| # taz.de -- Piratin Weisband contra „Spiegel“: Eins zu eins | |
| > Eine Journalistin des „Spiegels“ veröffentlicht einen Text über eine | |
| > ehemals führende Piratin. Die fühlt sich falsch zitiert. Recht haben | |
| > beide. | |
| Bild: Marina Weisband: „Ich lasse mich zu leicht unter Druck setzen.“ | |
| Es gehört zu den vielen Missverständnissen rund um den Begriff | |
| „Transparenz“, zu meinen, wenn nur ausreichend Transparenz gegeben sei, | |
| würden die Dinge klarer. Manchmal ist sogar das Gegenteil der Fall, wie das | |
| aktuelle Fingerhakeln zwischen der ehemals geschäftsführenden Piratin | |
| Marina Weisband und Merlind Theile vom Spiegel in schönster Ernüchterung | |
| zeigt. | |
| Worum geht’s? Darum: Frau Weisband ist derzeit nicht mehr in der vordersten | |
| Reihe der Piratenpartei unterwegs, die mit ihren Vormännern und -frauen | |
| ohnehin derzeit die ein oder andere Kalamität hat. Vergessen ist Weisband | |
| dabei natürlich nicht, und nun wünschen sich in und außerhalb der Partei | |
| manche, sie würde 2013 wieder voll mit einsteigen. | |
| Zu denen, die das ob der dann wieder möglichen schönen Geschichte um die | |
| schöne Frau mitwünschen, gehören „die Medien“. Weshalb sich Merlind Thei… | |
| auf Spiegel Online wie im gedruckten Spiegel mit Weisband beschäftigte. | |
| Überschrift in der Printausgabe: „Die gute Fee“. | |
| Dass sich die beiden im Münsteraner Café „Prütt“ – Tagesgericht heute | |
| garantiert gewaltfreies Blumenkohl-Sauerrahm-Gratin mit Spinat auf Grünkern | |
| – trafen, ist unstrittig. Der Rest nicht. | |
| ## Unter Druck gesetzt | |
| Weisband fühlt sich aus dem Zusammenhang gerissen, schreibt sie in ihrem | |
| Blog [1][marinaslied.de]. Theile beharrt darauf, sie habe wie verabredet | |
| die wörtlichen Zitate zum Autorisieren an die Politikerin geschickt – | |
| nachzulesen im hauseigenen [2][SpiegelBlog]. Ja, schreibt Weisband nun, | |
| „das konnte ich nach Bitten durchsetzen, allerdings ohne Möglichkeit der | |
| Einflussnahme. Und auch aus den mir zugeschickten Zitaten wurden teilweise | |
| die relevanten Satzteile rausgenommen, neu zusammengesetzt und nach | |
| Belieben in neuen Kontext gesetzt, bis ich keines davon wiedererkannte.“ | |
| Und überhaupt habe sie sich gar nicht mit Theile treffen wollen, aber „ich | |
| lasse mich da zu leicht unter Druck setzen“. | |
| Die Spiegel-Frau kontert nun: „Hätte Frau Weisband nicht mit mir reden | |
| wollen, hätte das Gespräch nicht stattgefunden.“ Was in der Theorie | |
| natürlich stimmt, aber angesichts der subtilen Penetranz, mit denen so ein | |
| „Sie müssen nicht mit uns reden“ oft leise drohend vorgebracht wird, in der | |
| Praxis auch hier und da anders laufen soll. Disclaimer: Ob das bei diesem | |
| Fall zutrifft, bleibt tatsächlich unklar. | |
| Der Rest liegt dagegen ziemlich vollständig auf dem Tisch: Der Spiegel hat | |
| recht – und sich summa summarum auch journalistisch okay verhalten: Dass | |
| Medien zuspitzen, Zusammenhänge herstellen, Gesagtes durch das Drumherum im | |
| Artikel auf-, ab- oder bewerten, gehört zum Handwerk. Etwas neueren Datums | |
| ist die schlechte Angewohnheit, wörtliche Zitate oder gleich ganze | |
| Interviews autorisieren zu lassen. Im schlimmsten Fall bedeutet dies für | |
| ausgebuffte Gesprächspartner, den ganzen Spaß komplett umzuschreiben – | |
| teilweise bis in die Fragen hinein. Das hat das Genre Interview in | |
| Deutschland eigentlich längst entwertet, doch die Zeitungen halten eisern | |
| daran fest. | |
| Marina Weisband hat – ohne dass es ihr viel nützt – aber genauso recht. | |
| Denn im anderen schlimmsten Fall glauben die GesprächspartnerInnen, das | |
| ihm/ihr vorgelegte Zitat erscheine im späteren Artikel tatsächlich eins zu | |
| eins so, ohne Abstriche und garnierendes Beiwerk. Obwohl das natürlich auch | |
| – und vielleicht sogar erst recht – zusätzliche Aussagen, Fakten und | |
| Wertungen enthält. Das ist mit dem Spiegel-Geplauder über das angeblich | |
| allerorten gewünschte Comeback passiert. Am Ende ist die „gute Fee“ | |
| ziemlich böse. Und der Rest Interpretation. | |
| 6 Nov 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://marinaslied.de/ | |
| [2] http://www.spiegel.de/thema/spiegelblog/ | |
| ## AUTOREN | |
| Steffen Grimberg | |
| ## TAGS | |
| Marina Weisband | |
| Der Spiegel | |
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| Bernd Schlömer | |
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