# taz.de -- Roma in Serbien: Rechtswidrig zwangsgeräumt | |
> Amnesty kritisiert die Auflösung der Roma-Siedlung Belvil im Zentrum von | |
> Belgrad. Die Lage für die Betroffenen wird jetzt noch schwieriger. | |
Bild: Rechtswidrige Räumung: Die Bewohner aus dem Slum „Belvil“ wurden ver… | |
BELGRAD taz | Man gewöhnt sich nie an den Anblick: Dutzende | |
heruntergekommene Bretter- und Kartonhütten, Autowracks, Möbelstücke. Nach | |
Regenfällen scheint es, als ob alles im Matsch versinken würde. Wären da | |
nicht Männer, die auf klapprigen Fahrrädern Altmetall und Altpapier | |
schleppen, und meist lachende Kinder, die auf den Straßen betteln – man | |
würde meinen, es handele sich um eine Mülldeponie. | |
So sehen die meisten wilden [1][Roma-Siedlungen] aus. Sie haben keinen | |
Strom und kein Wasser. So sah auch die Roma-Siedlung „Belvil“ in Belgrad | |
aus, gleich neben schicken Hochhäusern, auf dem Weg zu einem luxuriösen | |
Shoppingzentrum. Für die meisten Anwohner ein Dorn im Auge, ein dunkler | |
Fleck im urbanen Bild, den sie ausradieren wollten. | |
Am 26. April wurden rund 1.000 Roma aus Belvil ausgesiedelt. Sie wurden | |
„rechtswidrig zwangsgeräumt“, steht im jüngsten Bericht von Amnesty | |
International. Die Bewohner seien weder über den Grund der Räumung | |
informiert worden, noch seien die betroffenen Menschen vorher angehört oder | |
auf Einspruchsmöglichkeiten hingewiesen worden. | |
„Die Belgrader Behörden hatten behauptet, die Situation der Roma durch die | |
Umsiedlung verbessern zu wollen. Für viele Betroffene war das Leben danach | |
aber viel schlimmer: sie sind jetzt obdachlos und haben keine Arbeit“, sagt | |
Marie von Möllendorf, Balkan-Expertin bei Amnesty International. | |
## Bewohner sind von den Behörden abhängig | |
Denn viele Roma hätten sich ihren Lebensunterhalt vorher mit dem Sammeln | |
von Altmetall verdient, was sie in den abgelegenen Containersiedlungen | |
nicht mehr können. Die Menschen seien nun von den Behörden abhängig, die | |
ihnen „den Zugang zu gesundheitlicher Versorgung und anderen sozialen | |
Leistungen erschweren“, so von Möllendorf. | |
Amnesty International ist besorgt, dass das für die Umsiedlung der Roma von | |
der EU zur Verfügung gestellte Geld eingesetzt werden könnte, um die | |
Roma-Familien in „ghettoartigen Siedlungen unterzubringen, was das | |
serbische Antidiskriminierungsgesetz und das internationale Recht verletzen | |
würde“. Ein Teil der 257 Roma-Familien ist in fünf Containersiedlungen am | |
Rande Belgrads untergebracht worden. | |
Sie haben Wasser und Strom, für alle Kinder sollte ein Platz im | |
Kindergarten oder in der Schule gesichert werden. „In Belvil gingen von 200 | |
Kindern im Schulalter nur acht in die Schule“, erklärte der Bürgermeister | |
Belgrads, Dragan Djilas. Daher ist fraglich, ob die Bedingungen in den | |
Containersiedlungen schlechter sind als in Belvil, wie Amnesty | |
International behauptet. | |
Der Anlass für die Räumung der zwei bekanntesten, zentral gelegenen | |
Roma-Siedlungen in Belgrad – Belvil und „Brankov most“ – waren groß | |
angelegte Infrastrukturprojekte. Während die Bilder des Elends der Roma aus | |
dem Zentrum Belgrads verschwinden, wachsen umso schneller wilde Siedlungen | |
am Stadtrand. In den Stadtteilen Rakovica oder Petlovo Brdo steigt mit den | |
ersten kalten Nächten Rauch aus immer mehr kleinen und schäbigen Hütten. | |
17 Oct 2012 | |
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[1] /Romasiedlung-in-Belgrad-bedroht/!33659/ | |
## AUTOREN | |
Andrej Ivanji | |
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