| # taz.de -- Gleichstellung von Homopaaren: Die Scheinrevolution | |
| > Die CDU will Schwulen und Lesben das Ehegattensplitting gönnen. Ist das | |
| > eine kulturelle Revolution? Ach was. Die CDU hechelt nur der Gesellschaft | |
| > hinterher. | |
| Bild: Liebe CDU, schau doch mal, was draußen so los ist. | |
| Hätte man den Papst inkognito auf dem Christopher Street Day erwischt, wäre | |
| die Aufregung in der CDU vermutlich nicht viel größer: Schwule und Lesben | |
| sollen das Ehegattensplitting bekommen, [1][fordern ein paar | |
| CDU-Abgeordnete] in einer Erklärung. Die liberalen Rebellen wollen nicht | |
| mehr hinnehmen, dass ihre Partei nur Mann und Frau im heiligen Stand der | |
| Ehe satte Steuernachlässe gönnt. | |
| Keine Frage: Das ist toll. Die Initiative verdient jede Unterstützung. | |
| Natürlich müssen Schwule und Lesben die gleichen Steuervorteile wie | |
| Heterosexuelle bekommen. Aber nimmt man die Aufgeregtheit der öffentlichen | |
| Debatte als Maßstab, muss es um mehr gehen als um ein bisschen Geld. Um | |
| eine kulturelle Revolution, mindestens – Konservative scheinen an | |
| vorderster Front für die Gleichstellung Schwuler und Lesben zu kämpfen. | |
| Aber ist das so? Schleift die CDU tatsächlich erneut eine ideologische | |
| Bastion? So, wie sie es zuletzt etwa beim Abschied von der Atomenergie oder | |
| der Hauptschule tat? | |
| Es ist angebracht, ein paar Dinge geradezurücken. Zunächst: Die liberalen | |
| Christdemokraten wollen keineswegs eine ideologische Kehrtwende, sondern | |
| nur kleine Münze. Nicht etwa die volle Gleichstellung von Schwulen und | |
| Lesben ist ihre Forderung, sondern die Abschaffung einer steuerrechtlichen | |
| Ungleichheit. Diese wird auf Dauer sowieso beseitigt werden, egal wie sich | |
| die CDU verhält. Das Verfassungsgericht haute dem Gesetzgeber bereits | |
| mehrere ähnlich dämliche Benachteiligungen um die Ohren. Sollte sich also | |
| die CDU dazu durchringen, die Initiative zur Parteiposition zu machen, wäre | |
| dies nicht mutig, sondern nur vorauseilende Schadensbegrenzung. | |
| ## Es ist wie bei der Energiewende | |
| Ebenso wenig ist zu erkennen, dass die CDU mit der Debatte plötzlich eine | |
| progressive Position einnähme. Es ist wie bei der Energiewende: Die CDU | |
| kommt als Letzte mit der ausgerollten Fahne um die Ecke. Die Gesellschaft, | |
| gerade ihre Mitte, auf die die CDU ja zielt, ist viel weiter als die | |
| Christdemokratie. | |
| Natürlich gibt es sie noch, die schiefen Blicke in der Fußgängerzone auf | |
| händchenhaltende Männer oder Frauen, die schmierigen Sprüche in der | |
| Fußballkabine und auch knallharte Diskriminierung oder brutale Übergriffe – | |
| in der Provinz mehr als in den Großstädten. Aber selbst CDU-Strategen | |
| dürfte nicht entgangen sein, dass im Jahr 2012 in aufgeklärten Schichten | |
| Homosexualität als etwas Normales angesehen wird. | |
| Empirisch ist die Abnahme der Homophobie in der Gesellschaft gut belegt. | |
| Die aktuellste Studie zur Gruppenfeindlichkeit, die der Soziologe Wilhelm | |
| Heitmeyer zehn Jahre lang erhoben hat, kommt zu dem Ergebnis: Lehnten im | |
| Jahr 2002 gut 40 Prozent der Befragten die Homoehe ab, waren es 2010 nur | |
| noch 25 Prozent. Heute, zwei Jahre später, dürften es noch weniger sein. | |
| ## Die CDU ist immer noch stur | |
| Selbst die Furcht konservativer Parteistrategen, mit Zugeständnissen an | |
| Schwule und Lesben am rechten Rand zu verlieren, ist deshalb dumm – weil | |
| sie sie mindestens genauso viele BürgerInnen in der Mitte gewinnen würden. | |
| Statt also die CDU für ein Schrittchen in die heutige Lebensrealität zu | |
| preisen, ist es angebracht, auf das zu schauen, was sie weiter stur | |
| negiert. | |
| Dort sieht es nämlich düster aus. Die CDU weigert sich zum Beispiel nach | |
| wie vor, schwulen und lesbischen Pärchen das Adoptionsrecht zuzugestehen. | |
| Als Begründung wird dann von der Sonderstellung der Ehe zwischen Mann und | |
| Frau geschwurbelt. Aber in Wirklichkeit stecken hinter einer solchen | |
| Haltung biologistische und reaktionäre Ressentiments: dass Schwule und | |
| Lesben ihre Kinder weniger liebevoll erziehen als Heterosexuelle etwa oder | |
| dass die Kinder durch falsche (!) Vorbilder ebenfalls schwul oder lesbisch | |
| werden. | |
| Eine Partei, die solch krude Positionen zulässt, verdient kein Lob. Das | |
| hieße einer Scheinrevolution auf den Leim zu gehen. | |
| 8 Aug 2012 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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