# taz.de -- Kommentar Asylbewerberleistungsgesetz: Mit Friedrich auf Zeitreise | |
> Das neue Leistungsgesetz für Asylbewerber ist diskriminierend. Es sieht | |
> Sachleistungen statt Geld vor und benachteiligt einzelne Gruppen. | |
Man stelle sich vor, es ginge um Deutsche: Hartz-IV-Empfänger bekämen | |
künftig kein Geld mehr aufs Konto, sondern zweimal in der Woche ein | |
Essenspaket, bestellt vom Amt, gepackt vom Cateringservice. Taschengeld | |
wird gestrichen, Zigaretten und Bier auch. [1][Absurd? Ganz bestimmt.] | |
Im Fall von Asylbewerbern ist es das nicht. Seit 1993 ist das | |
Sachleistungsprinzip in Deutschland die Regel – ersonnen als Schikane, um | |
Flüchtlinge fernzuhalten, gemeinsam mit einem Arbeitsverbot und einem | |
drastisch gesenkten Anspruch auf Sozialleistungen. | |
Letzteres hat das Bundesverfassungsgericht im Sommer für nichtig erklärt. | |
Existenzminimum ist Existenzminimum, entschieden die Richter. Ganz gleich, | |
um wessen Existenz es geht. | |
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich wollte das Urteil von Anfang an | |
nicht akzeptieren. Er will, das hat er mehrfach gesagt, nach wie vor das | |
Sozialrecht zu benutzen, um Menschen aus Deutschland zu vergraulen, die er | |
hier nicht haben will. | |
Am liebsten wäre es ihm deshalb gewesen, wenn Flüchtlinge auch in Zukunft | |
weiter deutlich weniger Geld als Deutsche bekommen würden. Damit konnte er | |
sich im Kabinett nicht durchsetzen. Nun sollen die Flüchtlinge wenigstens | |
nicht selbst entscheiden können, was sie sich von ihrem Geld kaufen: Das | |
zutiefst paternalistische Sachleistungsprinzip, das viele Länder, Kreise | |
und Städte in den vergangenen Jahren eigenmächtig ausgesetzt haben, soll | |
auf Drängen Friedrichs wieder restriktiver gehandhabt werden. | |
Roma aus Serbien und Mazedonien, auf die es das Innenministerium besonders | |
abgesehen hat, sollen künftig weniger bekommen als andere. Ihre | |
Herkunftsländer will Friedrich dazu pauschal für „sicher“ erklären. Asyl | |
gibt’s dann keins mehr – und bis zur Abschiebung auch weniger Geld. | |
Kommt er damit durch, kann sich in Deutschland bald kein Flüchtling mehr | |
sicher sein. Das Prinzip lässt sich ohne weiteres auf andere Staaten | |
anwenden. Irgendwann werden dann womöglich auch Russland oder die Türkei | |
pauschal als „sicher“ eingestuft, wenn nach dem Geschmack des | |
Innenministers zu viele Leute von dort hierherkommen. | |
Zwanzig Jahre hat es gedauert, bis die schlimmsten Folgen des | |
Asylkompromisses aufgehoben wurden. Der Innenminister arbeitet mit aller | |
Kraft daran, die Uhr wieder zurückzudrehen. | |
30 Nov 2012 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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