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# taz.de -- Zwei Bücher zu US-Wahl: Den Staat ertränken
> Philipp Schläger erklärt Psychologie und Politik der Tea Party. Christoph
> von Marschall befasst sich mit Obamas Programm für die zweite
> Amtsperiode.
Bild: Macht Stimmung gegen Obama: Die Tea Party.
Dem Republikaner Paul Ryan, der sich am 6. November zum Vizepräsidenten der
USA wählen lassen will, wird der sinngemäße Satz zugeschrieben: „Unsere
Rechte kommen von der Natur und von Gott, nicht von der Regierung.“ In
dieser These bündelt sich ein guter Teil der Weltanschauung der
US-amerikanischen Rechten. Aus den Wurzeln der Basisbewegung Tea Party
sprießend, hat sie sich in der republikanischen Partei von
Präsidentschaftskandidat Mitt Romney mittlerweile fest etabliert. Und ab
2013 könnte der Satz ein Teil der Regierungspolitik des immer noch
mächtigsten Staates der Erde werden.
Dieser Satz ist so gefährlich wie erstaunlich, zumal, wenn er von einem
Politiker gesprochen wird. Enthält er doch die Negation von Politik und von
Gesellschaft. Der 42-jährige Ryan erklärt, dass es zwei Letztbegründungen
der Rechte des Individuums gebe – zum einen das in der Tradition der
Aufklärung stehende Naturrecht, andererseits das göttliche Recht auf der
Basis der Bibel.
Was aber ist mit dem Gesellschaftsvertrag, den die durch Natur und vor Gott
gleichen Menschen untereinander schließen, um ihre individuellen Rechte
gegenseitig zu schützen? Wo bleibt eine Regierung, die die unveräußerlichen
Grundrechte durchsetzt?
Eine Verfassung als Quelle menschlicher Sicherheit, Freiheit und Pflicht
scheint Kandidat Ryan nicht zu kennen. Regierungshandeln schrumpft in
seinen Augen zu Repression. Nicht in einem demokratischen Ganzen sieht er
die Individuen aufgehoben, sondern in autonomen Basiskommunen, die sich mit
der Waffe in der Hand selbst gegen Unrecht schützen.
## „Amerikas neue Rechte“
Wie die Tea Party, die gegen US-Präsident Barack Obama gerichtete rechte
Basisbewegung, solche Ideen entwickelte, zu politischen Kampfformeln
schmiedete und in der Partei der Republikaner verankerte, beschreibt
Philipp Schläger, Berichterstatter unter anderem für die Zeit, die
Frankfurter Rundschau und den Freitag in New York, in seinem Buch „Amerikas
neue Rechte“.
Wie funktioniert die Tea Party, was will sie erreichen, welchen Einfluss
übt sie aus? Diesen Fragen geht Schläger nach, indem er den Aufstieg der
außerparlamentarischen Rechtsopposition seit der Wahl des Demokraten Obama
zum Präsidenten der Vereinigten Staaten 2007 nachzeichnet. Zentral ist
dabei das konservative Motiv des „kleinen Staates“.
Schläger zitiert einen Ausspruch des rechten Lobbyisten Grover Norquist:
Der Staat müsse so klein geschrumpft werden, dass man ihn „ins Bad
schleifen und in der Badewanne ertränken“ könne. Die typischen Anhänger der
Tea Party wollen möglichst wenig Steuern nach Washington zahlen und
betrachten die von Obama durchgesetzte Versicherungspflicht als Übergriff
einer viel zu mächtigen Regierung.
Dabei, so weist der Autor nach, ist die Staatskritik häufig eine Tarnung
für eigene materielle Interessen. Genüsslich seziert Schläger die
widersprüchlichen Äußerungen einer älteren Tea-Party-Anhängerin, die
einerseits den „kleinen Staat“ befürwortet, sich im selben Moment aber
gegen mögliche Einschränkungen der öffentlichen Krankenversicherung für
Senioren und der Rentenversicherung wehrt.
„Ich will einen kleinen Staat und meine Rente“, erklärt die Tea-Party-Frau.
Die widersprüchlichen Ziele legen nahe, dass die Opposition ihre
Anhängerschaft nicht zuletzt aus der Mittelschicht bezieht, die vor dem
Hintergrund der Wirtschaftskrise Angst vor dem sozialen Abstieg hat:
Staatskritik als Waffe im Kampf um die Verteilung der zunehmend knappen
öffentlichen Ressourcen.
## „Der neue Obama“
Christoph von Marschall, der Korrespondent des Berliner Tagesspiegels in
Washington, liefert in seinem komplementären Buch „Der neue Obama“ die
andere Seite, die des Präsidenten, seiner Entwicklung und Missgriffe.
Erhellend ist von Marschalls Zugang: Er beschreibt Obama recht persönlich,
schildert seine Körpersprache und Art zu kommunizieren. Von Marschall kommt
dem Präsidenten ziemlich nahe. Als ausgewählter Journalist hat er Zugang
zum Weißen Haus und stützt sich bei seinen Analysen auf einige persönliche
Treffen mit Obama.
Marschall weist darauf hin, dass der demokratische Präsident selbst dazu
beigetragen habe, die Opposition zu stärken. In den ersten euphorischen
Jahren nach dem Wahlsieg sei Obama in den Augen vieler US-Bürger über das
vertretbare und vermittelbare Maß von Reformen hinausgegangen. Diese Fehler
werde der Demokrat in seiner zweiten Amtszeit aber nicht mehr machen, meint
von Marschall. Er geht sicher davon aus, dass Obama die Wahl gewinnt – eine
hoffnungsvollere Einschätzung als die seines Autorenkollegen, der über die
Rechtsopposition schreibt.
## : "Amerikas Neue Rechte. Tea Party, Republikaner und die Politik der
Angst". Rotbuch Verlag, Berlin 2012, 286 Seiten, 15,40 Euro
## : "Der neue Obama. Was von der zweiten Amtszeit zu erwarten ist". Orell
Füssli, Zürich 2012, 238 Seiten, 14,95 Euro
3 Nov 2012
## AUTOREN
Hannes Koch
Hannes Koch
## TAGS
Barack Obama
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Tea Party
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Mitt Romney
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Sandy
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