, ob | |
es um ein paar Euro Sparbuch-Zinsen oder um Millionengewinne aus dem | |
Aktienhandel geht. Deshalb ist der Spitzensteuersatz ein billiger Mythos. | |
In Deutschland zahlt ihn keine Einkommensgruppe auch nur annähernd. | |
Ähnlich sieht es in den USA aus, hat die Washington Post kürzlich | |
herausgefunden: [2][In einem Blogpost] stellte sie fest, dass das reichste | |
ein Prozent zwar fast 23 Prozent Steuern zahlt, die reichsten 0,001 Prozent | |
aber nur noch 17,6 Prozent. Grund dafür ist, dass auch in den USA | |
Kapitaleinnahmen – aus Zinsen, Aktien oder Dividenden – mit maximal 24 | |
Prozent besteuert werden, obwohl der höchste Lohnsteuersatz bei 39,5 | |
Prozent ist. | |
Nebenbei liefert die Einkommenssteuerstatistik weitere interessante Fakten | |
zur ungleichen Einkommensverteilung in Deutschland: Wer weniger als 20.000 | |
Euro pro Jahr versteuerbares Einkommen verdient, gehört zur armen Hälfte im | |
Land. Ab einem Einkommen von 60.000 bis 70.000 Euro jährlich gehört man zu | |
den reichsten 10 Prozent. Bei ihnen landet etwa so viel Einkommen wie beim | |
Rest. | |
5 Jun 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/FinanzenSteuern/Steuern/… | |
[2] http://www.washingtonpost.com/blogs/wonkblog/wp/2015/06/04/as-the-rich-beco… | |
## AUTOREN | |
Lalon Sander | |
## TAGS | |
Reichensteuer | |
Spitzensteuersatz | |
Ungleichheit | |
Spitzensteuersatz | |
Donald Trump | |
Martin Schulz | |
Erbschaftsteuer | |
Vermögenssteuer | |
Panama Papers | |
Deutschland | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ex-NRW-Finanzminister über Steuern: „Die SPD zeigt zu wenig Haltung“ | |
Norbert Walter-Borjans will, dass die Sozialdemokraten mehr für | |
Steuergerechtigkeit tun. Whistleblower sollen helfen, Betrug und Skandale | |
zu verhindern. | |
Trumps geplante Steuerreform: US-Milliardäre gegen Steuernachlässe | |
Mehr als 400 Superreiche kritisieren in einem offenen Brief die von Donald | |
Trump geplanten Steuererleichterungen für Wohlhabende. | |
Steuerkonzept der SPD: Schulz will es etwas gerechter | |
Die SPD präsentiert ihr Steuerkonzept: für niedrige Einkommen soll der Soli | |
abgeschafft werden. Ab 250.000 Euro im Jahr werden 48 Prozent fällig. | |
Vorstoß nach Erbschaftsteuerreform: Nahles gegen Kapitalanleger | |
Der von der Politik gefeierte Kompromiss zur Erbschaftsteuer? Das Minimum, | |
sagt Nahles und will nachbessern. Und die Abgeltungsteuer abschaffen. | |
Kommentar Grüne und Vermögensteuer: Steuern für die reichsten 500.000 | |
Mit ihrem Vorschlag zielen die Grünen nicht auf Gutverdienende, sondern auf | |
Vermögende. Das ist politisch der richtige Ansatz. | |
„Panama Papers“ und die Gier: Liste der Schande | |
Die Panama Papers geben einen Einblick in die Welt der Superreichen. Für | |
sie ist Geld nicht mehr „geprägte Freiheit“, sondern Selbstzweck. | |
Kommentar Vermögen in Deutschland: Parallelwelt der Reichen | |
Viele Deutsche glauben, dass sich Leistung lohnt. Doch die Zahlen zur | |
Vermögensverteilung zeigen: Deutschland ist eine brutale | |
Klassengesellschaft. | |
Ökonomen fordern höhere Spitzensteuer: Halbe-halbe mit dem Staat | |
Großverdiener sollen teilen: Ökonomen fordern höhere Steuern auf Einkommen, | |
Vermögen und Erbschaften der extrem Reichen. Das soll die öffentlichen | |
Haushalte sanieren. | |
Aus Le Monde diplomatique: Die Reichen schröpfen | |
Der Präsidentschaftskandidat der französischen Sozialisten fordert einen | |
Spitzensteuersatz von 75 Prozent. Touché! Die USA lagen mal, lang ist's | |
her, bei 94 Prozent. | |
Rossmann-Gründer über Spitzensteuer: "Die Reichen haben Angst" | |
Der Drogerie-Unternehmer fordert: Die Steuern auf Gewinne und hohe | |
Einkommen müssen steigen. Er sagt auch, viele Wohlhabende würden das | |
unterstützen. |