# taz.de -- Kommentar Piratenpartei: Verfrühte Grabreden | |
> Die Piraten werden zu Unrecht unter die Fünfprozenthürde gequatscht. Man | |
> braucht sie, weil sie fehlten – und ein neues Lebensgefühl verkörpern. | |
Bild: Bringen bunte Haare ins Berliner Abgeordnetenhaus: Oliver Höfinghoff und… | |
Wie in allen anderen Medien überwiegt in diesen Tagen auch in der taz, was | |
die Piratenpartei anbetrifft, unfreundliche Skepsis bis hin zu hochnäsiger | |
Belehrungsallüre. Haben keine Inhalte!, Nicht mal ’n Programm!, Sind viel | |
zu chaotisch! | |
Welch Blödsinn, unhistorischer obendrein. Bei den Grünen ging es Ende der | |
Siebziger auch nicht anders zu. Programm? Nur depressives Weltgesäusel plus | |
Öko!, Inhalt? Nur spurenhafte, aber unisono Ablehnung des sogenannten | |
„Systems“! | |
Nun ließe sich sagen, dass die Grünen wenigstens die Umweltverschmutzung | |
auf ihre Agenda gepackt hatten. Stimmt. Hatten aber auch schon die | |
Sozialdemokraten, Ende der Sechziger mit dem Versprechen, den Himmel über | |
der Ruhr ins Bläuliche zurückemittieren zu lassen. Das heißt: Auf die | |
Konkretion von Spiegelstrichen im Programm kommt es weniger an als | |
landläufig gemeint wird. Die Grünen waren und sind vor allem ein | |
Lebensgefühl. Irgendwie ganz anders und doch durchsetzungsfähig. Ebenso die | |
Piraten. | |
So wie die Grünen wollen sie nicht sein, nicht so perlenkettig und | |
enervierend besserwisserisch. Ihr Credo: transparency. Reicht doch | |
vorläufig. Parteichef Bernd Schlömer verkörpert wie auch Marina Weisband | |
als Exvorstandskollegin dieses neue Gefühl in mittelschichtigen Milieus: | |
nirgends Geifer, ihre Sprache angenehm umgangssprachlich, ihre Manieren | |
anschlussfähig und frei von pubertierender Allüre. Und, die Pointe, sie | |
verstehen sich allesamt als (links-)liberal. | |
Man braucht sie, weil sie fehlten. Die Piraten werden zu Unrecht unter die | |
Fünfprozenthürde gequatscht. Sie werden ihre Verwerfungen bewältigen. Viel | |
zu sympathisch, diese Neuen, als dass man sie nicht für voll nehmen sollte, | |
müsste – und möchte. | |
30 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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