# taz.de -- Erste Aktion der neuen Regierung: Serbien entmachtet Notenbank | |
> Die neue serbische Regierung bringt die Zentralbank des Landes und deren | |
> Devisenreserven unter ihre Kontrolle. Niemand konnte sie aufhalten. | |
Bild: Das war der erste Schritt: Serbiens Präsident Tomislav Nikolic (r.) vor… | |
BELGRAD taz | Die Kritik des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank | |
und der EU konnte das serbische Parlament genauso wenig abhalten wie die | |
Überzeugungsversuche der Opposition: Am Samstag verabschiedeten die | |
Abgeordneten Änderungen des Notenbankgesetzes, die die Unabhängigkeit der | |
Narodna Banka Srbije, der Nationalbank Serbiens, beschneiden. Die | |
politische Kontrolle der Notenbank – und damit der Geldpresse und der 10 | |
Milliarden Euro Devisenreserven des Landes – war die erste Aktion der neuen | |
Regierung, die seit Ende Juli im Amt ist. | |
Die Gesetzesänderung sieht vor, dass das Parlament den Gouverneur und alle | |
Notenbankfunktionäre wählt. Die Befugnisse des Gouverneurs werden | |
beschränkt, die des von der Regierung beauftragten Aufsichtsrats erweitert. | |
Das Statut bestimmt ebenfalls das Parlament. Zudem soll innerhalb der | |
Notenbank eine dem Wirtschaftsministerium unterstellte Behörde gegründet | |
werden, die Finanzinstitutionen kontrollieren soll. | |
Immerhin hat die Regierung nach heftigen Protesten des IWF auf einen | |
Gesetzesparagrafen verzichtet, der es ihr ermöglicht hätte, sich direkt bei | |
der Notenbank zu verschulden. | |
Bürgerliche Kreise weisen darauf hin, dass das regierende Bündnis – die von | |
Slobodan Milosevic gegründete Sozialistische Partei Serbiens und die | |
nationalkonservative Serbische Fortschrittspartei, die sich von der | |
ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei abgespalten hatte – auch | |
schon während der großen Inflation Mitte der 1990er Jahre an der Macht war. | |
## Warnung vor Verschlechterung der Finanzmärkte | |
In erster Linie sollten es die Änderungen im Notenbankgesetz ermöglichen, | |
den bisherigen Gouverneur Dejan Soskic abzulösen. Soskic trat am Freitag | |
vier Jahre vor Ablauf seines Mandats zurück. Dabei warnte er noch einmal, | |
dass das neue Gesetz die Lage Serbiens auf den internationalen | |
Finanzmärkten verschlechtern werde; auch die europäischen | |
Integrationsprozesse des EU-Beitrittskandidaten könnten sich damit | |
verzögern. | |
„Dieses Gesetz beschränkt maßgeblich die Unabhängigkeit der Notenbank. Es | |
sorgt für fachliche Degradierung und ermöglicht es, dass innerhalb der | |
Notenbank Maßnahmen getroffen werden, die das Land wirtschaftlich und | |
finanziell destabilisieren könnten“, erklärte Soskic. | |
Das Parlament soll am Montag Jorgovanka Tabakovic, eine hohe Funktionärin | |
der Serbischen Fortschrittspartei, zur neuen Gouverneurin wählen. „In Kuba | |
und Nordkorea sind Mitglieder des Politbüros an der Spitze der | |
Nationalbanken“, sagte Janko Veselinovic, Abgeordneter der oppositionellen | |
Demokratischen Partei. „Ab Montag wird das auch in Serbien der Fall sein, | |
in einem Staat, der EU-Mitglied werden möchte.“ | |
Vertreter der EU in Serbien sagten, die Regierung habe die Kommission bei | |
der Änderung nicht konsultiert. Die serbische Nachrichtenagentur Beta | |
berichtete, in Brüssel beobachte man mit „Sorge“, wie die Unabhängigkeit | |
der Notenbank, eine der fundamentalen Grundsätze der EU, in Serbien | |
eingeschränkt wird. | |
5 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Andrej Ivanji | |
## TAGS | |
Serbien | |
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