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# taz.de -- Serbien will Asylbeweber bezahlen: Flucht nach vorn
> Serbien beschäftigt sich derzeit mit Tennis und mit Schengen. Premier
> Dacic bietet an, die Kosten für alle serbischen Asylbewerber in der EU zu
> übernehmen.
Bild: Serbiens Premier will lieber für Flüchtlinge zahlen als EU-Grenzen zu s…
BELGRAD taz | Das Hauptthema in Serbien, neben Tennis, ist, ob die
Schengen-Staaten die Reisefreiheit wieder aufheben, weil zu viele serbische
Staatsbürger in der EU Asyl beantragen. Schrieb das Belgrader Magazin Vreme
– im Mai vergangenen Jahres.
Eineinhalb Jahre später füllt die drohende Aufhebung der Visumfreiheit noch
immer die Titelseiten der serbischen Printmedien. Unterschied: 2011 drohte
hauptsächlich Belgien, heute setzt vor allem Deutschland Serbiens Behörden
unter Druck.
Die treten derweil die Flucht nach vorn an. Am Montag kündigte
Regierungschef Ivica Dacic in der Hauptstadt Belgrad an: „Wir werden für
diese 10.000 Asylanten in Europa die Kosten zahlen. Das wäre ein geringerer
Schaden für Serbien als die Abschaffung der Visumfreiheit.“
Der Jurastudent Marko Nikolic erinnert sich noch lebhaft an das „tolle
Freiheitsgefühl“, als die Visumpflicht nach fast zwei Jahrzehnten
internationaler Isolation am 19. Dezember 2009 aufgehoben wurde. Schluss
mit den endlosen, erniedrigenden Schlangen vor den Belgrader EU-Konsulaten!
Plötzlich fühlte man sich in der EU wirklich willkommen. Meinungsforscher
bestätigen den jungen Serben: Sollten EU-Staaten wieder eine Mauer für
Serbiens Bürger bauen, könnte das Land von dem europäischen Kurs
entgleisen. Ohnehin ist die Unterstützung für die EU in Serbien auf das –
nach der demokratischen Wende im Jahr 2000 – historische Tief von weniger
als 50 Prozent gefallen.
„Die Visaliberalisierung ist das einzig Konkrete, was die EU in den letzten
Jahren für die Bürger Serbiens getan hat“, so Premier Dacic. Das
zunichtezumachen hätte schwerwiegende Folgen für die Beziehungen mit der
EU. Insgesamt gebe es in Europa weniger als 10.000 Asylbewerber. Serbien
tue alles in seiner Macht Stehende, um die „falschen Asylanten“
aufzuhalten, aber man könne nicht einfach „Roma und Albaner aus den Bussen
schmeißen“.
## Grenzkontrollen wegen „Visahysterie“ verschärft
Über 90 Prozent der Asylbewerber mit serbischer Staatsbürgerschaft sind
Roma und Albaner. Laut Serbiens Grenzpolizei kommen sie vorwiegend aus
armen Gemeinden im Süden des Landes. Von politischen Flüchtlingen könne
keine Rede sein. Einige von ihnen sind schwerkranke Menschen, die glauben,
die Gesundheitsversicherung für Asylanten in EU-Staaten würde ihnen helfen.
Gleich nach der ersten „Visahysterie“ vor eineinhalb Jahren hatte die
serbische Grenzpolizei die Kontrollen verschärft. Eine detaillierte
Identitätskontrolle wird durchgeführt, der Reisezweck wird ebenso überprüft
wie die Rückfahrtkarte und ob die reisenden ausreichend Geld oder
Kreditkarten dabeihaben. Laut serbischem Innenministerium ist die Zahl der
registrierten „falschen Asylanten“ aus Serbien in der EU trotz gravierender
Finanzprobleme von 17.000 vor zwei Jahren auf rund 10.000 im Vorjahr
zurückgegangen.
Ein typisches Beispiel für das Vorgehen der Grenzpolizei erlebte eine
vierköpfige Romafamilie, die aus Belgrad nach Schweden fliegen wollte. Auf
die Frage, was sie dort vorhätten und wie lange sie bleiben wollten,
konnten sie keine zufriedenstellende Antwort geben. Sie hatten kein
Rückflugticket und insgesamt nur 70 Euro bei sich. Die Ausreise wurde
verweigert.
Bereits registrierte „Asylverbrecher“ werden automatisch aufgehalten. Doch
nicht immer ist alles so offensichtlich, beklagt sich die Grenzpolizei.
Wenn die Papiere stimmen, könne man, selbst wenn man Verdacht schöpfe, Roma
nicht nur wegen ihrer Hautfarbe zurückweisen, sonst hätte man sofort Klagen
von Menschenrechtsorganisation und der EU-Kommission wegen Rassismus am
Hals. Und illegale Grenzübergänge könnten nie ganz ausgeschlossen werden.
Der Direktor des serbischen Büros für Europäische Integration, Milan
Pajevic, bezeichnete die Warnungen aus der EU als „alarmierend“. Der Chef
der serbischen Grenzpolizei, Nenad Barovic, unterrichtete die deutsche
Botschaft in Belgrad über die Maßnahmen, die man unternehme, und bat die
deutsche Seite um Empfehlungen.
Premier Dacic wünscht sich eine engere Zusammenarbeit mit EU-Staaten.
Langfristig könne man das Problem der falschen serbischen Asylanten nur
durch Investitionen in ein elektronisches Bewachungssystem an den Grenzen
lösen – und indem man besonders arme Gemeinden unterstützt.
17 Oct 2012
## AUTOREN
Andrej Ivanji
## TAGS
Serbien
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