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# taz.de -- Jauch-Talkshow zum Thema Salafismus: Gefährliche Ahnungslosigkeit
> Gäste, die sich ins Wort fielen, Vorurteile im Dutzend, ein Imam als
> Sündenbock für Extremismus. Günther Jauch ließ seine Talkshow völlig aus
> dem Ruder laufen.
Bild: Da kamen keine Geistesblitze vom Himmel: Günther Jauch.
Selten ist eine Talk-Sendung wohl so entgleist. Was einem davon am Ende im
Gedächtnis bleiben konnte, war, dass kaum einer den anderen ausreden lassen
wollte. Und, dass Muslime wohl irgendetwas mit Terrorismus zu tun haben
müssen. Was genau, blieb aber unklar.
Dass von der jüngsten Talkrunde mit Günther Jauch die gruselige Faszination
eines Autounfalls ausging, von dem man die Augen nicht abwenden kann, weil
die Bilder zu schrecklich sind, war auch die Schuld des Moderators und
seiner Redaktion, die bei dem heiklen Thema total versagt haben. Die
Fragestellung ihrer Sendung lautete: "Im Namen Allahs - Was tun gegen
Deutschlands Gotteskrieger?".
Nachdem in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass salafistische
Extremisten in Nordrhein-Westfalen einen Mordanschlag auf einen
rechtspopulistischen Politiker geplant haben sollen, war das eine gut
gewählte Frage, zu der man eine ernste Debatte erwartet hätte. Doch die
meisten Studiogäste versuchten gar nicht erst, darauf eine Antwort zu
finden, sondern verstrickten sich lieber in Grabenkämpfe um den Islam
insgesamt.
Den einzigen Lichtblick in diesem Desaster bot der Zeit-Journalist Yassin
Musharbash, der zu mehr Gelassenheit aufforderte und daran erinnerte, dass
nicht alle Muslime in Deutschland mit dem Koran unter dem Kopfkissen
einschlafen würden.
## Imam in der Sündenbock-Rolle
Dass das Thema der Sendung so komplett verfehlt werden konnte, lag auch an
der fragwürdigen Einladungspolitik der Redaktion. Als einzigen gläubigen
Muslim hatte sie den Berliner Imam Ferid Heider eingeladen. Es wäre sicher
spannend gewesen zu erfahren, ob und wie es dieser junge Geistliche vermag,
muslimische Jugendliche vor möglicher Radikalisierung zu bewahren. Statt
dessen fand er sich, obschon kein Salafist, rasch in der Rolle des
Sündenbocks wieder, der für alle Sünden seiner Glaubensbrüder in Sippenhaft
genommen wurde.
Vor allem die Berliner Journalistin Güner Balci richtete all ihre Energie
darauf, die Integrität des Imams in Frage zu stellen. Dabei ließe sich
genau so gut ihre eigene Integrität als TV-Journalistin bezweifeln -
immerhin werfen ihr viele vor, Krawalle nur für die Kamera zu inszenieren
und Zitate auch schon mal aus dem Zusammenhang zu reißen.
Ihr zur Seite saß ein junger Ex-Konvertit, der in die Fänge einer
salafistischen Sekte geraten war und nun mit dem Eifer des Renegaten gegen
seine früheren Überzeugungen zu Felde zog. Er machte sich wichtig, in dem
er mit arabischen Koran-Zitaten um sich warf, aber der Erkenntnisgewinn
tendierte gen Null.
## Komplette Ahnungslosigkeit
Der CDU-Law-and-Order-Mann Wolfgang Bosbach hatte in dieser Gesellschaft
ein leichtes Spiel, mit populistischen Sprüchen zu punkten. So forderte er
von deutschen Muslimen unter anderem, sie sollten sich dafür einsetzen,
dass nach Saudi-Arabien auch Bibeln eingeführt werden dürfen. Von den
Panzern, die seine eigene Regierung dorthin exportiert, sprach er dagegen
nicht.
Dem Spektakel die Krone setzte allerdings der Moderator auf, der seine
komplette Ahnungslosigkeit in der Sache mit vorurteilstriefenden Fragen
unter Beweis stellte. Gegen Ende der Sendung wandte sich Günther Jauch an
seinen Sitznachbarn, Imam Ferid Heider, und fragte ihn, warum ihm seine
Religion eigentlich gebiete, andere Menschen zu töten. Genau so gut hätte
er einen katholischen Studiogast fragen können, warum es ihm seine Religion
gebiete, kleine Kinder sexuell zu missbrauchen. Doch der wackere Imam hatte
da längst resigniert.
Dumm nur, dass das Thema der islamistischen Radikalisierung von
Jugendlichen viel zu ernst ist, um es so leichtfertig zu vergeigen, wie es
sich der bestbezahlte Moderator des deutschen Fernsehens am Sonntag zur
besten Sendezeit geleistet hat. Schlimmer noch: Sendungen wie diese tragen
ihren Teil dazu bei, dass viele Muslime die Faust in der Tasche ballen,
sich von dieser Gesellschaft entfremden und abwenden, während sich die
Mehrheitsgesellschaft in ihren Vorurteilen bestätigt fühlen kann. Wissen
Günther Jauch und seine Redaktion nicht, was journalistische Verantwortung
ist?
18 Mar 2013
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Günther Jauch
Salafismus
„Islamischer Staat“ (IS)
Günther Jauch
Islam
Medien
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NDR
Salafisten
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