# taz.de -- Talkshow „Günther Jauch“: Überschaubarer Erkenntnisgewinn | |
> In seiner Talkshow lässt Jauch die Politiker durcheinander reden. Das | |
> machen seine Kollegen nicht schlechter. Die ARD gönnt ihn sich trotzdem. | |
Bild: Stimmen Sie für Jauch! Viele Deutsche hätten Jauch gerne als Bundesprä… | |
Es ist unvorstellbar, dass Günther Jauch einmal etwas misslingt. Unter den | |
Moderatoren im deutschen Fernsehen ist er so etwas wie der VW Golf: Er | |
läuft zuverlässig, ohne Schnörkel - ein Kompromiss, auf den sich alle | |
einigen können, Jung wie Alt. Und er ist – ebenso wie der Golf – alles | |
andere als günstig zu haben. Mehr als zehn Millionen Euro, so heißt es, | |
überweist die ARD pro Staffel mit rund 40 Folgen an Jauchs Produktionsfirma | |
i&u TV. | |
Die ARD leistet ihn sich trotzdem. Aus gutem Grund, einerseits: Erst vor | |
wenigen Wochen wurde der 56-Jährige in einer Umfrage wieder einmal zum | |
beliebtesten Talkmaster des Landes gekürt – mit deutlichem Abstand vor | |
Frank Plasberg. Andere Umfragen in der Vergangenheit besagten, dass ein | |
beachtlicher Teil der Deutschen Jauch gerne als Bundespräsidenten sähe. Wem | |
die Repräsentanz des Landes anvertraut werden würde, bei dem wähnt man | |
natürlich auch den Sonntagabend in guten Händen. | |
Andererseits macht Jauch ebendort, im Anschluss an den „Tatort“, seit | |
seinem Start im September 2011 nichts anders als seine KollegInnen | |
Plasberg, Will und Co, die nach seiner Verpflichtung im Programm allesamt | |
bunt durcheinandergewürfelt wurden. Er sitzt mit seinen Gästen im | |
Halbkreis, stellt Fragen, alle anderen reden – nicht selten unverständlich | |
durcheinander. Das Talkshowrad hat Jauch bislang also nicht neu erfunden. | |
Nur müsste er angesichts des Geldes, das die ARD für ihn ausgibt, und eines | |
für ihn geänderten Programmschemas nicht besser sein als diejenigen, die es | |
schon vorher gab? | |
Doch vor seinen Gästen, vor den im zankigen Wortwechsel geübten | |
Politprofis, mangelt es ihm mitunter an Durchsetzungsfähigkeit. Jauch war | |
20 Jahre als Moderator bei „Stern TV“ zu Hause, einer boulevardesken | |
Unterhaltungssendung, in der es schlicht keine Alphatiere neben ihm gab. | |
Nun sitzt er umzingelt von Bundesministern und Fraktionschefs. | |
## Schluffige Routine | |
Wenngleich grundsätzliche Zweifel an Jauchs Können unangebracht sind, wirkt | |
seine Routine für einen Polittalk, in dem eine Debatte bestenfalls zu | |
größerem Verständnis über und Bewusstsein für gesellschaftliche Themen, | |
Argumente und Positionen führt, bisweilen etwas schluffig. Nicht selten | |
kann man als Zuschauer den Eindruck gewinnen: So richtig Bock hat der Jauch | |
heute nicht. | |
Nach einer Ausgabe von „Günther Jauch“ ist das Publikum in der Regel so | |
schlau wie zuvor. Als es vor zwei Wochen um die Verantwortung früherer | |
Generationen im Zweiten Weltkrieg geht, werden nicht mehr als altbekannte | |
Phrasen gedroschen. Letzten Herbst attestiert Jauch dem Gespräch mit dem | |
vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochenen Wettermoderator Jörg | |
Kachelmann, dieses lasse die Teilnehmer der Talkrunde „unbefriedigt“ | |
zurück. Was nicht zuletzt kein gutes Selbstzeugnis für denjenigen ist, der | |
die Gesprächsleitung innehat. | |
Nun ist es sehr einfach und vielleicht sogar ein bisschen unfair, auf | |
Günther Jauch draufzuhauen – denn natürlich hat der Moderator auch sehr | |
gute Momente. Insgesamt jedoch liefert er ein bisschen wenig für einen, der | |
bei den Verantwortlichen der ARD lange Zeit Narrenfreiheit genoss: Jauchs | |
Produktionsfirma kann verfügen, dass seine Sendungen nur sechs Tage online | |
in der ARD-Mediathek verfügbar sind. Dabei sollte das eigentlich eine | |
Entscheidung des Senders sein. Andere Talks sind bis zu einem Jahr | |
abrufbar. Und seine Redaktion kann den umstrittenen Gründer des | |
Finanzdienstleisters AWD, Carsten Maschmeyer, einladen, obwohl der beim für | |
Jauch verantwortlichen NDR nach einem Rechtsstreit ein rotes Tuch ist. | |
Gegen Widerstände innerhalb der ARD setzte Jauch außerdem durch, weiterhin | |
„Wer wird Millionär?“ auf RTL moderieren zu können, wo er auch bei „5 g… | |
