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# taz.de -- Debatte US-Wahl: „Sandy“ gegen die Heuschrecke
> Rettet Hurrikan „Sandy“ Barack Obama – und den American Dream? Mitt
> Romney im Weißen Haus wäre eine Entscheidung gegen die Zukunft der USA.
Bild: Gezeichnet vom Wahlkampfmarathon: Barack Obama am 3. November in Milwaukee
Gut möglich, dass zu guter Letzt Wirbelsturm „Sandy“ entschieden hat, wer
in den kommenden vier Jahren die Vereinigten Staaten von Amerika regieren
wird. Dass also eine Naturkatastrophe die Entscheidung des teuersten
Wahlkampfes in der Geschichte markieren wird; ein Wahlkampf, der zum Ende
hin immer dramatischere Wendungen nahm.
Der Sturm hat Barack Obama zu den Bildern verholfen, die er so dringend
braucht: Sie zeigen ihn als einen starken Mann, der handelt, die Dinge im
Griff hat, richtige Entscheidungen trifft und diese auch umsetzen kann. Die
Bilanz seiner Amtszeit ist indes eine gänzlich andere. Obama ist es nicht
gelungen, das nach den acht Bush-Jahren tief gespaltene Amerika wieder
näher zusammenzubringen. Im Gegenteil.
Die Fronten scheinen verhärtet wie seit dem Bürgerkrieg nicht mehr. Das
US-amerikanische System präsentiert sich erstarrt, nahezu erfroren. Die
wirtschaftlichen Probleme sind nicht gelöst. Sie haben dazu geführt, dass
sich die Kontrahenten noch weiter in ihre Schützengräben zurückzogen.
Je näher der Wahltermin rückte, desto weniger war vom amerikanischen „Leben
und Leben lassen“, der viel gerühmten Toleranz, zu spüren. Wer in der
letzten Zeit mit US-Amerikanern unterschiedlicher politischer Heimat an
einem Tisch saß und auf Mitt Romney und Barack Obama zu sprechen kam, hat
erlebt, wie schnell sich jede politische Diskussion in einen explosiven
Schlagabtausch verwandelt.
## Rassistische Vorurteile
In für Deutsche unvorstellbarer Klarheit werden rassistische Vorurteile
genutzt, um den politischen Gegner zu schwächen. Die weiße Oberschicht
verteidigt mit Zähnen und Klauen ihre Steuer-Privilegien. Ganz egal, was
das für die Armen bedeutet. Ganz egal, ob der American Dream zu einer
zynischen Karikatur verkommt. Und ganz egal, wie sich dies auf die
Stabilität des gesamten Landes auswirkt, das ja ebendiesen Traum als Kitt
braucht, um nicht an seinen Unterschieden zu zerbrechen.
Für viele Schwarze und Latinos scheint der Traum vorbei, und das wissen
sie. Auch die weiße Unterschicht ist enttäuscht davon, wie wenig ihr
Präsident für sie in den vergangenen Jahren getan hat. Sie sind erwacht, in
einer brutalen Wirklichkeit, aus der ein Aufstieg, ein Rauskommen kaum mehr
möglich scheint. Und hier entsteht aus einem hoffnungslosen Verzweifeltsein
eine gefährliche Mischung aus Wut und Hass auf eine Klasse, die immer
reicher wird. Das „Yes we can“ ist vielen zu einer hohlen Phrase verkommen,
viele Obama-Anhänger haben sich abgewendet von einem Politiker, der ja doch
nichts zum Besseren wendet.
In Deutschland gibt es diese Dynamik nicht. Hier wäre Obama auch ohne
„Sandy“ mit einer fast erschreckenden Eindeutigkeit gewählt worden. Über …
Prozent hätten sich für ihn entschieden. Das muss schon verwundern. Denn in
den Punkten, die für Deutschland unmittelbar relevant sind, unterscheiden
sich die beiden Politiker kaum. Europa lassen beide links liegen, wie die
dritte TV-Debatte, die der Außenpolitik gewidmet war, gezeigt hat.
