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# taz.de -- Analyse der US-Präsidentenwahl: „Veränderte Demografie – na u…
> Obama habe nicht nur dank der Minderheiten gewonnen, sagt der Journalist
> Marco D'Eramo. Dessen Unterstützer könnten auch sehr schnell
> republikanisch wählen.
Bild: Bei Wahlanalysen sollte man es sich nicht zu einfach machen, sagt D'Eramo.
taz: Herr D’Eramo, die USA seien nach der Wahl mehr denn je gespalten,
liest man überall. Ist das so?
Marco D’Eramo: Die Vereinigten Staaten waren schon immer ein gespaltenes
Land, die Feststellung ist banal. Das liegt zunächst an dem rigiden
Zweiparteiensystem. Vor 12 Jahren, bei der Wahl zwischen George W. Bush und
Al Gore, war es auch total knapp, und es brauchte eine Art Putsch des
Supreme Court, damit die Republikaner die Wahl hauchdünn gewinnen konnten.
Auch Kennedy gewann 1960 nur äußerst knapp gegen Nixon.
Wie kommt es denn zu solchen Gemeinplätzen in der Analyse?
Es gibt einen Mythos – und zwar nicht nur in den USA, sondern auch in
Europa – von der einstmals „guten Rechten“: Wenn wir wie früher, heißt …
eine gemäßigte Rechte hätten, statt einer, die einfach die Armen noch
weiter erniedrigen und den Staat ausplündern will, dann wäre die Spaltung
nicht so stark. Dabei vergisst man, dass auch Nixon oder Reagan zu ihrer
Zeit die „böse Rechte“ repräsentierten. Reagan ist ja heute schon so was
wie der „Vater des Vaterlands“.
Ohne wachsende Minderheiten, heißt es auch, keinen zweiten Wahlsieg für
Obama.
Obama wurde nicht automatisch Präsident, nur weil sich die ethnische und
soziale Zusammensetzung der Bevölkerung verändert. Die Singlefrau wählt
Obama, okay. Aber irgendwann heiratet sie, dann wählt sie tendenziell
republikanisch. Und die Jungen, die heute Obama wählen, stimmen in vier
Jahren vielleicht ganz anders ab. Es ist die politische Leistung Obamas,
dass er sich eine Koalition gezimmert hat, die ihn unterstützt. Bis Mitte
der 1990er Jahre wählten die Hispanics die Republikaner. Das leuchtete auch
ein, denn die spanischsprachige Community ist mehrheitlich
konservativ-katholisch, machistisch, schwulenfeindlich, gegen Abtreibung.
Mit ihrer rigiden Antieinwanderungspolitik haben die Republikaner sie aber
verprellt. Das mag sich wieder ändern, ein den Republikanern nahestehendes
Unternehmen wie Walmart etwa will ja Einwanderer – auch illegale –, weil
sie die Löhne drücken.
Und die Afroamerikaner?
Die Republikaner waren historisch auch die Partei der Schwarzen, Abraham
Lincoln war Republikaner. Das endete erst in den 1930ern mit Roosevelt, der
die rassistischen Demokraten des Südens mit dem Labour-Flügel der weißen
Einwanderer im Norden zusammenbrachte. Diese Koalition hielt bis Anfang der
1960er Jahre mit der Bürgerrechtsbewegung. Mit ihr verloren die Demokraten
den Süden, die Republikaner entwickelten in der Folge ihre „Southern
Strategy“. Reagan gewann die Wahl mit dem Versprechen radikaler
Steuersenkungen. Seine Botschaft: Die wohlhabenden Weißen im Süden müssen
nicht mehr die Infrastruktur für die armen Schwarzen finanzieren. Bis 2008
hat diese Südstrategie die Republikaner stark gemacht. Von Lyndon B.
Johnson bis zu George W. Bush gewann immer der Kandidat aus dem Süden.
Den Republikanern bleiben im Moment nur noch die weißen Suburb-Bewohner?
Abwarten. Die Suburbs sind in der Krise. Sie sind strukturell rassistisch,
die Weißen zogen sich dorthin zurück, um keine Schwarzen um sich zu haben.
Das Problem ist nun, dass das Leben dort extrem langweilig ist, auf das
Haus fixiert, in dem man sich abends und am Wochenende einschließt. Als die
Suburbs wuchsen, kam eine neue aufregende Technik auf, die ganz auf das
Haus abgestimmt war: Festnetztelefon, Fernseher, Plattenspieler, später der
Desktopcomputer. Heute ist die Technik mobil und urban, man muss nicht mehr
immer zu Hause sitzen, um sie nutzen zu können.
Was sollen die Republikaner tun, um wieder mehrheitsfähig zu werden?
Zum einen ist die Koalition Obamas ja keineswegs stabil: Die Liberalen der
Westküste sind für Einwanderer, weil sie antirassistisch sind; die
Gewerkschaften sind oft gegen Einwanderung, weil sie die Löhne drückt.
Beide sind Demokraten. Und dann ist das ganze politische Zentrum in den
letzten dreißig Jahren nach rechts gerückt.
Und jetzt soll Obama etwas sehr Rechtes tun – das Defizit reduzieren!
Kann er gar nicht. Die Republikaner verweigern eine höhere
Staatsverschuldung. Und bleiben sie dabei, dann gehen die USA bankrott. Die
öffentlichen Ausgaben müssten um 4 Prozent des BIP zurückgefahren werden.
Das würde sofort zu einer Rezession führen – und zwar zu einer globalen,
weil es das Wachstum in China blockiert und damit auch die deutschen
Exporte. Das Insistieren auf der US-Schuldenbremse wird also nicht aufgehen
– genauso wenig wie der ideologische Stabilitätspakt von Frau Merkel.
Aber die USA zu „reindustrialisieren“, das wird Obama gelingen?
Auch nicht. Wenn das Mantra ist, dass alle weniger Steuern zahlen – bzw.
die Reichen weiterhin lächerlich niedrige –, wie soll es dann öffentliche
Investitionen in neue Technologien und Infrastruktur geben? Und dann: Die
Deindustrialisierung war doch eines der Instrumente, mit denen der
Klassenkampf gewonnen wurde. In den USA spricht man darüber auch ganz offen
– im Gegensatz zu Europa. Als Warren Buffet sagte, dass er gern ein wenig
mehr Steuern zahlen würde, war seine Begründung, dass die Milliardäre doch
ohnehin die strahlenden Sieger seien: Die Gewerkschaften sind tot, die
Arbeiterschaft liegt am Boden.
Also waren die 6 Milliarden Dollar, die im Wahlkampf ausgegeben wurden, für
die Katz?
Die Lage ist paradox. Natürlich sind wir alle glücklich, dass wir keinen
aufgewärmten Bush à la Mitt Romney bekommen haben. Aber sonst? Wir haben
denselben Präsidenten, die gleichen Mehrheitsverhältnisse in Senat und
Repräsentantenhaus. Die Tea Party hat sich gewandelt von einer
aufstrebenden Kraft zu einer, die besiegt worden ist, das stimmt. Aber sie
hat immer noch viele Abgeordnete und mit Paul Ryan einen radikalen Führer.
Was uns nun erwartet, ist ein verwickeltes politisches Spiel um
Kompromisse, die aber nicht so aussehen dürfen, als seien sie welche.
11 Nov 2012
## AUTOREN
Ambros Waibel
Ambros Waibel
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