# taz.de -- Kommentar Piratenpartei NRW: Die letzte Hoffnung der Piraten | |
> Udo Vetter, Anwalt und Blogger, versucht die Piraten in NRW auf Stand zu | |
> bringen. Ihre Lage ist nicht gerade rosig – nicht nur in | |
> Nordrhein-Westfalen. | |
Bild: Eigentlich fraktionsübergreifend anerkannt: Monika Pieper. | |
Der Düsseldorfer Anwalt Udo Vetter ist eine Netzpersönlichkeit, eine | |
Berühmtheit aus den weltweiten Weiten. Bis zu 50.000 Zugriffe am Tag habe | |
sein [1][„Law Blog“], in dem der 47-Jährige juristische Feinheiten oft | |
witzig und aufschlussreich aufarbeitet, versichert er. Außerdem gilt der | |
Strafverteidiger, der seit einem halben Jahr Mitglied der Piraten ist, als | |
geordnet und konstruktiv. | |
Bei der „FlauschCon“ in Bielefeld, wo die Piraten versuchen wollten, ihre | |
Neigung zu Shitstorms und Selbstzerfleischung in den Griff zu bekommen, | |
präsentierte Vetter mehr als Rollenspiele und den Sprung ins extra | |
herangekarrte, aus den Möbelhäusern einer schwedischen Kette bekannte | |
Bällebad. | |
Gar nicht langweilig, warb er in einer Art Seminar für | |
Selbstverständliches: Bevor Piraten andere Mitglieder oder gar ihre Partei | |
selbst verklagten, möchten sie doch bitte nachdenken – und auf die | |
Öffentlichkeitswirkung achten, bat er. | |
Jetzt will Vetter für ein Bundestagsmandat kämpfen – und wird damit zum | |
Hoffnungsträger zumindest der NRW-Piraten. Denn denen fehlt aktuell alles, | |
was Vetter auszeichnet: zum Beispiel ein Kassenbericht. Der fehlt seit | |
Juni. Verstoßen wird nicht nur gegen den eigenen Anspruch der Transparenz: | |
Klare Finanzen verlangt auch das Parteiengesetz. | |
Und die Landtagsfraktion, die seit Mai mit 20 Leuten Werbung für die ganze | |
Partei machen könnte, produziert statt Inhalten hauptsächlich | |
Peinlichkeiten: Die Bochumer Abgeordnete Birgit Rydlewski twittert nicht | |
nur über ihre [2][One-Night-Stands] und gerissene Kondome, sondern | |
unterrichtet die Öffentlichkeit auch über ihren anschließenden – negativen | |
– [3][HIV-Test]. Auch dauerten die Landtagssitzungen viel zu lang, meckert | |
die Lehrerin. Die BürgerInnen nervt das: Statt zu jammern, solle die mit | |
einer Diät von über 10.000 Euro im Monat ausgestattete Abgeordnete lieber | |
arbeiten, twittern sie zurück. | |
Das trifft. Denn dass die Performance der Fraktion alles andere als | |
brillant ist, gibt selbst der Vorsitzende Joachim Paul zu – wenn auch | |
ironisiert: „Die Luft ist raus“, der parlamentarische Alltag sei „eher | |
blass und leise“, so der Fraktionschef [4][in seinem Blog]. Zwar zitierte | |
Paul hiermit nur einen Bericht über die Grünen aus dem Jahr 1985. Trotzdem | |
wirkt seine Truppe eher wie ein Haufen vor sich hinwurschtelnder | |
Einzelkämpfer als einer schlagkräftigen Truppe. | |
Piratinnen wie die Parlamentarische Geschäftsführerin Monika Pieper wissen: | |
Ohne gemeinsame Ziele könne sich die Fraktion auch auflösen. Das wäre der | |
Anfang vom Ende der Partei – zumindest an Rhein und Ruhr. Stattdessen | |
müssen die Landtagspiraten endlich mit der Arbeit beginnen, politische | |
Kernthemen identifizieren und diese konstruktiv in die Öffentlichkeit | |
bringen. | |
Anwalt Vetter hat das längst getan: Er gilt als Kämpfer für Freiheits- und | |
Bürgerrechte, fordert die Abschaffung des Verfassungsschutzes. Im Bundestag | |
könnte er den Kern der Piraten glaubwürdig vertreten – wenn die Partei | |
nicht an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. | |
13 Nov 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.lawblog.de/ | |
[2] http://twitter.com/_Rya_/statuses/240073058566696961 | |
[3] http://twitter.com/_Rya_/status/240072885044129792 | |
[4] http://www.vordenker.de/blog/?p=598#more-598 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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