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# taz.de -- Nationalismus in Serbien: Nikolic träumt weiter von Großserbien
> Der neue serbische Staatspräsident sorgt mit einem Interview in Kroatien
> und Montenegro für Empörung. Sein Versuch, diese Äußerungen zu
> dementieren, misslingt.
Bild: Großserbische Fantasien: Staatspräsident Tomislav Nikolic.
SPLIT taz | Der am Donnerstag ins Amt eingeführte neue Präsident Serbiens,
Tomislav Nikolic, ist jetzt schon zu einer Belastung für sein Land
geworden. Seine Äußerungen gegenüber dem Korrespondenten der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung, Michael Martens, über die Stadt Vukovar sorgten nicht
nur in Kroatien für Aufregung.
Bei einem Besuch in Moskau stellte er sich zudem im Konflikt um die
Anerkennung der von Georgien abtrünnigen Provinz Südossetien bedingungslos
auf die Seite Russlands. Und last, but not least verärgerte er mit seinen
Äußerungen über Montenegro die Mehrheit der dortigen Bevölkerung.
Tomislav Nikolic, einst Parteigänger des rechtsradikalen und in Den Haag
wegen Kriegsverbrechen angeklagten „Führers“ Vojislav Seselj, nahm
zumindest kein Blatt vor den Mund. Er meine tatsächlich, was er sage,
erklärten serbische demokratische Intellektuelle gegenüber der taz.
Nikolic erklärte zum Beispiel, er habe den Traum von einem Großserbien noch
nicht aufgegeben. „Vukovar war serbisch. Dorthin haben Kroaten nicht
zurückzukehren.“ In Wahrheit war das in Ostslawonien liegende und zu
Kroatien gehörende Vukovar bis Kriegsausbruch 1991 eine Stadt mit über 20
Nationalitäten. Die Kroaten stellten die stärkste Bevölkerungsgruppe mit 47
Prozent, die Serben die zweitstärkste mit 32 Prozent.
Die berühmte Barockstadt wurde durch serbischen Artilleriebeschuss dem
Erdboden gleichgemacht und im Herbst 1991 von serbischen Truppen erobert.
Die nichtserbische Bevölkerung, die das Inferno überlebt hatte, wurde
vertrieben.
Der Mord an über 200 Krankenhauspatienten gehört zu den abscheulichsten
Verbrechen im kroatischen Krieg. 1996 wurde Vukovar laut dem durch die UN
vermittelten Vertrag von Erdut an Kroatien zurückgegeben. Die Mehrheit der
serbischen Bevölkerung verließ ihre Heimat, doch in den letzten Jahren
kehrten große Teile wieder zurück.
## Lügen, wenn es der Nation nützt
Nach prompten Protesten aus Kroatien, so von Präsident Ivo Josipovic, ließ
Nikolic seine Äußerungen dementieren. Michael Martens konnte jedoch durch
die Veröffentlichung der Aufzeichnung des Gesprächs dessen Richtigkeit
belegen.
Spötter in Sarajevo erklärten daraufhin, Nikolic folge der Idee des
serbischen Schriftstellers und Expräsidenten Dobrica Cosic, der in den
achtziger Jahren sinngemäß erklärt hatte, die Serben sollten lügen, wenn
die Lüge der Nation dienlich sei.
Bei seinem Besuch in Moskau erklärte Nikolic am 26. Mai, Serbien sollte die
von Georgien abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien diplomatisch
anerkennen, das Kosovo jedoch sei nach wie vor Teil des serbischen Staats.
Am 29. Mai erklärte Nikolic, er erkenne zwar Montenegro an, nicht jedoch
den Unterschied zwischen Serben und Montenegrinern.
Der bei den Präsidentschaftswahlen unterlegene proeuropäische Exstaatschef
Boris Tadic will Regierungschef werden. Der Konflikt zwischen ihm und
Nikolic ist programmiert. Zwar betont Nikolic, ebenfalls für die EU zu
sein, er hofft aber gleichzeitig auf engere Beziehungen zu Russland.
31 May 2012
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Serbien
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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