| # taz.de -- Niedrigstlöhne bei US-Supermarktkette: Thanksgiving ohne Truthahn | |
| > Weil sie sich sonst kein Essen am Festtag leisten können, sammelt ein | |
| > Walmart-Filialleiter Lebensmittel für die eigenen unterbezahlten | |
| > Mitarbeiter. | |
| Bild: „Jeder kann sich Walmart leisten - außer denen, die dort arbeiten“, … | |
| WASHINGTON taz | „Spendet Lebensmittel“ stand auf dem Zettel über den | |
| orange- und lilafarbenen Plastikbehältern. Sie waren in einem nur für | |
| Angestellte zugänglichen Gang der Walmart-Zweigstelle in Canton, Ohio | |
| aufgestellt. Die Naturalien waren nicht für Obdach- und Arbeitslose | |
| gedacht, sondern für Beschäftigte des Supermarktes. „Damit sie ein | |
| Thanksgiving-Dinner genießen können“, schrieb der Manager des Supermarktes | |
| in seinem Spendenaufruf. | |
| „Thanksgiving“ ist vor allem ein Festessen. Es findet am vierten Donnerstag | |
| im November statt – traditionell rund um einen gestopften Truthahn, Kürbis | |
| und Cranberries. Die nationale Mythologie will, dass es auf ein gemeinsames | |
| Erntedankfest von europäischen „Pilgrims“ und amerikanischen | |
| UreinwohnerInnen im Jahr 1621 zurückgeht. Für viele US-AmerikanerInnen ist | |
| es das schönste Fest: Ein Familientreffen, ohne Geschenke und Konsum. | |
| Umso schockierter reagieren viele auf die Entdeckung, dass | |
| Vollzeit-Beschäftigte von Walmart nicht genug verdienen, um sich ein | |
| Thanksgiving-Essen leisten zu können. Walmart ist mit seinen insgesamt rund | |
| 8.500 gigantischen Supermärkten – davon knapp 4.000 in den USA – das grö�… | |
| Einzelhandelsunternehmen der Welt. | |
| Der Konzern kontrolliert konkurrenzlos ganze Regionen der USA. Für seine | |
| AktionärInnen – insbesondere die Gründer-Familie Walton, ist er eine | |
| Goldgrube. Im vergangenen Jahr erzielte er 17 Milliarden Dollar Gewinn. | |
| Doch der Durchschnittslohn seiner rund 1,2 Millionen Verkäufer- und | |
| KassiererInnen in den USA liegt im besten Fall knapp über der Armutsgrenze | |
| (die auf 23.550 Dollar für eine vierköpfige Familie festgelegt ist), | |
| vermutlich jedoch deutlich darunter. | |
| ## Walmart duldet keine Gewerkschaften | |
| Der Konzern beziffert den durchschnittlichen Jahreslohn seiner | |
| Beschäftigten auf 25.000 Dollar. Walmart-kritische Vereinigungen schätzen, | |
| dass er zwischen 15- und 20.000 Dollar liegt. Gewerkschaften können sich | |
| nicht äußern. Walmart USA duldet keine Gewerkschaften in seinen | |
| Supermärkten. | |
| Möglicherweise hat Walmart auch in anderen Supermärkten | |
| Lebensmittelsammlungen für Beschäftigte organisiert. Aber in Canton machte | |
| eine Verkäuferin, die aus Sorge um ihren Arbeitsplatz anonym bleiben will, | |
| Fotos und gab sie an „[1][OUR Walmart]“weiter. | |
| Die Gruppe „Organization United for Respect at Walmart“ versucht von außen | |
| – mit Mahnwachen, Petitionen und Rechtshilfe – die Arbeitsbedingungen der | |
| Walmartbeschäftigten zu verbessern. „Ich bin ausgeflippt, als ich die | |
| Bilder sah“, sagt Vanessa Ferreira von OUR Walmart: „der Konzern sollte | |
| seinen Beschäftigten ermöglichen, Vollzeit zu arbeiten und ihnen Löhne | |
| zahlen, von denen sie leben können“. Ein Walmart-Sprecher, Kory Lundberg, | |
| hält dagegen, die Sammlung zeige die „Unternehmenskultur“: „Wir kümmern… | |
| umeinander“. | |
| Mitte November hat sich auch das nationale Arbeitsgericht (National Labor | |
| Relations Board) mit der Unternehmenskultur von Walmart befasst. Es hat | |
| entschieden, dass Walmart mehrere Beschäftigte nach Protesten | |
| ungerechtfertigt entlassen hat und wieder einstellen muss. Der Konzern will | |
| die Entscheidung anfechten. | |
| ## Niedriglöhne kosten den Staat Millionen | |
| Zusammen mit anderen externen Gruppen sorgt „OUR Walmart“ dafür, dass die | |
| immer neuen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen, die Walmart erfindet | |
| und die sich regelmäßig zu Trends auf den gesamten Einzelhandel ausweiten, | |
| in die Kritik geraten: Die niedrigen Löhne. Dass Walmart seine | |
| Beschäftigten nur selten über 32 Wochenstunden kommen lässt, um die | |
| Krankenversicherung zu sparen. Und dass Walmart mit den Arbeitszeiten | |
| seiner Beschäftigten jongliert, um Überstunden- und Feiertagszuschläge zu | |
| vermeiden. | |
| Zugleich rechnen WalmartkritikerInnen die gesellschaftlichen Kosten vor, | |
| die durch Walmart entstehen. Um die Verarmung der Walmart-Beschäftigten zu | |
| verhindern, beschreibt [2][eine Studie Demokratischer | |
| KongressmitarbeiterInnen], zahlt der Staat Lebensmittelmarken, staatliche | |
| Krankenversicherungen, Wohnungsbehilfen. Ein einziger Walmart-Supermarkt | |
| kostet die SteuerzahlerInnen durch diese sozialen Subventionen mehr als | |
| 900.000 Dollar pro Jahr. | |
| Am Tag nach „Thanksgiving“ wollen KritikerInnen erneut vor Walmart | |
| protestieren. Am „Black Friday“, wenn in den USA das Weihnachtsgeschäft | |
| beginnt, wollen sie Mahnwachen und Walk-Outs vor 1.500 Supermärkten | |
| organisieren. Und vorrechnen, dass ein höherer Lohn auch ohne | |
| Preiserhöhungen möglich ist. | |
| Vor dem Walmart-Hauptquartier in Bentonville in Arkansas protestieren schon | |
| seit Tagen acht Ex-Beschäftigte, die Walmart nach ihrer Beteiligung am | |
| Black-Friday-Streik im letzten Jahr herausgeschmissen hat. Barbara Collins | |
| ist eine von ihnen. Die Mutter von zwei Kindern verzichtet in diesem Jahr | |
| auf den Truthahn. Sie will ihren Job zurück haben. | |
| 28 Nov 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://forrespect.org | |
| [2] http://www.huffingtonpost.com/2013/05/31/walmart-taxpayers-house-report_n_3… | |
| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
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