# taz.de -- ARD und ZDF im Internet: Das Prinzip der Willkür | |
> ARD und ZDF werden mit dem Rundfunkbeitrag finanziert, der von allen | |
> Haushalten verlangt wird. Trotzdem haben die Sendungen im Netz ein | |
> Haltbarkeitsdatum. | |
Bild: Günther Jauch: Im Netz nur sechs Tage haltbar. | |
Es ist nicht auszuhalten! Da sorgt mit „Operation Zucker“ ausnahmsweise mal | |
ein Spielfilm für Aufsehen – und wie ergeht es dem Zuschauer, wenn er | |
endlich dazu kommt, den Film nachzuschauen? Er findet ihn nicht mehr. | |
Die ARD hat ihn „depubliziert“, wie sie diesen grotesken Vorgang in den | |
Bürokratieanstalten nennen. Im dritten Jahr nun versehen ARD und ZDF ihre | |
Sendungen mit Verfallsdaten – mit wenigen Ausnahmen wie der | |
20-Uhr-„Tagesschau“ und einer Handvoll politischer Magazine. | |
Was der heutige Beitragszahler bezahlt hat, wird wieder von den Portalen | |
genommen. Warum also müssen öffentlich-rechtliche Programme wieder vom | |
Netz? | |
## 1. Angst | |
Ob Spielfilme wie „Operation Zucker“, Krimireihen wie „Polizeiruf“ und | |
„Tatort“ oder auch Serien wie „Verbotene Liebe“ und „Rote Rosen“: | |
Privatsender wie RTL, ProSieben und Sat.1 wollen nicht, dass ARD und ZDF im | |
Internet gigantische Archive aufbauen. Die Furcht: Wer Unterhaltung sucht, | |
würde auf den beitragsfinanzierten Portalen fündig werden. Wer sollte dann | |
noch für Filme und Serien zahlen, wie es die Privatsender mit ihren | |
Portalen wie „RTL Now“ und „Maxdome“ (ProSiebenSat.1-Gruppe) probieren? | |
2008 hat die Medienpolitik deshalb entschieden: ARD und ZDF müssen ihre | |
Sendungen aus Funk und Fernsehen in „Verweildauerkonzepten“ in Kategorien | |
einteilen, denen nur eine begrenzte Haltbarkeit im Digitalen zugesprochen | |
wird. Unterhaltung unterliegt etwa fast flächendeckend der „7-Tage-Regel“. | |
Wie lange das Publikum wiederum News, Dokus, Talks und Magazine nachschauen | |
darf, ist höchst unterschiedlich – zwischen drei Monaten und mehreren | |
Jahren ist hier alles möglich, je nach Sendung und Sender. | |
Einige Sendungen bekommen beispielsweise einen Bonus, wenn sie irgendwie | |
regional verhaftet sind. Dann wieder widersprechen sich die Kataloge der | |
einzelnen Sender. So geht beim NDR das Wissenschaftsmagazin „Logo“ nach nur | |
einem halben Jahr offline, während bei 3sat Wissenschaftliches fünf Jahre | |
lang im Digitalen verweilen darf. Bei den Verweildauerkonzepten greift | |
bisweilen eben das Prinzip „Willkür“ um sich. | |
Die Privatsender räumen inzwischen übrigens ein, dass das System viel zu | |
kompliziert ist. RTL-Cheflobbyist Tobias Schmid sagte jüngst gar, bei der | |
Unterhaltung würde er zwar auf der 7-Tage-Regel bestehen, doch bei Bildung | |
und Kultur sei eine Lockerung denkbar. Stehen Dokus und Magazine von ARD | |
und ZDF bald also unbegrenzt online? Die Intendanten wollen das einfordern. | |
Dann muss aber erst mal die Politik ran. | |
## 2. Renditehunger | |
Manchmal können die Sender aber auch nicht anders: Sie müssen Löcher in | |
ihren Mediatheken hinnehmen. Veranstalter von Sportereignissen oder auch | |
Vermarkter von Filmen und Serien filetieren zunehmend die Rechte an ihren | |
Produktionen. | |
Sie wollen mehr aus ihren Produkten rausholen, indem sie ein Rechtepaket | |
für Live-Übertragungen verkaufen, ein anderes für die „on demand“-Nutzun… | |
Wollten ARD und ZDF also all das, was sie in Radio und TV bringen, auch ins | |
Netz stellen, so müssten sie dafür oft deutlich tiefer in die Tasche | |
greifen. Und das wäre die Sache tatsächlich nicht immer wert. | |
Andererseits wollen auch ARD und ZDF verkaufen: „Tatort“ und „Polizeiruf�… | |
oder auch ausgefeilte Reihen wie der „Kriminaldauerdienst“ und „Im | |
Angesicht des Verbrechens“ gehen nach Ausstrahlung auf DVD in den Handel. | |
Einnahmen, auf die die Sender nur ungern verzichten. Rechtfertigen müssen | |
sie sich dafür derzeit nicht: Fiktionales dürften sie auf absehbare Zeit | |
ohnehin nicht dauerhaft kostenfrei im Netz archivieren. | |
