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# taz.de -- Asylproteste in Berlin: Flüchtlingsbus abgeschoben
> Der Bezirk Mitte holt den Wärmebus der Flüchtlinge vom Pariser Platz.
> Stattdessen leuchtet dort jetzt ein Weihnachtsbaum.
Bild: So schön kann die Stimmung am Pariser Platz sein, wenn keine Flüchtling…
Mit der Spitze nach unten steht ein kleiner Weihnachtsbaum vor dem
Brandenburger Tor, an den Ästen buntes Lametta und weiße Kärtchen, auf die
Menschen Wünsche geschrieben haben: „Leben ohne Angst“ und „Ende der
Residenzpflicht“ etwa. Eng beieinander stehen 80 Menschen im Schneegestöber
um den Baum, es ist der erste Advent, ein Liedermacher spielt Gitarre und
singt von Freiheit.
Bis Freitag stand hier der Wärmebus der Flüchtlinge. In dem Doppeldecker
konnten sie sich während der vergangenen Wochen zurückziehen und von
Hungerstreik und Mahnwache im Freien nachts erholen. Doch der Pariser Platz
soll in der Weihnachtszeit schön und besinnlich sein – da passt der Bus
offenbar nicht mehr. Mit einem Abschleppdienst und 70 Polizisten war der
Leiter des Ordnungsamtes Mitte am Freitag gekommen. Die Polizei trug,
schubste und zog rund 20 Sitzblockierer aus dem Weg, dann zog ein
Abschleppwagen den Bus auf die Westseite des Brandenburger Tors, zu einem
Parkplatz in der Straße des 17. Juni.
Weil ein Aktivist angekündigt haben soll, den Bus nach Abzug der Polizei
wieder an den alten Platz, neben das Flüchtlingscamp zu fahren, kappte die
Polizei noch ein Kabel – seitdem ist der Bus fahruntüchtig. Offiziell
wollte sich am Wochenende niemand zum Abschleppen des Buses äußern. Mittes
Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD) war am Sonntag nicht zu
erreichen.
## Eiserner Zaun
Nun steht also statt des Wärmebuses auf dem Pariser Platz ein
Weihnachtsbaum, 15 Meter hoch: das jährliche Geschenk der norwegischen
Stadt Frogn an Berlin, als Zeichen des Friedens und der Solidarität. Ihn
umgibt ein eiserner Zaun.
Vor dem Baum wurde eine Bühne aufgebaut, auf der Norwegens Botschafter
gleich die Lichter anknipsen soll. Hinter Baum und Zaun stehen Polizisten
und Männer mit schwarzen „Security“-Jacken. Sie sollen den offiziellen Baum
und dessen Einweihung vor dem „antirassistisch-interkulturellen Baumfest“
der Flüchtlingsaktivisten beschützen. Doch da gibt es nichts zu schützen.
Die Flüchtlinge essen gespendeten Stollen und trinken Glühwein.
Maiwand Nori, Flüchtling aus Afghanistan, zieht wegen der Kälte seinen Kopf
tief zwischen die Schultern, schiebt seinen Schal vor Mund und Nase.
„Gestern kamen deswegen Polizisten zu mir und ermahnten mich, weil ich mich
so vermummen würde“, sagt Nori.
Er tritt vor die Menge und hält einer Übersetzerin seinen Zettel hin, sie
liest vor: „Da die Bundesregierung deutlich gemacht hat, dass sie sich für
Leib und Seele von uns Hungerstreikenden nicht interessiert, unterbrechen
wir heute unseren Hungerstreik. Für den Kampf für die uns zustehenden
Menschenrechte sammeln wir ab heute neue Kraft.“ Die Leute klatschen.
Nebenan beginnt eine norwegische Band Weihnachtslieder zu spielen.
2 Dec 2012
## AUTOREN
Sebastian Puschner
## TAGS
Flüchtlinge
Österreich
Schwerpunkt Afghanistan
Asylpolitik
Flüchtlinge
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