# taz.de -- Parlamentswahlen in Montenegro: Kontinuität angesagt | |
> Bei der vorzeitigen Neuwahl des Parlaments in dem Kleinstaat an der Adria | |
> rechnet die Regierung mit einem Wahlsieg – dank der Opposition. | |
Bild: Igor Luksic gilt als jüngster Ministerpräsident. | |
SARAJEVO taz | Der Montenegriner Igor Luksic gilt als der jüngste | |
Ministerpräsident in der Welt. Um im Amt älter zu werden, muss der | |
36-jährige Sozialist den Sonntag überstehen, wenn die 514.055 Wähler des | |
kleinen Landes an der Adria das Parlament vorzeitig neu wählen. | |
Eigentlich hätte Luksic angesichts der relativ positiven wirtschaftlichen | |
Entwicklung noch ein Jahr mit einer bequemen Mehrheit regieren können. Doch | |
stehen Beitrittsverhandlungen mit der EU bevor, und auch ein Nato-Beitritt | |
ist angepeilt. | |
Montenegro ist der einzige Nachfolgestaat Jugoslawiens, in dem es seit der | |
Unabhängigkeit noch keinen Machtwechsel gab. Nach wie vor zieht der „starke | |
Mann“ Mile Djukanovic, immer noch Vorsitzender der regierenden DPS | |
(Demokratische Partei der Sozialisten), die Fäden, obwohl er 2010 die Macht | |
nominell an den jüngeren Luksic abgegeben hat. | |
Laut den Umfragen steuert die regierende DPS auch jetzt einem sicheren Sieg | |
entgegen. Im Bündnis mit den Sozialdemokraten (SDP) und der Liberalen | |
Partei Montenegros kann sie unter dem Namen Europäisches Montenegro laut | |
Prognosen mit mehr als 47 Prozent rechnen. | |
Der Kampf der Opposition scheint aussichtslos, weil das größte | |
Oppositionsbündnis lediglich alte Empfindlichkeiten aufrührt. Die | |
Demokratische Front (DF) und die Neue Serbische Demokratie (SND) sind | |
weitgehend von serbischen Nationalisten beherrscht. | |
Deren Themen kreisen um die Staatsflagge von 2004, um die Hymne des seit | |
2006 von Serbien unabhängigen Staates, um den Kampf zwischen der | |
serbisch-orthodoxen und der montenegrinisch-orthodoxen Kirche, um Serbiens | |
Verlust des Kosovo – alles Themen, die mit Montenegros Zukunft kaum etwas | |
zu tun haben. „Die Opposition hängt immer noch am Traum Großserbien“, sagt | |
Djukanovic. | |
## Ein rotes Tuch | |
Die Repräsentanten des serbisch fühlenden Bevölkerungsteils können noch | |
immer nicht verwinden, dass sich das engste Brudervolk in Jugoslawien, die | |
Montenegriner, von Serbien losgesagt hat. Für Serbiens Präsident Tomislav | |
Nikolic, der als Nationalistenführer in den 90er Jahren vehement gegen | |
Djukanovic Stellung bezogen hatte, ist der starke Mann Montenegros nach wie | |
vor ein rotes Tuch. | |
Doch für andere Gegner der Regierung Montenegro wie die albanischen und | |
kroatischen Minderheiten ist die großserbische Position nicht attraktiv. | |
Dass Montenegro gute Beziehungen zu allen Nachbarn unterhält, auch zum | |
Kosovo,und innenpolitisch nicht in die Falle der Xenophobie gegangen ist, | |
wird der Regierung hoch angerechnet. | |
Dabei gibt es für die Opposition Angriffsziele genug. Was die von der EU | |
geforderten „Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung“ angeht, weiß jede… | |
dass die regierende Partei ein Klientelsystem aufgebaut hat. Und die Wahlen | |
werden zwar nicht direkt manipuliert, aber durch Zuwendungen an | |
Wählerschichten gesteuert. | |
14 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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