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# taz.de -- Verhütung und Katholiken: Ein kleines Loch in der Sexualmoral
> Vergewaltigte Frauen dürfen die „Pille danach“ erhalten, sagt Kardinal
> Meisner. Fällt nach dem Kondomverbot nun auch das absolute Pillenverbot?
Bild: Der Papst sagt, Kardinäle und Kondome vertragen sich
BERLIN taz | Das hatten die LebensschützerInnen sich anders vorgestellt.
Ihre Klage darüber, dass in katholischen Krankenhäusern auf die „Pille
danach“ hingewiesen werde, ist nach hinten losgegangen.
In gut einer Woche werden sich die deutschen Bischöfe auf ihrer
Frühjahrskonferenz mit dem Vorschlag des Kölner Kardinals Joachim Meisner
beschäftigen. Er hatte überraschend erklärt, dass die „Pille danach“ in
Notfällen, wie etwa nach einer Vergewaltigung, verschrieben werden dürfe.
Die LebensschützerInnen hatten verdeckt in Kölner Kliniken nach dem
Medikament gefragt und die Krankenhäuser, die dieses nicht rundheraus
ablehnten, daraufhin beim Kardinal angeschwärzt. Dieser ermahnte die
Kliniken. Die Ärzte von zwei Kölner Krankenhäusern waren daraufhin so
verunsichert, dass sie die Versorgung einer vergewaltigten Frau ablehnten.
Der Skandal war da – aber anders, als die Lebensschützer es wollten. Und er
könnte dazu führen, dass die katholische Kirche ein kleines Loch in ihre
strenge Sexualmoral fräst.
Denn bisher ist nicht nur die Abtreibung bei den Katholiken verboten,
sondern aufgrund der berühmten „Pillenenzyklika“ von 1968 auch die Gabe von
Verhütungsmitteln. Die „Pille danach“ ist aber ein Verhütungsmittel. Ihr
Wirkstoff verhindert den Eisprung und damit die Befruchtung der Eizelle.
Der Kardinal macht stattdessen nun einen feinen Unterschied zwischen in
Notfällen erlaubter Verhütung und Abtreibung. Ein Medikament, das die
Einnistung des befruchteten Eis verhindert, wäre dann schon ein
Abtreibungsmedikament, führt er in seiner Stellungnahme aus – und das
bleibe verboten.
## "Willkommen in der Realität", sagt die Ärztin
Jutta Pliefke, Gynäkologin bei pro familia in Berlin, wundert sich über
diese Unterscheidung: „Es gibt kein Medikament, das die Einnistung
verhindert.“ Die beiden erhältlichen Pillen danach, PiDaNa und ellaOne,
hemmen den Eisprung, sagt die Ärztin. „Die Bischöfe wussten offenbar nicht,
wovon sie reden.“
Die Diskussion um die „Pille danach“ als Notfallmedikament könnte ein
weiteres Abrücken von der Pillenenzyklika seitens des Vatikans bewirken.
Papst Benedikt XVI. hatte schon 2010 erklärt, dass an der Auslegung der
Enzyklika „noch mehr und noch besser gearbeitet werden muss“. Im gleichen
Jahr hatte er eingeräumt, dass Kondome im Einzelfall für die Verhinderung
von Aids eingesetzt werden könnten, wenn etwa ein „Prostituierter“ dies
verwende.
Nach den Kondomen wäre laut katholischer Kirche erneut ein Verhütungsmittel
in Ausnahmefällen erlaubt. Die Kirche selbst zieht ihre Verbotslinie damit
nicht mehr schon bei der Verhütung. Sie ist dem absoluten Verbot der
Abtreibung nicht mehr gleichzusetzen. Ärztin Pliefke drückt es so aus:
„Willkommen in der Realität.“
8 Feb 2013
## AUTOREN
Heide Oestreich
Heide Oestreich
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Schwerpunkt Abtreibung
Katholische Kirche
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