Jauch“ auftritt und Jahresrückblicke präsentiert. Aus der Redaktion einer | |
anderen Talkshow im Ersten heißt es: bei der Koordination von Themen, die | |
eine Doppelung von Inhalten und Gästen in den fünf ARD-Talks weitgehend | |
vermeiden soll, habe „Günther Jauch“ ein Vorgriffsrecht. | |
Genau genommen mag es ja nun vollkommen egal sein, wer da den Sonntagabend | |
ausklingen lässt. Es ist ja nicht so, dass die Sendung die Basis fürs | |
Gesprächsthema der ganzen Woche liefert, von Sonntag bis Donnerstag ballert | |
die ARD schließlich fünf Talkshows raus, da ist die inhaltliche | |
Halbwertszeit begrenzt. | |
## Er riskiert nichts | |
Dabei hätte Jauch, angesichts des roten Teppichs, der ihm vier Jahre nach | |
dem gescheiterten ersten Versuch seiner Verpflichtung ausgerollt wurde, und | |
der Beliebtheit beim Publikum, durchaus etwas wagen können. Hat einer wie | |
er denn keine Lust, etwas Eigenes zu schaffen, statt nur einer unter vielen | |
zu sein? Leider nein, eine Marke wie Jauch riskiert nicht, sich zu | |
beschädigen. Gegen solch ein Wagnis spricht zudem, dass TV-Macher in | |
Deutschland nichts mehr scheuen als die Gefahr, ihre Zuschauer zu | |
verstören. | |
Bei denen allerdings reißt Jauch auch mit dem althergebrachten Konzept | |
keine Bäume aus. Seine Beliebtheit schlägt sich nur sehr zaghaft in den | |
Quoten nieder. Im vergangenen Jahr schalteten seine Sendung | |
durchschnittlich 4,57 Millionen Zuschauer (Marktanteil 15,8 Prozent) ein. | |
Zum Vergleich: Seine Vorgängerin Anne Will, nunmehr auf den Mittwoch | |
geschoben, holte 2010 – ihrem letzten kompletten Jahr auf dem | |
Sonntagssendeplatz – 4,16 Millionen (14,5 Prozent). | |
Längst steht nicht nur die Talkshow-Dichte, sondern auch Jauch selbst | |
ARD-intern in der Kritik. In einem internen Papier des ARD-Programmbeirats | |
aus dem vergangenen Jahr heißt es, Jauch sei „der einzige Moderator, dessen | |
Gesprächsführung der Beirat deutlich kritisieren muss: er hakt selten nach, | |
setzt sich sogar teilweise über die Antworten seiner Gäste hinweg“. | |
Jauch lässt Diskussionen selten Freiraum. Es missfällt ihm, wenn sich das | |
Gespräch außerhalb der von ihm definierten Bahnen bewegt. Das ist zum einen | |
seine Aufgabe als Moderator, doch Jauch würgt Gäste selbst dann ab, wenn | |
sie noch nah am Thema sind. Die ARD-Programmbeobachter stellten in ihrem | |
Papier fest, Jauch hake „eine Frage nach der anderen ab“. | |
Dabei stellt er auch schon mal eine auf seinen Karteikarten notierte Frage, | |
deren Beantwortung zuvor schon durch die sogenannte Bauchbinde - die | |
Einblendung einer zentralen Aussage eines Gasts – vorweggenommen wurde. Bei | |
Maschmeyer steht dort: „Jede Deckelung des Einkommens führt zu | |
Demotivation.“ Später fragt Jauch den Manager: „Oder führt jede Deckelung | |
des Einkommens zu einer Demotivierung?“ Der Erkenntnisgewinn – | |
überschaubar. | |
## Diese Suggestivfragen | |
In den Gremien der ARD wird auch darüber diskutiert, dass ihre Talks | |
insgesamt unpolitischer geworden sind. Und Jauch, der einen Vertrag bis | |
2014 hat? Der schüre „mit seinen Suggestivfragen teilweise | |
Politikverdrossenheit und kommt damit der Verpflichtung zur | |
journalistischen Sorgfalt nicht nach“, schrieb der Programmbeirat. | |
Eine Reduzierung der Talkleiste gilt längst als sicher. Als „Günther Jauch�… | |
im Herbst 2011 startete, rutschte Anne Will vom Sonntag auf den Mittwoch, | |
Frank Plasberg von Mittwoch auf Montag, Reinhold Beckmann von Montag auf | |
Donnerstag, nur Sandra Maischberger talkt weiterhin am Dienstag: eine Reise | |
nach Jerusalem, bei der die ARD wohl bald einen Stuhl wegnehmen wird. Der | |
Logik nach dürfte es Beckmann treffen, der durch die Sendeplatzrochade | |
knapp ein Drittel an Zuschauern verloren hat. Anfang dieser Woche treffen | |
sich die ARD-Intendanten, dann soll entschieden werden. Es wäre nicht das | |
erste Opfer, das die ARD für Günther Jauch bringt. | |
In einem internen ARD-Papier heißt es, Jauch sei „der einzige Moderator, | |
dessen Gesprächsführung der Beirat deutlich kritisieren muss“. | |
14 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Torsten Landsberg | |
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