# taz.de -- Kosovos Außenminister über Europa: „Serbien muss das akzeptiere… | |
> Für Kosovo sind das derzeit historische Tage, meint Außenminister Enver | |
> Hoxhaj. Jetzt gehe es darum, den europäischen Integrationsprozess | |
> voranzubringen. | |
Bild: Ein neuer Staat entsteht: Kosovo feiert seine Unabhängigkeit. | |
taz: Herr Hoxhaj, ist mit der Auflösung des „International Civilian Office“ | |
(ICO) Kosovo wirklich zu einem souveränen Staat geworden? | |
Enver Hoxhaj: Wir durchleben jetzt historische Tage für Kosovo und seine | |
Bevölkerung. Die Auflösung des ICO ist die Anerkennung dafür, dass wir es | |
geschafft haben, das Land zu transformieren und die Forderungen der | |
internationalen Gemeinschaft zu erfüllen. Wir haben demokratische | |
Institutionen aufgebaut, wir haben einen multiethnischen Staat geschaffen, | |
wir waren imstande, internationale Verpflichtungen wie den Ahtisaari-Plan | |
(er gibt den serbischen Gemeinden im Kosovo Selbstverwaltung; Anmerkung der | |
Red.) umzusetzen. Und aufgrund dieser Erfolge hat die internationale | |
Gemeinschaft die Entscheidung getroffen, Kosovos Regierung nicht mehr | |
formell zu überwachen. Wir werden ab jetzt mehr Verantwortung haben und | |
natürlich ein mehr an Souveränität. | |
Aber es bleiben doch noch viele internationale Organisationen im Lande, die | |
EU-Rechtsstaatsmission Eulex, OSZE, die Truppen der Kfor etc? Gibt es im | |
Verhältnis zu diesen Institutionen Veränderungen? | |
Natürlich. ICO hatte eine politische Mission, nämlich die, uns zu | |
überwachen. Der Ahtisaari-Plan sollte umgesetzt werden. Das ist jetzt | |
geschafft. Die Rechtsstaatsmission Eulex ist uns nach wie vor sehr | |
willkommen, wir haben letzten Freitag im Parlament klargestellt, dass Eulex | |
uns bei der Entwicklung des Rechtsstaates zumindest bis 2014 weiter | |
unterstützt. Eulex ist eine technische Mission, keine politische Mission. | |
Das ist die Grundlage unserer Zusammenarbeit. | |
Die Existenzberechtigung des Staates Kosovo ist immer noch unumstritten... | |
Na hören Sie mal. Kosovo ist in den letzten fünf Jahren als unabhängiger | |
Staat von den meisten entwickelten und demokratischen Ländern der Welt | |
unterstützt worden. Unsere Freunde sind die entwickelten westlichen | |
Demokratien, dazu gehören neben den 22 Staaten der EU auch die USA, Kanada | |
und Japan. Was wir in den letzten Jahren erreicht haben, ist im Vergleich | |
zu anderen Transitionsländern in Osteuropa hervorzuheben. | |
Kosovo hatte ja keine staatliche Tradition. Wir haben die staatlichen | |
Institutionen von Grund auf neu aufbauen müssen. Wie haben die Basis für | |
eine Marktwirtschaft gelegt, wir haben das Bildungssystem von Grund auf | |
erneuert, wir haben Sozialsysteme geschaffen. Wir haben auch die Polizei | |
und andere Sicherheitskäfte nach internationalen Standards neu aufgebaut. | |
Jetzt schließen wir ein Kapitel unserer Geschichte und fangen mit einem | |
weiteren Kapitel an. Jetzt wollen wir in bezug auf den europäischen | |
Integrationsprozess vorankommen. | |
Serbien hat die Unabhängigkeit Kosovos nie anerkannt. Noch immer gibt es | |
Beschränkungen für die wirtschaftliche Entwicklung, die Reisemöglichkeiten | |
sind eingeschränkt, es gibt das Problem Nordkosovo... | |
Sicherlich. Doch wir können uns nicht nur mit diesem Problem befassen. Wir | |
haben drei große Prioritäten für die nächsten Jahre. Erstens wollen wir die | |
Integration Kosovos in die EU und die Nato erreichen. Zweitens wollen wir | |
die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben, Drittens werden wir alles | |
versuchen, die serbischen Gemeinden, die bisher von Belgrad aus | |
kontrolliert wurden, zu integrieren. | |
Was erwarten Sie in der Frage Nordkosovo von Brüssel? | |
Ich glaube, die europäischen Institutionen und Brüssel haben genug | |
Instrumente, um Druck auf Serbien auszuüben, damit Serbien seine | |
Sicherheitskräfte und Polizeieinheiten aus Nordkosovo zurückzieht. Das | |
wurde im Fortschrittsbericht der EU für Serbien klargestellt. Es muß für | |
Serbien klar sein, dass es sich nicht in Richtung Europa bewegen kann, wenn | |
es nicht die Realtität eines souveränen Staates Kosovo akzeptiert. Aber es | |
gibt schon Erfolge. Der im letzten Jahr begonnene technische Dialog führte | |
dazu, dass Serbien mit dem Abkommen über die integrierten Grenzverwaltung | |
die Grenzen zu Kosovo akzeptiert hat. Das ist positiv und könnte als | |
Schritt gesehen werden, dass Serbien sich in Richtung der Anerkennung | |
Kosovos bewegt. | |
Na ja, die jetzige serbische Führung strebt doch eine Lösung wie in Bosnien | |
an, eine Art Repulika Srpska im Kosovo... | |
Wir sind zwar bereit, mit Serbien zu verhandeln, und wir wollen dringlich | |
ein normales Verhältnis aufbauen. Wenn es aber darum geht, die | |
Unabhängigkeit und territoriale Integrität unseres Landes in Frage zu | |
stellen, werden wir nicht weiter sprechen. Das sind abgeschlossene Kapitel. | |
Kosovo hat in den letzten fünf Jahren seine Staatlichkeit gefestigt. Wir | |
werden von immer mehr Staaten in der Welt anerkannt und unterstützt. Wir | |
werden Schritt für Schritt unser Land weiter entwickeln. Serbien muß das | |
akzeptieren. | |
11 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
## TAGS | |
Kosovo | |
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