# taz.de -- Angriff auf die US-Botschaft in Libyen: Der Nato-Draht reichte nicht | |
> Augenzeugen beschreiben, was am 11. September vor dem US-Konsulat in | |
> Bengasi geschah, als der Botschafter getötet wurde. Vor dem Angriff war | |
> er gewarnt worden. | |
Bild: Feuer in der US-Botschaft in Bengasi. | |
BENGASI taz | In Libyen gab es schon immer Tage, an denen man lieber | |
zuhause bleibt. Der 1. September, der Tag, als Gaddafi an die Macht kam, | |
gilt als solches Datum. Für ausländische Diplomaten ist der 11. September | |
so ein Termin. | |
Botschaften verboten Reisen im Land, vor allem nach Bengasi, das aufgrund | |
mehrerer Anschläge auf ausländische Einrichtungen schon länger als | |
gefährliches Gebiet galt. Das britische Konsulat in Bengasis Reichenviertel | |
Fuwaihat wurde daraufhin mit Sandsäcken, einer zehn Meter hohen Mauer, | |
Stacheldraht und Wachturm zu einer Festung ausgebaut. | |
Die gegenüberliegende Vertretung der USA hingegen wirkt heute schlechter | |
geschützt als viele Bürgervillen im Süden der Stadt, die seit der | |
Revolution von Einbruchsserien heimgesucht wurden. Die vordere Mauer des | |
US-Konsulates ziert Nato-Draht, die ungeschützte Rückseite kann leicht | |
überwunden werden. Ein großer Betonblock steht bereit. | |
Wochen nach dem Angriff auf das Gelände, bei dem unter anderem vier | |
US-Bürger getötet wurden, liegt der Gebäudekomplex, geschützt von einem | |
einsamen Wächter, verlassen da. Unterlagen liegen verstreut im Garten | |
herum. Überall Chaos, bedrückende Stille und Brandgeruch. Erst seit | |
vergangener Woche sichern Marines mit Scharfschützengewehren die Umgebung. | |
Die Fenster des Sicherheitsraumes sind vergittert. Doch eines, durch das | |
Plünderer und Neugierige aus der Nachbarschaft Botschafter Chris Stevens | |
beherzt ins Freie trugen, nicht. | |
Nachbarn beschreiben den Ablauf des 11. September so: Um 21.30 Uhr rast | |
eine Gruppe von zehn Bewaffneten mit Jeeps vor den Haupteingang des | |
Konsulates. Aus einem gegenüber liegenden Restaurant sind weiß-schwarze | |
Flaggen der radikalen Islamisten-Gruppe Ansar al-Sharia deutlich zu | |
erkennen. | |
## Nur ein kurzer Kampf | |
Sofort fliegen Handgranaten über die Mauer. Der unbewaffnete libysche | |
Sicherheitsmann öffnet das Tor. 22 Einschusslöcher am Hauptgebäude und dem | |
Tor, aber nur fünf aus dem Inneren, zeugen von einem kurzem Kampf. | |
Botschafter Stevens zog sich mit Leibwächter Sean Smith in den | |
Sicherheitsraum zurück. | |
Sieben weitere Botschaftsangestellte flüchten zum hinter dem Hauptgebäude | |
gelegenen Parkplatz und fahren mit zwei gepanzerten Jeeps durch das | |
rückwärtige Tor davon. | |
Das Hauptgebäude mit Stevens und seinem Leibwächter wird von einer | |
Panzerfaust getroffen, deren Projektil oberhalb der Eingangstür explodiert. | |
Die Angreifer legen sofort Feuer, die beiden Amerikaner ersticken an dem | |
Rauch. | |
## Botschafter blieb zurück | |
Ihre Kollegen hatten sich zu diesem Zeitpunkt in ein zwei Kilometer | |
entferntes Wohnhaus des Konsulates, Annex genannt, zurückgezogen. Unklar | |
ist, warum sie den Botschafter offenbar zurückließen. | |
Schnell ziehen sich auch die Angreifer vom Konsulatsgelände zurück. | |
Nachbarn klettern in das Haupthaus und finden die Opfer, nach denen die | |
Angreifer offenbar nicht gesucht hatten. | |
Während Stevens im Krankenhaus Bengasi um 1 Uhr für tot erklärt wird, | |
greifen die rund 20 Ansar-al-Sharia-Kämpfer das Annex-Gebäude mit Mörsern | |
an, zwei Amerikaner sterben bei einem Einschlag. Auch das | |
„Annex“-Wohngebäude ist kaum gesichert. | |
## Die Miliz warnte | |
Noch im August wurden 17 US-Leibwächter aus Libyen abgezogen, die | |
erfolgreichen Wahlen im Juli gaben wohl Anlass zur Hoffnung, dass die | |
Sicherheitslage nun besser würde. | |
Dabei hatte die für die Sicherheit in der Gegend zuständige Miliz „17. | |
Februar“, von der sich die Sharia-Extremisten zuvor abgespalten hatten, | |
Stevens selbst mehrfach gewarnt. Im Falle, dass der liberale Politiker | |
Mahmoud Dschibril Premierminster würde, könne man für seine Sicherheit | |
nicht mehr garantieren, schrieb Kommandeur Wissam bin Ahmed. | |
Er warf der US-Botschaft die Unterstützung der regimenahen liberalen | |
Koalition von Dschibril vor. Am Nachmittag des 11. Sepember kabelte Chris | |
Stevens die Bitte um mehr Sicherheitsleute nach Washington. Und britische | |
Kollegen warnten am selben Nachmittag ihre US-Kollegen vor zwei Jeeps, die | |
das US-Konsulat auffällig häufig umrundeten. | |
12 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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