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# taz.de -- Rossmann-Gründer über Spitzensteuer: "Die Reichen haben Angst"
> Der Drogerie-Unternehmer fordert: Die Steuern auf Gewinne und hohe
> Einkommen müssen steigen. Er sagt auch, viele Wohlhabende würden das
> unterstützen.
Bild: „Die Regierung sollte besser für gute Stimmung sorgen“: Dirk Roßman…
taz: Herr Roßmann, Sie kritisieren das Sparpaket der Bundesregierung als
sozial unausgewogen. Warum?
Dirk Roßmann: Es mag übertrieben klingen: Aber man darf jetzt nicht die
Schwächsten der Gesellschaft zur Kasse bitten. Das würde uns allen schaden.
Jeder Cent, den ein Hartz-IV-Bezieher ausgibt, unterstützt die
Binnennachfrage und hält die Wirtschaft in Gang. Umgekehrt fehlt jeder
Cent, den man bei den Arbeitslosen kürzt, letztlich auch in den Kassen der
Unternehmen.
Die Bundesregierung will 2011 rund drei Milliarden Euro allein beim
Arbeitslosengeld sparen. Was schlagen Sie stattdessen vor?
Ich plädiere nicht dafür, den Sozialetat auszuweiten. Aber den sozial
Schwächeren noch etwas wegzunehmen, ist in der gegenwärtigen Lage eine sehr
schlechte Idee. Besser sollte die Regierung für gute Stimmung sorgen. Denn
das ist unser Problem: Es herrscht eine gedrückte Atmosphäre. 2009 kamen
30.000 Kinder weniger zur Welt als im Jahr zuvor. Das liegt auch an den
Sorgen, die sich die Menschen machen.
Was genau sollte die Regierung denn tun?
Für reiche Privatpersonen und Unternehmen könnten die Steuersätze ruhig um
drei Prozent steigen. Die Leute mit den höchsten Einkommen würden dann
nicht 45, sondern 48 Prozent entrichten. Das wäre ein scharfer Schnitt und
würde zu einem heftigen Aufschrei führen. Aber die Diskussion über den
armen Staat, das Sparen und die Schulden muss endlich aufhören. Die lähmt
uns doch.
Ihnen gehört eine der größten Einzelhandelsfirmen Deutschlands. Von anderen
Unternehmern ist oft zu hören, dass der Staat ihnen schon heute zu viel
Geld wegnehme. Warum sehen Sie das nicht so?
Weil es nicht stimmt. Früher waren die Steuern tatsächlich zu hoch, aber
durch die Reformen unter Kanzler Gerhard Schröder ist die Belastung
gesunken. Wir sind eine extrem starke Exportnation und produzieren auf
Augenhöhe mit China. Deshalb könnte man den Unternehmen jetzt durchaus,
vielleicht befristet für drei Jahre, eine rund drei Prozent höhere
Körperschaftssteuer zumuten.
Sie sprechen mit anderen Unternehmern. Was sagen die zu Ihrer Idee,
Wohlhabende stärker zu belasten?
Unter den Vermögenden geht eine Angst davor um, dass uns unser System um
die Ohren fliegt. Kalifornien beispielsweise, ein Staat mit 37 Millionen
Einwohnern, kann schon heute oft seine Handwerkerrechnungen nicht mehr
bezahlen und bietet stattdessen Schuldscheine an. Dass Deutschland in
diesem Jahr knapp 20 Prozent seines Bundeshaushaltes mit Krediten
finanzieren muss, sehen viele Menschen als Problem. Sie betrachten so etwas
als Krisensymptom.
Sie und Ihre Gesprächspartner sind also nicht in erster Linie beunruhigt
über die zunehmende soziale Spaltung der Gesellschaft, sondern über die
schlechte Lage der öffentlichen Finanzen?
Natürlich geht es auch um soziale Gerechtigkeit. Niemand will, dass breite
Schichten immer ärmer werden. Aber das ist nicht der zentrale Punkt. Den
sehe ich in der Überforderung des Staates und ihrer möglichen Folgen. Denn
was kann dabei herauskommen? Zum Beispiel auch eine hohe Inflation, die
unseren Wohlstand möglicherweise schnell dezimiert.
Die Gesellschaft driftet auseinander - nicht nur durch das Sparpaket der
Regierung. Verantwortlich dafür sind auch die Unternehmen, die die Löhne
der Beschäftigten im vergangenen Jahrzehnt kaum erhöht haben. Wie sieht es
bei Rossmann aus, warum haben Sie keinen Tarifvertrag?
Ich war noch nie Mitglied in einem Verband oder einer Partei. Das passt
nicht zu mir. Trotzdem zahlen wir natürlich Löhne, die dem Tarifvertrag
entsprechen oder darüber liegen. Das ist uns sehr wichtig. Respekt und
Achtsamkeit gegenüber jedem Mitarbeiter - ganz gleich, wo er in der
Hierarchie steht und welchen persönlichen Hintergrund er hat - sind bei
Rossmann selbstverständlich. Nur Mitarbeiter, die morgens gerne zur Arbeit
kommen, sind wirklich engagiert, und dies spüren auch die Kunden.
Einerseits sagt die Gewerkschaft Ver.di, Sie seien ein "sozialer
Kapitalist". Andererseits praktizieren auch Sie die Niedrigpreisstrategie.
Drücken niedrige Verkaufspreise nicht auf die Löhne?
Nein. Die großen Markenhersteller verkaufen die Dose Hautcreme
beispielsweise für fünf Euro. Bei uns dagegen kostet ein ähnliches Produkt
mit derselben Qualität 1,99 Euro. Warum? Weil wir bei unseren Eigenmarken
viel weniger Geld für Image, Marketing und Werbung ausgeben als die
Markenhersteller.
Sie behaupten von sich, Sie seien mit einer niedrigen Rendite durchaus
zufrieden. Was ist der Grund?
Wir haben im vergangenen Jahr gut drei Prozent vom Umsatz vor Steuern
verdient. Das ist genug, um solide wirtschaften zu können.
Markenartikelhersteller verdienen oft zehn Prozent und mehr.
28 Jun 2010
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Reichensteuer
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