# taz.de -- Republikaner in den USA: Die Freaks | |
> Die Republikanische Partei muss sich verändern, wenn sie nicht nur weiße | |
> Männer für sich gewinnen will. Dafür müsste sie aber jüngere Politiker | |
> ranlassen. | |
Bild: Die Republican National Convention im August in Tampa | |
WASHINGTON taz | Für Mitt Romney ist die Politik vorbei. Schon vor der Wahl | |
hatte der 65-Jährige angekündigt, sich im Falle einer Niederlage | |
zurückzuziehen. Für die Republikaner aber, für die er nur einen einzigen | |
der zehn wahlentscheidenden Swing States hat gewinnen können, geht die | |
Suche nach einer mehrheitsfähigen Zukunft jetzt erst richtig los. | |
Nur bei einer einzigen Wählergruppe haben die Republikaner wirklich gut | |
abgeschnitten: Es sind Weiße, Männer, gern ein bisschen älter, aus | |
ländlichen Gebieten oder Vorstädten. Die Jungen wählten: Obama. Frauen: | |
Obama. Latinos: Obama. Schwarze: Obama. Es ist wohl kein Zufall, dass die | |
Republikaner nur noch bei jener Teilmenge der Wähler gut abschneiden, die | |
auch den Kern der Tea Party bilden. | |
Dabei hatten die Republikaner mit Mitt Romney unter ihren Kandidaten noch | |
denjenigen herausgepickt, der am ehesten in der Lage erschien, Obama die | |
Stirn zu bieten. Seine Kontrahenten, von der schrillen Tea-Party-Ikone | |
Michele Bachmann über den wiederauferstandenen egozentrischen Newt | |
Gingrich, den minderbemittelten texanischen Gouverneur Rick Perry, den | |
humorvollen, aber ahnungs- und chancenlosen Pizza-Unternehmer Herman Cain | |
bis zum evangelikal-fanatischen Rick Santorum, galten den Mainstream-USA | |
als irre Freaks, nicht als ernsthafte Politiker. | |
Dass sie überhaupt in der Lage waren, sich recht lange im Rennen zu halten, | |
erfüllte das Land mit Gruseln, die Demokraten mit Schadenfreude und | |
bereitete den republikanischen Parteistrategen schlaflose Nächte. Der | |
libertäre Ron Paul vertrat radikale Minderheitspositionen und wurde | |
abgekanzelt, der ehemalige US-Botschafter in China, John Huntsman, hatte | |
keine Chance, weil er im Feld der Schreihälse zu leise und vernünftig war. | |
## Deutliche Kehrtwende | |
Dass ein Kandidat bei den Vorwahlen nach rechts und als Nominierter in die | |
Mitte rückt, ist nicht neu. Aber noch nie war die Kehrtwende so groß wie | |
dieses Jahr. Um nominiert zu werden, musste Romney von allem abrücken, | |
wofür der Politiker – nicht der Unternehmer – jemals gestanden hatte. | |
Früher für das Recht auf Abtreibung, in den Vorwahlen dagegen. Früher in | |
Massachusetts für Gesundheitsreform, heute dagegen. Es dauerte bis zur | |
ersten Fernsehdebatte im Oktober, dass Romney wieder in der Nähe der | |
früheren Version seiner selbst angekommen war. | |
Die Republikanische Partei ist in den letzten eineinhalb Jahrzehnten | |
mehrfach gekapert worden. Unter George W. Bush übernahmen Neokonservative | |
das außenpolitische Ruder und führten die Republikaner weit nach rechts, | |
zuvor hatte die christliche Rechte ihre Einflusssphäre innerparteilich | |
ausgedehnt. Mit der Präsidentschaft im Rücken war die Parteiführung stets | |
in der Lage gewesen, das noch strategisch fruchtbar zu machen. Mit dem | |
Auftreten der Tea Party nach Barack Obamas Wahlsieg 2008 gelang das nicht | |
mehr. | |
War die konservative Revolution, unter Newt Gringrich in den 90ern zur | |
Kongressmehrheit gereift, noch zu steuern gewesen, so fielen vor den | |
Kongresswahlen 2010 reihenweise Senats- und Repräsentantenhauskandidaten | |
des Establishments Tea-Party-Konkurrenten zum Opfer. Einige von ihnen | |
gewannen und bildeten im Kongress ein neues Machtzentrum. Andere verloren – | |
wie auch an diesem Dienstag – sicher geglaubte Sitze. | |
## Die neue Generation | |
Es war kein Zufall, dass sich Romney den recht jungen Abgeordneten Paul | |
Ryan als Vizepräsidentschaftskandidaten suchte. Zusammen mit Eric Cantor, | |
dem Chef der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus, und dem | |
kalifornischen Abgeordneten Kevin McCarthy hatte Ryan 2010 das Buch „Young | |
Guns – a new generation of conservative leaders“ veröffentlicht: Eine | |
Blaupause für den Versuch, Steuer- und Sozialkonservativismus in der | |
Republikanischen Partei ohne Schaum vor dem Mund neu zu vereinen und | |
strategisch auszurichten. | |
Ryan, so viel ist sicher, dürfte seine Kandidatur nicht geschadet haben, im | |
Gegenteil. Bei der jetzt notwendigen Suche nach einer Strategie der | |
Republikaner im Kongress während einer zweiten Obama-Amtszeit wird er eine | |
große Rolle spielen. Sein Angriffspunkt: die staatlichen Sozialsysteme. | |
Die Republikanische Partei wird sich verändern müssen. Geht sie den zuletzt | |
eingeschlagenen Weg weiter, wird sie als Sekte enden – einflussreich bei | |
ihren Jüngern, chancenlos in der sich wandelnden Demografie der | |
US-amerikanischen Gesellschaft. Aber die Republikaner sind eine Partei mit | |
Machtanspruch, und den will sie nicht nur in der von Fox News, | |
Evangelikalen und konservativen Radiotalkern geprägten Wählerschaft unter | |
Beweis stellen. Die darf sie nicht verlieren, muss sich aber öffnen. Paul | |
Ryan weiß das, aufstrebende republikanische Stars wie der kubanischstämmige | |
Marco Rubio aus Florida auch. Wenn jemand die Tea Party steuern und | |
einhegen kann, dann diese Politikergeneration. | |
Ein erster Schritt, Handlungs- und Politikfähigkeit unter Beweis zu | |
stellen, könnte eine Migrationsreform sein. Die hatte George W. Bush schon | |
Anfang der 2000er Jahre durchzusetzen versucht und war damals im Kongress | |
gescheitert. Obama hatte sie versprochen, aber den Konflikt mit den | |
Republikanern – und Teilen seiner eigenen Partei – gescheut. Heute sind die | |
Hispanics die am schnellsten wachsende Minderheitengruppe in den USA, und | |
eine immer wichtigere Wählerschicht. | |
Den Republikanern stehen Zerreißproben bevor. Noch in diesem Jahr werden | |
sie sich mit Obama einigen müssen, wie sie gemeinsam das Fiscal Cliff | |
verhindern wollen – also das gleichzeitige Auslaufen der Steuersenkungen | |
aus der Bush-Ära und das Inkrafttreten der automatischen flächendeckenden | |
Etatkürzungen. Die Enttäuschung der verlorenen Wahl könnte hinreichender | |
Anlass für Ryan und Co sein, sich handlungs- und kompromissfähig zu zeigen, | |
aber ohne Widerstand aus den eigenen Reihen wird das nicht gehen. | |
8 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
Bernd Pickert | |
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