# taz.de -- Kommentar Präsidentschaftswahl in Serbien: Denkzettel für Boris T… | |
> Der Machtwechsel an der Staatsspitze tut der serbischen Demokratie gut. | |
> Der Westen sollte den gewandelten Kriegshetzer Nikolic akzeptieren. | |
Bild: Das war der erste Schritt: Serbiens Präsident Tomislav Nikolic (r.) vor… | |
In einer TV-Debatte am vergangenen Mittwoch rief Oppositionschef Tomislav | |
Nikolić die Wähler auf den bisherigen Staatspräsidenten Boris Tadić zu | |
„bestrafen“. | |
Am Sonntag ist das in der Stichwahl um das Amt des Präsidenten tatsächlich | |
geschehen: Tadić zahlte die Rechnung für die soziale Misere, die hohe | |
Arbeitslosigkeit, Vetternwirtschaft und die Arroganz seiner regierenden | |
Demokratischen Partei (DS), die realitätsfremd wirkte. Nikolić schlug Tadić | |
mit 49,8 zu 47 Prozent, ohne eine Alternative für die angehäuften Probleme | |
des Landes geboten zu haben. | |
Die geringe Wahlbeteiligung von 46,3 Prozent zeugt von einem in der | |
Bevökerung verbreiteten Dilemma: Tadić’ ideologielose auf Marketing | |
ausgerichtete Politik wirkte nicht mehr glaubwürdig, dem pragmatisch zum | |
Europäer gewandelten ehemaligen Utranationalisten Nikolić konnten viele | |
aber, angeekelt von seiner kriegshetzerischen Vergangenheit, ihre Stimme | |
auch nicht geben. | |
Vor dreieinhalb Jahren spaltete Nikolić die nationalistisch-extremistische | |
Serbische Radikale Partei (SRS) und gründete die proeuropäische Serbische | |
Fortschrittspartei (SNS). Der Mann, der die serbischen Territorien in | |
Kroatien zurückerobern und die Albaner aus dem Kosovo vertreiben wollte, | |
das Genozid in Srebrenica negierte und Exgeneral Ratko Mladić als | |
Volkshelden glorifizierte, schwor über Nacht auf die Mitgliedschaft | |
Serbiens in der EU und europäische Werte. Die serbische Regionalpolitik | |
könnte allerdings schwer an Nikolić’ Vergangenheit leiden. | |
Trotz all dem kann ein Wechsel an der Staatsspitze der serbischen | |
Demokratie nur gut tun. Der DS und und ihrem Chef Tadić fehlte in letzter | |
Zeit das Bewusstsein der demokratischen Abwählbarkeit. Dass ausgerechnet | |
ein ehemaliger Ultranationalist der bürgerlichen DS diese Lektion erteilen | |
konnte, daran ist der Liebling des Westens Tadić selber schuld. Um der | |
Macht Willen besiegelte er den Prozess der Vergangenheitsbewätigung. | |
Die Genesung Serbiens beruht so auf dem Wandel, und nicht der Verbannung | |
der einst kriegshetzerischen Parteien und Politiker. So widerlich das sein | |
mag, der Westen würde gut daran tun dies zu akzeptieren. Sonst könnte | |
Serbien nur allzuleicht wieder vom europäischen Kurs abgleisen. | |
21 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Andrej Ivanji | |
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