# taz.de -- Schusswaffen in den USA: Lobby lädt durch | |
> US-Vizepräsident Joe Biden will das Waffenrecht verschärfen, andere | |
> Politiker ziehen mit. Dagegen zieht die mächtige Lobby ins Feld. | |
Bild: Komm und hol sie dir: Demonstrant gegen schärfere Waffengesetze in Color… | |
WASHINGTON taz | Die Schusswaffenfreunde in den USA haben die Fotos von | |
Hitler und von Stalin wieder aus dem Keller geholt. Mit demselben Zweck wie | |
bereits vor vier Jahren: Zu behaupten, Präsident Barack Obama sei wie die | |
beiden Diktatoren. Damals ging es um die Gesundheitsreform. Dieses Mal um | |
die geplante Verstärkung der Schusswaffenkontrolle. | |
Vizepräsident Joe Biden hat in der zurückliegenden Woche alle möglichen | |
Leute, die etwas zum Thema Schusswaffengewalt zu sagen haben, zum Gespräch | |
geladen: Überlebende von Schießereien, Jäger, Filmemacher und – erst ganz | |
zum Schluss – die mächtige Lobbygruppe National Rifle Association (NRA), | |
die die Ansicht vertritt, eine Schule – und jeder beliebige andere Platz in | |
den USA – sei dann am sichersten, wenn dort die „good guys“ Waffen tragen, | |
um sich gegen die „bad guys“ zu wehren. | |
Biden, der vom Präsidenten mit der Mission gegen Schusswaffengewalt | |
beauftragt worden ist, will schon am kommenden Dienstag einen Plan | |
vorlegen. Unter anderem will er dem Weißen Haus empfehlen, strengere | |
Backgroundchecks für Waffenkäufer einzuführen und den Verkauf von | |
Hochleistungsmagazinen zu reglementieren. | |
Amokläufer haben mit solchen Magazinen oft mehrere Menschen pro Sekunde | |
erschossen. Auch der Todesschütze, der an der Grundschule Sandy Hook in | |
Newtown 20 Kinder und 6 Erwachsene erschossen hat, benutzte sie. | |
Falls der Kongress nicht bereit ist, einer Verschärfung der | |
Schusswaffenkontrolle zuzustimmen, befürwortet Biden auch ein Vorgehen | |
mithilfe von Vollzugsanordnungen durch den Präsidenten. Dagegen schießt die | |
andere Seite scharf. Sie nennt ein Vorgehen per Vollzugsanordnung, wie es | |
im Übrigen auch die Präsidenten George H. W. Bush und Bill Clinton zur | |
Schusswaffenkontrolle benutzt haben, „autoritär“. Und kontert mit | |
Diktatorenvergleichen. | |
## New Yorks Gouverneur mit Anti-Waffen-Gesetz | |
Die Initiative von Biden auf der Bundesebene ist nicht das einzige | |
gegenwärtige Vorgehen gegen Schusswaffen. Im Bundesstaat New York hat der | |
demokratische Gouverneur Andrew Cuomo gerade ein Gesetz vorgelegt, das zum | |
bislang weitestgehenden Verbot von Sturmgewehren und Hochleistungsmagazinen | |
führen würde. „Dieser Wahnsinn muss aufhören“, sagte Cuomo: „Niemand g… | |
mit einem Sturmgewehr auf die Jagd. Niemand braucht zehn Kugeln, um ein Reh | |
zu erschießen.“ Der Gouverneur gilt als einer der potenziellen Anwärter für | |
die demokratische Präsidentschaftskandidatur 2016. | |
Dass sich ein Politiker mit seinen Karriereplänen an das heikle Thema | |
heranwagt, ist selten. Michael Bloomberg, der Bürgermeister von New York, | |
der in seiner Stadt schon lange gegen Schusswaffen aktiv ist, hat ihm dafür | |
gratuliert. | |
Eine andere Initiative kommt von einer Frau, deren eigenes Leben infolge | |
einer Schießerei an einem seidenen Faden gehangen hat. Die ehemalige | |
Kongressabgeordnete Gabby Giffords war am 8. Januar 2011 in Tucson, Arizon, | |
durch einen Kopfdurchschuss verletzt worden. | |
## Schusswaffenkontrolle „mit gesundem Menschenverstand“ | |
Sie ist selbst Schusswaffenbesitzerin und verteidigt den zweiten | |
Verfassungszusatz, der den Waffenbesitz seit dem Jahr 1791 zu einem | |
Grundrecht macht. Doch in dieser Woche, zwei Jahre nach dem Attentat, hat | |
Giffords zusammen mit ihrem Mann ein Komitee zur Schusswaffenkontrolle „mit | |
gesundem Menschenverstand“ gegründet. | |
Gleichzeitig bereitet auch kalifornische Senatorin Dianne Feinstein ein | |
Gesetz vor, das sämtliche Sturmwaffen verbieten sollt. Und vereinzelt haben | |
Kongressabgeordnete nach der Schießerei von Newtown sogar von der | |
Möglichkeit gesprochen, bereits im Umlauf befindliche halbautomatische | |
Waffen aus dem Verkehr zu ziehen. Bislang war nur von künftigen | |
Waffengeschäften, nicht aber von bereits legal erworbenen Waffen die Rede. | |
Die Öffentlichkeit, so zeigen Umfragen, ist gespalten. Die Zustimmung zu | |
der normalerweise sehr populären NRA ist gegenwärtig auf 42 Prozent | |
gesunken. Doch die Schusswaffenlobby gibt nicht auf. Seit der Schießerei | |
hat die NRA, ihr größter Lobbyverband, nach eigenen Angaben 100.000 neue | |
Mitglieder geworben. Im selben Zeitrum ist es zu Hamsterkäufen von | |
halbautomatischen Waffen und Munition gekommen und ist die Zahl der Anträge | |
auf Waffenscheine – in den Bundesstaaten, wo diese Formalität überhaupt | |
nötig ist – in die Höhe gegangen. | |
## Walmart verweigert das Gespräch | |
Einer der großen Nutznießer der Waffenkäufe ist der größte Einzelhändler | |
der Welt, Walmart, bei dem es sowohl Schusswaffen als auch Munition gibt. | |
Auch mit den Walmartchefs wollte sich Biden diese Woche treffen. Sie sagten | |
unter Verweis auf Terminschwierigkeiten ab. | |
Die NRA lehnt die von Biden und anderen Politikern vorgeschlagenen | |
Verschärfungen ab. Und sagt, er wolle vor allem den zweiten | |
Verfassungsgrundsatz kippen. Statt mehr Schusswaffenkontrolle will die NRA | |
mehr Pistolen in den Händen der „good guys“, damit die sich gegen „bad | |
guys“ wehren können. | |
Die Argumente, die sie in die gegenwärtige Debatte wirft, sind vor allem | |
Ablenkungsmanöver: Unter anderem verlangt die NRA jetzt eine bessere | |
Versorgung von psychisch Kranken (weil viele Todesschützen psychische | |
Probleme haben), sie will ein stärkeres Augenmerk auf Drogen (weil viele | |
Todesschützen Psychopharmaka einnehmen), sie macht gewalttätige Filme | |
verantwortlich und sie bemüht ihren uralten Slogan, dass nicht Waffen | |
töten, sondern die Menschen, die sie benutzen. | |
11 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
Dorothea Hahn | |
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