# taz.de -- Antipartei trifft sich in Nichtstadt: Piraten wollen flauschiger se… | |
> Die Piraten sind genervt von „Shitstorms“ und den Schwächen sozialer | |
> Netzwerke. Sie werben für Telefonate und persönliche Gespräche. | |
Bild: Piraten üben die flauschige Kommunikation. Symbolbild. | |
BIELEFELD(!) taz | Johannes Ponader, politischer Geschäftsführer der | |
Piratenpartei, und seine Vorgängerin Marina Weisband brüllen sich an. | |
Beleidigungen wie „Idiot“ fliegen durch den Raum. „Erzfeindschaft“ – … | |
fühle sie für Ponader, ruft Weisband. „Raus“, kontert der. | |
Die PiratInnen, die sich im Kultur- und Kommunikationszentrum Bielefeld zur | |
ersten „FlauschCon“ getroffen haben, um ihren oft aggressiven Umgang | |
miteinander zu zivilisieren, schauen irritiert, aber auch amüsiert. | |
Denn natürlich ist der Streit, den der Theaterpädagoge Ponader und die | |
Psychologiestudentin Weisband auf offener Bühne hinlegen, inszeniert. | |
Spielerisch, aber drastisch wollen die beiden Promis ihrer Basis die | |
Verletzungen zeigen, ihnen eine Flut von Beleidigungen im Internet, auf | |
Twitter und in Mailinglisten der Piraten vorführen. | |
## Untragbares Verhalten | |
Ponader selbst stand erst im August im Zentrum eines solchen „Shitstorms“: | |
Erst hatte der einstige Hartz-IV-Bezieher den Vorstand der Bundesagentur | |
für Arbeit, Heinrich Alt, gegen sich aufgebracht, weil er trotz seines | |
70-Stunden-Jobs als Bundesgeschäftsführer weiter Sozialleistungen kassieren | |
wollte. | |
Ponader konterte mit internetaffinem Crowdfunding: Er fand Unterstützer, | |
die ihm monatlich zwischen fünf und 200 Euro überweisen – und weckte so den | |
Neid vieler an der Parteibasis: „Untragbar“ sei sein „Verhalten“, hieß… | |
in einem offenen Brief zweier Jungpiraten – an den sinkenden Umfragewerten | |
sei Ponader schuld. „Du erwürgst die Partei mit deinem Quatsch“, fanden | |
andere – und schlugen dem Parteimanager ernsthaft vor, „bei McDonald’s“… | |
arbeiten. | |
Dabei ist Ponader kein Einzelfall: Im Workshop „Abmahnen, verklagen, | |
anzeigen“ ärgert sich der mit seinen „law blog“ zum Grimme-Preisträger | |
aufgestiegene Düsseldorfer Anwalt Udo Vetter über die zusammengegoogelte, | |
juristisch unhaltbare Abmahnung, mit der die Bundespressestelle der Partei | |
die parteiinterne Arbeitsgemeinschaft „Nuklearia“ zwingen wollte, auf | |
Werbung für Atomenergie zu verzichten. | |
In seinem Landesverband drohten sich Parteimitglieder mit wechselseitigen | |
Beleidigungsklagen, berichtet ein Pirat aus Niedersachsen. Die | |
Rechtsabteilung sei schon gefragt worden, ob sie nicht bei Klagen gegen die | |
eigene Partei helfen könne, erzählt Vetter – und bittet um Zurückhaltung: | |
Schließlich seien bei immer mehr Medien „Redakteure abgestellt“, die „uns | |
beobachten“ – das Wort „verfolgen“ verwendet Vetter nur ironisch. | |
## Eine 7 in Kommunikation | |
Freundlicher, lobender – eben „flauschiger“ – müsse der innerparteilic… | |
Umgang werden, finden die Piraten. Auf der FlauschCon steht deshalb ein | |
Anti-Aggressions-Training auf dem Programm und ein Workshop über | |
„Depression und Burnout“. | |
Schuld an den Amokläufen vieler „Trolle“ seien auch soziale Netzwerke wie | |
Twitter selbst, meinen viele: Menschliche Kommunikation werde zu 70 Prozent | |
über die Körpersprache, zu 23 Prozent über die Stimme geprägt, glaubt ein | |
Pirat: „Wir kommunizieren auf einem 7-Prozent-Niveau.“ | |
Das Fazit vieler ist deshalb simpel: Leute wie Vetter und Ponader werben | |
immer wieder für ein entspannendes Telefonat oder persönliches Gespräch, | |
statt per Mailingliste aufeinander einzuprügeln. „Warum ruft ihr mich nicht | |
an?“, fragt Ponader – seine Nummer stehe doch für jeden sichtbar im Wiki | |
der Piraten. Die „sprachliche Gewalt“ müsse aufhören – denn die schrecke | |
nicht nur Neumitglieder ab. „Schon nach drei Monaten“, sagt Ponader, habe | |
er nachgedacht, ob er seine Arbeit als Geschäftsführer „mehr als ein Jahr | |
lang schaffe“. | |
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, | |
„der mittlerweile geschasste Bundespressesprecher Christopher Lang“ habe | |
die Abmahnung an die Arbeitsgemeinschaft „Nuklearia“ verschickt. Das ist | |
falsch. Lang war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Sprecher der Partei. Die | |
Redaktion bedauert den Fehler. | |
9 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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