# taz.de -- Clinton und Ashton auf Balkantournee: Ungenutzte Druckmittel | |
> Die EU-Außenbeauftragte und die US-Außenministerin ergehen sich bei ihrem | |
> Besuch in Absichtserklärungen. Eine klare Strategie gegenüber der | |
> Balkan-Region fehlt. | |
Bild: Kosovos Präsidentin Atifete Jahjaga mit US-Außenministerin Hillary Clin… | |
BERLIN taz | Zusammen touren Hillary Clinton und Catherine Ashton dieser | |
Tage durch den Westbalkan. Die Reise soll gemeinsame Ziele der EU und der | |
USA auf diesem heiklen politischen Feld signalisieren. Doch gemeinsame | |
Absichtserklärungen bedeuten noch keine konkrete Politik. | |
Immerhin kam es in wichtigen Fragen zu einem Schulterschluß. So erklärten | |
beiden Seiten in Bosnien und Herzegowina, der Gesamtstaat müsse gegenüber | |
den beiden Entitäten - der Republikas Srpska und der | |
bosniakisch-kroatischen Föderation - gestärkt werden. Clinton und Ashden | |
kamen so den Forderungen der bosniakischen Parteien und den | |
nichtnationalistischen Strömungen in der bosnischen Gesellschaft entgegen. | |
In Serbien und im Kosovo hielten beide an der Unverletzlichkeit der Grenzen | |
fest. Kosovo dürfe nicht geteilt werden. Den serbischen Forderungen nach | |
einer Abspaltung der nördlichen Serbengebiete vom Kosovo und der weiteren | |
Spaltung der Gesellschaft in Bosnien und Herzegowina wurde so eine Absage | |
erteilt. Das hat viele Kommentatoren in den betreffenden Staaten erfreut. | |
In Serbien stießen Clinton und Ashton auf schroffe Ablehnung. In Kroatien | |
wurden die Versprechungen, Kroatien könnte im nächsten Jahr mit einem | |
Beitritt zur EU rechnen, freundlich aufgenommen. Und auch in Albanien | |
wurden die Hoffnungen auf eine EU-Perspektive genährt. | |
## Ohne Druck geht nichts | |
Die Reise deshalb als Erfolg zu werten, ist jedoch unangebracht. Wer die | |
Konfliktlage um und in Serbien kennt, weiß, dass ohne politischen, | |
wirtschaftlichen und auch militärischen Druck überhaupt nichts erreicht | |
werden kann. Die schönen Worte werden in Bosnien und Herzegowina verhallen, | |
der Ministerpräsident der serbischen Teilrepulik Milorad Dodik hat schon | |
gleich nach dem Besuch offen den beiden Damen widersprochen. | |
Dass diese zudem wiedersprüchlich handeln, wird bei näherem Hinsehen klar: | |
Die Republika Srpska kann ihren wirtschaftlichen Bankrott nur durch neue | |
Kredite bei der Weltbank und aus Europa verhindern. Druckmittel gibt es | |
also. Wer sitzt da eigentich an den langen Hebeln? | |
Die herrschenden Cliquen und Parteien der serbischen Nationalisten werden | |
doch erst nachgeben, wenn es ihnen an den eigenen Geldbeutel geht, das weiß | |
jeder ausländische Diplomat in Belgrad. Im Prinzip ähnlich verhält es sich | |
bei den nationalen Parteien der anderen Volksgruppen in Bosnien und | |
Herzegowina. | |
Die EU und die USA könnten mit einer ernsthaften Strategie die Politiker in | |
Bosnien und Herzegowina zwingen, Kompromisse in der Verfassungsfrage | |
einzugehen und damit das Land aus dem Stillstand heraus zu helfen. Wer | |
diese Kompromisse fordert, sollte gleich die Konsequenzen aufzeigen, wenn | |
jene nicht geschlossen werden. Das ist jedoch nicht geschehen. | |
## EU politisch ist schwach | |
Nach wie vor zeigt sich die EU politisch schwach und weigert sich, | |
ernsthaft Reformen in Richtung Stärkung des Gesamtstaates einzuleiten. Denn | |
das würde die Stabilität – auf dem Balkan stören. Denn die serbische | |
Führung würde Schwierigkeiten machen. Das fürchten die Verantwortlichen in | |
Brüssel. Zudem wird Ashton als Außenpolitikerin auch hier nicht ernst | |
genommen. | |
Dass die EU-Politik sowohl in Bosnien als auch in Kosovo dahindümpelt, | |
zeigt die Ohrfeige des Rechnungshofes von Anfang dieser Woche. Die | |
Eulex-Rechtsstaatsmission sei ineffektiv und koste Unsummen, erklärte die | |
Behörde. Sie sei zu einer Jobmaschine für abgeschobene Bürokraten | |
verkommen. An den Verhältnissen im Kosovo habe sie nichts geändert. | |
Hillary Clinton andererseits scheint auf Abschiedstour zu sein und sogar | |
bei einer Wiederwahl von US-Präsident Barak Obama ein auslaufendes Modell. | |
Ashden hat sich in den letzten Jahren unentschlossen verhalten, ihr ist | |
nichts mehr viel zuzutrauen. Diese Reise wird zur Lösung der Probleme auf | |
dem Balkan kaum etwas beitragen. Leider. | |
1 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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