# taz.de -- Die Helfer der NSU: Nazi-Terror vor Gericht | |
> Die Bundesanwaltschaft klagt die einzige Überlebende des NSU wegen Mordes | |
> an. Doch auch die vier Helfer müssen sich verantworten. | |
Bild: Ralf Wohlleben wird zum Gericht geführt, November 2011 | |
Vier Unterstützer der NSU werden sich vor dem Oberlandesgericht München | |
verantworten müssen. Am Donnerstag gab die Bundesanwaltschaft die | |
Anklageerhebung wegen verschiedener Straftaten bekannt. | |
Ralf Wohlleben: Beihilfe zum Mord | |
Blitzkrieg, Blutbanner und Tätervolk: So heißen die Bands, die gerade eine | |
Soli-CD für den seit Ende November inhaftierten ehemaligen NPD-Funktionär | |
Ralf Wohlleben aufgenommen haben. Doch während die braunen Sympathisanten | |
Geld für ihn sammeln, haben mehrere alte Kumpels aus der Jenaer | |
Kameradschaftsszene den heute 37-Jährigen schwer belastet. | |
In den Vernehmungen beschrieben sie ihn als Strippenzieher im Hintergrund, | |
der zumindest in den ersten Jahren den Kontakt zum abgetauchten Neonazitrio | |
koordiniert und ihnen Kuriere in den Untergrund geschickt haben soll, erst | |
mit Geld – dann mit Waffen. | |
Wohlleben soll dem NSU-Trio mit Hilfe von Carsten S. jene Česka-Pistole | |
beschafft haben, mit der die Neonazis von 2000 bis 2006 acht | |
türkischstämmige Männer und einen Griechen erschossen. Die | |
Bundesanwaltschaft wertet das als Beihilfe zum Mord in neun Fällen. Er habe | |
den Einsatz der Waffe für rassistische Morde billigend in Kauf genommen. | |
Carsten S.: Beihilfe zum Mord | |
Der später als Sozialarbeiter in der Aids-Hilfe arbeitende und offen schwul | |
lebende Exneonazi Carsten S. gab in Vernehmungen zu, Ende 1999 oder Anfang | |
2000 mit dem Zug nach Chemnitz gefahren zu sein und dort den | |
NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einem Abbruchhaus ihre | |
Mordwaffe übergeben zu haben. | |
Carsten S. war damals in der NPD und deren Jugendorganisation JN aktiv. Den | |
Auftrag für die Waffenlieferung habe er von Ralf Wohlleben bekommen, sagte | |
der heute 32-Jährige in seiner Vernehmung. Der habe vor seinen Augen den | |
Schalldämpfer auf die Ceska 83 geschraubt. Die 2.500 D-Mark für die Waffe | |
sei ebenfalls von Wohlleben gekommen, so S. | |
Auch Carsten S. ist nun von der Bundesanwaltschaft wegen Beihilfe zum Mord | |
in neun Fällen angeklagt worden. Als er dem NSU seine Mordwaffe lieferte, | |
war er 19 Jahre alt, weshalb er nur mit einer Jugendstrafe zu rechnen hat. | |
Seit Mai sitzt er nicht mehr in Untersuchungshaft. | |
Holger G.: Terror-Unterstützung | |
Holger G. war wie Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in den 90er | |
Jahren Mitglied der „Kameradschaft Jena“, die wiederum Teil des | |
Neonazinetzes „Thüringer Heimatschutz“ war. In seinen Vernehmungen gab der | |
später nach Niedersachsen umgezogene Holger G. zu, zwischen 2001 und 2011 | |
dem untergetauchten Trio unter anderem seinen Führerschein, eine | |
AOK-Versichertenkarte und seinen Pass zur Verfügung gestellt zu haben. | |
Die Bundesanwaltschaft wirft dem heute 38-jährigen Holger G. daher die | |
Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. Er habe den | |
NSU-Mitgliedern geholfen, „ihre wahre Identität zu verschleiern“. | |
Holger G. ist gleichzeitig auch ein wichtiger Zeuge der Anklage. Denn in | |
seinen Vernehmungen schilderte er auch, wie er 2001 den in Zwickau | |
abgetauchten Neonazis in einem Stoffbeutel eine Waffe brachte. Einer der | |
beiden Uwes habe sie durchgeladen – vor Beate Zschäpes Augen. Sie soll den | |
Waffenkurier auch am Bahnhof abgeholt haben. | |
André E.: Beihilfe zum Anschlag | |
Der sächsische Rechtsextremist mit der "Die Jew die"-Tätowierung auf dem | |
Bauch („Stirb, Jude, stirb“) soll nach Zeugenaussagen vom ersten Jahr des | |
Abtauchens des NSU-Trios an mit den Neonazis in Kontakt gestanden haben. | |
Auch ihm wirft die Bundesanwaltschaft vor, deren wahre Identität | |
verschleiert und so eine Terror-Vereinigung unterstützt zu haben. | |
So habe er 2006 Zschäpe als seine Ehefrau ausgegeben. Im Wohnmobil, in dem | |
sich Böhnhardt und Mundlos erschossen haben, fanden die Ermittler zudem | |
eine Bahncard mit Uwe Böhnhardts Foto – aber André E.s Namen. | |
Er soll auch das Wohnmobil angemietet haben, das beim ersten | |
Sprengstoffanschlag des NSU in der Kölner Altstadt 2001 verwendet wurde. | |
Dabei wurde eine 19-jährige Deutschiranerin schwer verletzt. Auch für zwei | |
Überfälle soll André E. die Tatfahrzeuge angemietet haben. Die | |
Bundesanwaltschaft klagt den 33-Jährigen deshalb auch wegen Beihilfe zu dem | |
Anschlag und zum Raub an. | |
8 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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