# taz.de -- Wahl in Serbien: Sozialisten sind die Wahlgewinner | |
> Amtsinhaber Tadic und sein nationalistischer Herausforderer Nikolic gehen | |
> in die Stichwahl. Der frühere Sprecher von Milosevic kann den | |
> Stimmenanteil seiner Partei verdoppeln. | |
Bild: Ivica Dacic sieht sich schon als Ministerpräsident Serbiens. | |
BELGRAD taz | In der Stichwahl um das Präsidentenamt in Serbien treffen am | |
20. Mai Amtsinhaber Boris Tadic und sein nationalistischer Herausforderer | |
Tomislav Nikolic aufeinander. Nach Auszählung der ersten Ergebnisse lag | |
Tadic in der Nacht zum Montag mit einem Stimmenanteil von 26,7 Prozent | |
knapp vor Nikolic mit 25,5 Prozent. Tadic, der seit 2004 Staatschef ist, | |
bewirbt sich um eine dritte Amtszeit. | |
Nikolic und Tadic standen sich bereits bei den Präsidentschaftswahlen 2004 | |
und 2008 in einer Stichwahl gegenüber. Der Wahlkampf für die parallel | |
abgehaltene Präsidentschafts- und Parlamentswahl in Serbien war erstmals | |
seit Jahrzehnten nicht vom Balkankonflikt bestimmt, sondern von | |
Wirtschaftsthemen. | |
Bei der Parlamentswahl kam Nikolic’ Serbische Fortschrittspartei (SNS) auf | |
24,7 Prozent. Sie lag damit knapp vor Tadic’ Demokratischer Partei (23,2 | |
Prozent). Tadic’ Partei kann möglicherweise dennoch die neue Regierung | |
bilden, weil sie größere Chancen auf Unterstützung durch andere Parteien | |
hat. | |
Die Sozialisten des bisherigen Innenministers Ivica Dacic können laut | |
Hochrechnungen mit 16,6 Prozent der Stimmen rechnen. Der Partei des | |
früheren Präsidenten Slobodan Milosevic kommt damit vermutlich die Rolle | |
des Züngleins an der Waage zu. „Wir wissen noch nicht, wer Präsident wird, | |
aber wir wissen schon sicher, wer Ministerpräsident wird“, sagte Dacic, der | |
damit sich selbst meinte. Er kam bei der Präsidentenwahl auf 15,3 Prozent. | |
„Ich habe gezeigt, dass es auf der politischen Szene Serbiens nicht nur | |
Boris Tadic und Tomislav Nikolic gibt“, sagt der einstige Sprecher von | |
Slobodan Milosevic. Seine Anhänger spendeten ihm frenetisch Beifall. | |
Dacic bezeichnet sich selbst als Sozialist, gratuliert weltmännisch | |
François Hollande zum Wahlsieg, gibt sich entschlossen und ein wenig | |
arrogant, ganz so, wie es viele Serben mögen. Nach dem „historischen | |
Erfolg“ hat die SPS von Dacic nun ganz andere Vorstellungen von ihrem | |
zukünftigen Anteil an der Regierung. | |
„Ich werde mich von niemanden erpressen lassen“, erklärt dagegen Tadic von | |
Demokratischen Partei (DS) und zeigt sich sichtlich verärgert über die | |
Äußerungen von SPS-Chef Dacic. Man werde über die Koalitionsregierung erst | |
nach der Stichwahl verhandeln, sagt Tadic. Für ihn persönlich steht viel | |
auf dem Spiel – in der DS sind seit langem viele unzufrieden, weil er „wie | |
ein König mit seinem Hofstaat“ regiere. Auch für Nicolic geht es um alles | |
oder nichts. Zwei Mal hat er schon gegen Tadic in der Stichwahl verloren, | |
nach einer dritten Niederlage würde ihm wohl das Stigma des „ewigen | |
Verlierers“ anhaften. | |
7 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Andrej Ivanji | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neuer serbischer Regierungschef: Ivica Dacic überrascht alle | |
Einst war Ivica Dacic das Sprachrohr Slobodan Milosevics. Nach dessen Sturz | |
schien auch der „kleine Slobo“ am Ende. Doch jetzt ist er wieder da – als | |
Regierungschef. | |
Nationalismus in Serbien: Nikolic träumt weiter von Großserbien | |
Der neue serbische Staatspräsident sorgt mit einem Interview in Kroatien | |
und Montenegro für Empörung. Sein Versuch, diese Äußerungen zu dementieren, | |
misslingt. | |
Reaktionen auf Machtwechsel in Serbien: „Klares Signal für europäische Poli… | |
Die EU-Stellungnahmen zum serbischen Wahlergebnis sorgen für Verwirrung. | |
Europa hatte den abgewählten Präsidenten Boris Tadic unterstützt. | |
Stichwahl in Serbien: Tadic ist raus | |
Oppositionsführer Tomislav Nikolic gewinnt die Stichwahl um das | |
Präsidentenamt gegen Boris Tadic. Zweifel an seinem politischen Kurs | |
versucht er sofort zu zerstreuen. | |
Wahlen in Serbien: Die Taktik des Rufmords | |
Unglaubwürdig, gespalten, hässlich: Der serbischen Regierungspartei und | |
ihrem Chef Boris Tadic droht am Sonntag eine Wahlniederlage. | |
Belgrads dissidente Kulturszene: Frühling ohne Aufbruch | |
Der Chef der serbischen Nationalbibliothek musste gehen. Für die Belgrader | |
Kulturszene nur ein weiterer Beweis für die von Nationalismus und | |
Korruption kontaminierte Politik. | |
Debatte 20 Jahre nach Jugoslawienkrieg: Europas nicht bestandene Reifeprüfung | |
Bis heute gibt die EU Bosnien keine wirkliche Perspektive. Die geltende | |
Verfassung verhindert Reformen. Die Opfer des letzten Krieges in Europa | |
werden abgestraft. | |
Wahlkampf in Serbien: Präsidialer Rückzug mit Kalkül | |
Staatschef Boris Tadic legt sein Amt nieder und ebnet den Weg zu | |
vorgezogenen Präsidentenwahlen. Er will wieder antreten. Kritiker werfen | |
ihm unfaires Verhalten vor. | |
Kommentar EU-Beitrittskandidatur Serbien: Geschenk zur Wahl aus Brüssel | |
Die EU räumt der serbischen Republik den Kandidatenstatus ein. Das ist ein | |
Wahlgeschenk für den amtierenden Präsidenten Boris Tadic in Belgrad. |