# taz.de -- Journalistin über Migranten in Medien: „Vielfalt sollte Chefsach… | |
> Dass es in den Medien wenig Migranten gibt hat auch schichtspezifische | |
> Gründe, sagt die Journalistin Sheila Mysorekar. Privatsender sind den | |
> Printmedien da voraus. | |
Bild: Mehr Farbe? Der chinesische Künstler Liu Bolin lässt sich für eine Kun… | |
taz: Frau Mysorekar, warum gibt es so wenige Journalisten mit | |
Migrationshintergrund? | |
Sheila Mysorekar: Ein Grund ist: Die meisten Journalisten in Deutschland | |
stammen aus bildungsbürgerlichen Familien, die meisten Kinder von | |
Einwanderern nicht. Wenn diese es zum Studium bringen, dann streben sie oft | |
einen soliden und angesehenen Beruf wie Ingenieur oder Arzt an. Als | |
Journalist verdient man nicht so viel Geld und hat nicht so einen hohen | |
Status. | |
Außerdem kommt es in diesem Beruf sehr stark auf Beziehungen, Seilschaften | |
und Kontakte an. Das ist ein massives Problem, das alle Kinder betrifft, | |
die aus einem Arbeitermilieu stammen. Es gibt aber auch immer noch Sender | |
und Zeitungen, die bei Bewerbungen von jungen Leuten mit „ausländisch“ | |
klingenden Namen glauben, dass diese möglicherweise nicht so gut Deutsch | |
sprächen. Das ist absurd, aber nach wie vor ein gängiges Vorurteil. | |
Sie sind Vorsitzende des Vereins „Neue deutsche Medienmacher“, eines | |
Verbands von Journalisten mit Migrationshintergrund. Was macht der? | |
Die wenigen Journalisten mit Migrationshintergrund, die es gibt, stehen in | |
ihrem Umfeld meist allein auf weiter Flur. In bestimmten Diskussionen fühlt | |
man sich da oft alleine und hat das Bedürfnis, sich auszutauschen. Da ist | |
es nützlich, ein Netzwerk zu bilden. Außerdem hilft es, als Verein | |
aufzutreten, wenn man zu der Sprache und den Bildern, die in der | |
Berichterstattung verwendet werden, etwas sagen möchte – man wird dann eher | |
gehört. Wir haben auch ein Mentorenprogramm ins Leben gerufen, um jungen | |
Journalisten mit Einwanderungsgeschichte zu helfen, erste Schritte in | |
diesen Beruf zu machen, indem wir sie mit erfahrenen Journalisten | |
zusammenbringen. | |
Beim letzten Integrationsgipfel 2012 haben Sie im Beisein von Angela Merkel | |
eine Rede gehalten. Worum ging es darin? | |
Kurz zuvor war die NSU-Mordserie des Zwickauer Terrortrios bekannt | |
geworden. Dabei war vielen Leuten aufgestoßen, wie zuvor über diese Morde | |
berichtet worden war – als „Döner-Morde“. In meiner Rede ging es um die | |
Frage, warum manche Leute immer noch als fremd betrachtet werden, obwohl | |
sie hier aufgewachsen sind und einen deutschen Pass besitzen. Da ist es | |
falsch, von Ausländerfeindlichkeit zu sprechen. Es ist Rassismus – und der | |
sollte auch so benannt werden. | |
Schon beim ersten Integrationsgipfel 2006 hieß es, man bräuchte mehr | |
Migranten in den Medien. Was hat sich seitdem getan? | |
In Zahlen ist das schwer zu fassen. Die Gesichter auf dem Bildschirm sind | |
zweifellos vielfältiger geworden, Moderatoren wie Dunja Hayali oder Ingo | |
Zamperoni haben eine hohe Symbolkraft. Aber auch die Redaktionen müssen | |
gemischter werden, die Vielfalt muss sich auch in den Leitungspositionen | |
widerspiegeln. Wobei man hinzufügen muss, dass interkulturelle Kompetenz | |
und Sensibilität beim Thema Rassismus keine Frage der Herkunft sind. Das | |
kann jeder lernen. | |
Was kann die Politik denn tun? Die Medien sind ja unabhängig – und oft in | |
privater Hand. | |
Die Politik kann Vorgaben machen, wie es in anderen Ländern auch geschehen | |
ist, Anregungen geben und Zielmarken setzen. Wenn jeder Fünfte in | |
Deutschland einen Migrationshintergrund besitzt, sollten sich das in allen | |
Berufen widerspiegeln, nicht nur bei den Friseuren. | |
Appelle gab es schon viele. Haben sie nicht gefruchtet? | |
Einige Privatsender haben früh erkannt, dass ihr Publikum bunter geworden | |
ist, zum Teil waren sie den öffentlich-rechtlichen Anstalten da voraus. Wo | |
es mau aussieht, ist bei den Printmedien. Und je weiter man da in die | |
Provinzen kommt, desto homogener sind oft die Redaktionen. | |
Mit welchen Problemen haben Journalisten mit Migrationshintergrund dort zu | |
kämpfen? | |
Wenn es keine konkrete Politik des Hauses gibt, kommt es sehr auf den | |
jeweiligen Redaktionsleiter an, ob der auf Vielfalt Wert legt. Einige | |
öffentlich-rechtliche Sender haben heute Integrationsbeauftragte, auch ein | |
Privatsender wie RTL hat da eine sehr fortschrittliche Haltung. Ich würde | |
mir wünschen, dass alle Sender und Verlage das Thema Vielfalt zur Chefsache | |
machen. | |
Ist interkulturelle Kompetenz bei Journalisten heute nicht oft ein | |
Pluspunkt bei der Bewerbung? | |
In den Auslandsredaktionen werden besondere Sprachkenntnisse meist positiv | |
gesehen. Die Einsicht, dass interkulturelle Kompetenz per se ein Pluspunkt | |
sein könnte, setzt sich aber erst langsam durch. In vielen | |
Wirtschaftsunternehmen ist man da schon weiter. Doch auch die | |
Wald-und-Wiesen-Redaktion sollte begreifen, dass mehr Interkulturalität für | |
alle gut ist. Der Blick wird offener, die Berichterstattung dadurch | |
vielfältiger – und davon profitieren auch alle Leser und Zuschauer | |
28 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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