## 3. Schusseligkeit | |
Manchmal führt schlicht auch menschliches Versagen dazu, dass ARD und ZDF | |
ihre Online-Archive beschneiden müssen. Im vergangenen Jahr etwa stellten | |
Techniker des Westdeutschen Rundfunks fest, dass der gebuchte Speicherplatz | |
für Online-Videos aufgebraucht ist. | |
Die Redaktionen mussten Platz schaffen und dafür alte Sendungen löschen. | |
Wochenlang dauerte das, weil die Erweiterung der digitalen Kapazitäten | |
europaweit ausgeschrieben werden musste. Zeit, in der Sendungen im Netz | |
fehlten. | |
## 4. Günther Jauch | |
Und dann macht genau einer auch noch einfach sein ganz eigenes Ding: | |
Günther Jauch. Er unterbietet einfach das Mindesthaltbarkeitsdatum seines | |
Genres „politischer Talk“, das oft bei einem Jahr liegt. Warum? Weil es ihm | |
„wichtig ist, dass am Tag vor der neuen Sendung die Ausgabe der Vorwoche | |
nicht mehr im Netz steht“, wie ARD-Chef Lutz Marmor dazu erklärt. | |
Jauchs Produktionsfirma I&U verweist auf das „Recht am eigenen Bild“, will | |
das aber nicht erklären, auch nicht, warum sich der Beitragszahler nicht | |
mit den alten Sendungen beschäftigen darf. Für „Günther Jauch“ gilt damit | |
die senderweit einmalige 6-Tage-Frist. Sie ist sein ganz persönliches | |
Haltbarkeitsdatum. | |
17 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
## TAGS | |
Rundfunkbeitrag | |
Öffentlich-Rechtliche | |
ARD | |
ZDF | |
Günther Jauch | |
taz.gazete | |
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk | |
Rundfunkbeitrag | |
Günther Jauch | |
ZDF | |
Tatort | |
taz.gazete | |
ZDF | |
Rundfunkbeitrag | |
GEZ | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
3sat feiert 30. Geburtstag: Die öffentlich-rechtliche Bad Bank | |
Seit dem 1. Dezember 1984 liefert 3sat anspruchsvolles Kultur- und | |
Wissenschaftsfernsehen. Für die Zukunft sollen die digitalen Formate | |
ausgebaut werden. | |
Rundfunkbeitrag soll sinken: Mehr sollen weniger bezahlen | |
Über den neuen Rundfunkbeitrag haben die Öffentlich-Rechtlichen mehr Geld | |
eingenommen. Deshalb empfehlen Experten, die Abgabe um 73 Cent im Monat zu | |
senken. | |
Eilantrag gegen Rundfunkbeitrag: Datenabgleich bleibt erlaubt | |
Ein Passauer Jurist wollte den Datenabgleich zur Erfassung der | |
Beitragszahler von ARD und ZDF kippen. Der Bayerische | |
Verfassungsgerichtshof wies den Eilantrag zurück. | |
Talkshow „Günther Jauch“: Überschaubarer Erkenntnisgewinn | |
In seiner Talkshow lässt Jauch die Politiker durcheinander reden. Das | |
machen seine Kollegen nicht schlechter. Die ARD gönnt ihn sich trotzdem. | |
ZDF-Filme „Unsere Mütter, unsere Väter“: Noch eine letzte Party | |
Stefan Kolditz hat für das ZDF die Miniserie „Unsere Mütter, unsere Väter�… | |
geschrieben. Es ist das Porträt einer Generation im Schützengraben. | |
Bremer Tatort „Puppenspieler“: Aber doch nicht in Deutschland | |
Nach der NSU-Affäre ist ein korrupter Staat plötzlich denkbar. Im Bremer | |
Tatort arbeiten die Kommissare Lürsen und Stedefreund die Geschehnisse auf. | |
ZDF schafft Sender ab: Das Ende von ZDFkultur | |
Intendant Thomas Bellut wird dem Fernsehrat das Ende von ZDFkultur | |
vorschlagen. Und das Gremium wird ihm wohl folgen. | |
Darsteller beim ZDF: Schauspieler zur Kasse gebeten? | |
Diverse Schauspieler beschweren sich darüber, dass das ZDF demnächst auch | |
für Demobänder mit Arbeitsproben Lizenzgebühren verlangt. | |
Umstrittener Rundfunkbeitrag: Köln zahlt nicht | |
Die Verwaltung der Rheinmetropole „kann es sich nicht leisten, ungeprüft | |
Geld zu verpfeffern“. Deshalb will sie bis auf Weiteres keinen | |
Rundfunkbeitrag abführen. | |
Veränderung der Rundfunkgebühren: Zwangsabgabe auch bei Nichtkonsum | |
Aus der Rundfunkgebühr wird in wenigen Tagen der Rundfunkbeitrag. Was | |
ändert sich? Und warum eigentlich? | |
Verfassungbeschwerde abgelehnt: GEZ-Gebühr für Computer legal | |
Für „neuartige Rundfunkgeräte“ wie internetfähige PCs muss eine | |
Rundfunkgebühr bezahlt werden. Das entschied jetzt das | |
Bundesverfassungsgericht. |