## Die geerbten Kriege
Obama ist es nicht gelungen, eine politische Mehrheit dafür zu
organisieren, Guantánamo, den Unrechtsknast auf Kuba, zu schließen. Er hat
die geerbten Kriege nicht beendet, stattdessen an der Seite Israels sogar
einen Cyberkrieg begonnen, in dem mit Computerviren iranische Atomzentren
angegriffen wurden.
Und in einem klaren Verstoß gegen unser Verständnis von Völkerrecht führt
die Obama- Administration einen Drohnenkrieg in Pakistan und Jemen – zwei
Ländern, denen formal nie der Krieg erklärt wurde. Nach offiziellen Angaben
wurden durch die rund 350 Drohnen zwar ausschließlich Terroristen getötet.
Inoffizielle Kriegsbeobachter aber sprechen von über 1.000 toten
Zivilisten.
Trotz alledem: Über 90 Prozent aller Deutschen würden den Kriege führenden
Präsidenten wählen. Warum? In erster Linie sicherlich, weil die Bush-Jahre
noch tief im im kollektiven Gedächtnis der Deutschen verhaftet sind. So
einen Kriegsherrn, der die ganze Welt in ein großes Pulverfass verwandelte,
will man auf gar keinen Fall noch einmal haben.
## Kalte-Kriegs-Rhetorik
Und es ist weniger der Pragmatiker, der technokratisch agierende Mitt
Romney, als vielmehr sein Stellvertreter, der junge Paul Ryan, der mit
seiner kernigen Kalte-Kriegs-Rhetorik Angst macht. Nicht zu Unrecht
befürchtet man einen ideologischen Rechten, der die eigene US-amerikanische
Schwäche durch einen weiteren, unsinnigen Krieg zu kaschieren versucht.
Ist es dennoch nicht eigentlich egal, wer die Wahlen am kommenden Dienstag
für sich ausmacht? Nein. Vor allem nicht, wenn es uns nicht nur um unsere
unmittelbaren eigenen Interessen geht, sondern auch um die innere
Verfasstheit der USA.
Ja, beide Männer vertreten eine Außenpolitik, die sich in erster Linie an
einem sehr amerikanischen Selbstverständnis von Eigeninteresse orientiert.
In der Innenpolitik, der Steuer- und Haushaltspolitik aber könnten die
Unterschiede gar nicht größer sein. Hier orientieren sich die beiden an
zwei grundverschiedenen Gesellschaftsmodellen.
## Sollen Reiche mehr abgeben?
Es geht um die grundsätzliche Frage, ob die Reichen mehr von ihrem
Wohlstand abgeben müssen oder ob man weiter bei jenen streicht, die sowieso
schon an der Armutsgrenze oder darunter leben. Es geht darum, ob der Staat
sich und damit seine Gestaltungsmöglichkeiten auf Jahrzehnte zugrunde
richtet oder ob er sich stärkt und so wieder ermächtigt, in Infrastruktur
und Schulen und damit in die Zukunft der USA zu investieren.
Wenn auch Sturm „Sandy“ Präsident Obama nicht im Weißen Haus halten kann,
dann wird das indes einem Glaubenssatz geschuldet sein, der seine Anhänger
in den USA ebenso wie in Europa hat. Dass es nämlich die Konservativen
seien, die ein Land besser aus einer Wirtschaftskrise führen können. Es
scheint ein atlantikübergreifendes Phänomen, dass in dieser Frage
erstaunlich schnell vergessen wird, wer die Verursacher der weltweiten
Finanz- und Wirtschaftskrise sind. Hedgefonds-Manager, oder auf Deutsch,
Heuschrecken. Männer wie Mitt Romney eben.
4 Nov 2012
## AUTOREN
Ines Pohl
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