| # taz.de -- Friedensforscher über Asylpolitik: „Auch Berlin ist verantwortli… | |
| > Elias Bierdel, der ehemalige Direktor des Hilfswerks „Cap Anamur“, | |
| > geißelt die neue EU-Asylpolitik als unmenschlich. Sie verschärfe die | |
| > Abwehrmaßnahmen. | |
| Bild: Flüchtlinge aus Tunesien werden im April 2011 auf Lampedusa von der Poli… | |
| taz: Herr Bierdel, an diesem Donnerstag wird die neue europäische | |
| Asylpolitik beschlossen. Wird jetzt alles besser? | |
| Elias Bierdel: Auf keinen Fall. In Griechenland sehen wir die Trümmer der | |
| europäischen Asylpolitik und das Scheitern der Dublin-Verordnung. Mit der | |
| Neufassung hat sich praktisch nichts geändert. Das Prinzip bleibt: | |
| Zuständig für den Asylantrag ist das Land, über das der Flüchtling | |
| einreist. Dublin ist typisch für die derzeitige Politik: Man macht weiter, | |
| obwohl man sieht, dass es so nicht weitergeht. Und das bezahlen Flüchtlinge | |
| mit ihrem Leben. Man lässt sie im Mittelmeer absaufen und akzeptiert | |
| unmenschliche Bedingungen in den Abschiebelagern. | |
| Welche Rolle spielt die EU beim Umgang mit Flüchtlingen in Griechenland? | |
| Zynischer geht es nicht mehr. Einerseits übt man Druck auf Griechenland | |
| aus, die Grenzen dicht zu machen, und gleichzeitig sagt man ihnen, sie | |
| müssen aber die Menschenrechte beachten. Es gilt eine Strategie der | |
| Abschreckung und der Abwehr. | |
| Wie sieht das konkret an den griechischen Grenzen aus? | |
| Es kommt ganz darauf an, wie viel Raum zwischen den Kontinenten liegt. Vor | |
| Lampedusa wird man die Flüchtlinge los mit systematischer unterlassener | |
| Hilfeleistung. So kann man sie verschwinden lassen. In der Ägäis sind es | |
| aber nur 700 Meter Meer. Da hat die griechische Küstenwache gezielte | |
| Techniken zur Abwehr entwickelt. Die zivile Küstenwache wendet zum Beispiel | |
| die „Kimata-Technik“ an. Das bedeutet so viel wie „Wellen machen“. | |
| Die kleinen Schlauchboote werden mit gezielten Heckwellen von den großen | |
| Booten abgedrängt. Außerdem gibt es Sondereinsatzboote, die die EU den | |
| Griechen finanziert hat. Die fahren jetzt ohne jede Kennzeichnung aufs | |
| Wasser und schlitzen den Migranten auch mal die Boote auf. | |
| Die EU-Grenzschutzagentur Frontex ist ebenfalls vor Ort? | |
| Ja. Frontex macht nicht die Schweinereien, aber die Beamten stehen mit | |
| verschränkten Armen da und schauen zu. Die haben eine Mitverantwortung. | |
| Die Innenminister feiern Dublin III als den Anfang einer gemeinsamen | |
| europäischen Asylpolitik. Haben die Richtlinien diesen Namen verdient? | |
| Auf keinen Fall. Das neue Paket ist lediglich eine Verschärfung der | |
| Abwehrmaßnahmen. Sonst nichts. Es gibt keine Bereitschaft, sich gemeinsam | |
| für die Grenzen zuständig zu fühlen. Vor allem Deutschland lehnt es ab, die | |
| Flüchtlinge auf alle Mitgliedsstaaten zu verteilen. Während der deutschen | |
| Ratspräsidentschaft gab es dazu bereits ein klares Nein, und das hat sich | |
| nicht geändert. Die Verantwortung für die Leute, die im Mittelmeer oder in | |
| den Abschiebelagern in Griechenland sterben, liegt eindeutig auch in | |
| Berlin. | |
| 6 Dec 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ruth Reichstein | |
| ## TAGS | |
| Asylpolitik | |
| Flüchtlinge | |
| Frontex | |
| Griechenland | |
| Flüchtlinge | |
| Grenzsicherung | |
| Australien | |
| Flüchtlinge | |
| Dublin-II-Verordnung | |
| Asylsuchende | |
| Asylrecht | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Flüchtlingsdrama vor italienischer Küste: 900 Flüchtlinge gerettet | |
| Italiens Küstenwache holte mehr als 900 Flüchtlinge aus dem Wasser. Sieben | |
| Menschen sollen umgekommen sein. Sie seien umgebracht worden, berichten | |
| Überlebende. | |
| Computergestützte Grenzsicherung: Mit dem Fingerabdruck nach Europa | |
| Nur noch sicherheitsgeprüfte Ausländer sollen in die EU einreisen, findet | |
| die EU-Kommission. Für eine Milliarde Euro will sie dazu eine Megadatenbank | |
| aufbauen. | |
| Flüchtlingspolitik in Australien: Einwanderer zweiter Klasse | |
| Australien gilt als Einwanderungsland. Doch wer mit dem Boot den fünften | |
| Kontinent ansteuert, landet im Flüchtlingslager – auf unbestimmte Zeit. | |
| 20 Jahre „Asylkompromiss“: Grausame Lotterie | |
| Flüchtlinge werden in Europa sehr unterschiedlich behandelt, wie der Fall | |
| einer syrischen Familie zeigt. Auch ein neues EU-System ändert das nicht. | |
| EU-Planungen: Asylrecht bleibt ungerecht | |
| Beim Asyl-Paket der EU sollen Lager gleiche Standards erfüllen. Das | |
| Einsperren von Flüchtlingen bleibt aber weiterhin erlaubt. Ein Überblick. | |
| Asylproteste in Berlin: Flüchtlingsbus abgeschoben | |
| Der Bezirk Mitte holt den Wärmebus der Flüchtlinge vom Pariser Platz. | |
| Stattdessen leuchtet dort jetzt ein Weihnachtsbaum. | |
| Kommentar Asylbewerberleistungsgesetz: Mit Friedrich auf Zeitreise | |
| Das neue Leistungsgesetz für Asylbewerber ist diskriminierend. Es sieht | |
| Sachleistungen statt Geld vor und benachteiligt einzelne Gruppen. | |
| Neuer Gesetzesentwurf zum Asylrecht: Höhere Leistungen, seltener Bargeld | |
| Flüchtlinge sollen künftig fast so viel Unterstützung erhalten wie | |
| Hartz-IV-Empfänger. Die Hilfen sollen möglichst als Sachleistungen | |
| erfolgen. |