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# taz.de -- Katja Riemanns Talkshow-Desaster: Gespräch des Grauens
> Nein, Katja Riemann ist kein armes Opfer. Man sollte das
> Talkshow-Geschäft kritisieren, nicht den NDR-Moderator, denn Hinnerk
> Baumgarten ist nicht allein.
Bild: Au weia, Frau Riemann
BERLIN taz | Katja Riemann hat noch einmal nachgelegt. In einer
[1][Erklärung] auf ihrer Homepage wirft sie dem Moderator Hinnerk
Baumgarten nun vor, er habe sich nicht an vereinbarten Absprachen gehalten,
und behauptet, er habe in den Pausen des Gesprächs nur sein eigenes
Spiegelbild bewundert. Überprüfen kann man diese Behauptung nicht.
So folgt auf Riemanns Versuch, den Moderator in seiner eigenen Sendung
vorzuführen, nun die üble Nachrede. Nein, ein bemitleidenswertes Opfer ist
die 49-jährige nicht, eher eine schlechte Verliererin. Ihre selbstkritische
Einsicht erschöpft sich in der Aussage, sie „habe wahrhaft bessere
Interviews gegeben“. Tja, wenn‘s weiter nichts war, warum bewegt es dann so
viele Gemüter?
Fast eine Million Menschen haben inzwischen auf Youtube [2][gesehen], wie
die Münchner Schauspielerin und der NDR-Moderator Hinnerk Baumgarten am
vergangenen Donnerstag auf dem roten Sofa im Das!-Studio aufeinander trafen
– oder sollte man besser sagen, aufeinander prallten?
Quälend lange Minuten zwangen sich die beiden dort zu einem zwanglosen
Gespräch und hatten sich erkennbar nichts zu sagen. Weil Katja Riemann den
Moderator erkennbar bei fast jeder Frage auflaufen ließ, ergoss sich im
Netz kübelweise Häme über sie, so dass sich die Schauspielerin gezwungen
sah, auf ihrer Facebook-Seite und ihrer Homepage die Kommentarfunktion zu
schließen.
Aber auch der Moderator bekommt seither sein Fett weg – vor allem von
seinen Zeitungskollegen. Er sei ein „Sachenwegmoderierer“ war noch das
Freundlichste, was ihm der TV-Kritiker und Spiegel-Redakteur Stephan
[3][Niggemeyer] in seinem Blog nachsagte. Er sei womöglich „von Natur aus
selten dämlich“, spekulierte Johanna Adorjan in der [4][Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung], „oder aber er ist bereits komplett deformiert
von seiner Arbeit als Moderator im deutschen Fernsehen“. Adorjan machte
damit deutlich, dass nicht nur im Internet bisweilen ein sehr rüder Ton
herrscht.
## „Harmloser TV-Honk“
In München aber, wo sich Schauspieler und Journalisten offenbar besonders
nahe stehen, legte ihr Kollege Andreas Gorkow am Mittwoch in der
Süddeutschen Zeitung noch eine Schippe drauf. Der TV-Moderator Hinnerk
Baumgarten sei „ein vermeintlich harmloser TV-Honk“, der „nur vordergrün…
den Part des harmlosen Saftsacks“ spiele, schrieb er sich in Rage. Das
Problem sei habe aber mit dem Fernsehen insgesamt zu tun. Denn der
NDR-Moderator sei nur „einer von vielen“, wenn auch „ein besonders geiles
Exemplar“, attestierte ihm Gorkow.
Hier hätte es interessant werden können. Denn tatsächlich zeigte sich im
denkwürdigen Aufeinandertreffen von Katja Riemann und ihrer Nemesis ein
seltener Moment der Wahrheit, der die Mechanismen des deutschen
Unterhaltungsfernsehens erbarmungslos bloß legte. Denn es handelt sich bei
solchen belanglosen TV-Plaudereien ja um ein Geschäft auf Gegenseitigkeit:
Prominente wie Katja Riemann gehen in solche Sendungen, weil sie Werbung
für einen Film oder ein Buch machen wollen – in diesem Fall war das für
einen ziemlich gelungenen ARD-[5][Fernsehfilm], in dem Riemann mitspielte.
Im Gegenzug für die kostenlose Werbung erwarten Journalisten in Presse und
Rundfunk meist ein paar launige, möglichst originelle und individuelle
Statements, gerne auch privater Natur. Die denkwürdige Das!-Sendung führt
drastisch vor Augen, was für ein würdeloses Geschäft das für beide Seiten
manchmal sein kann.
## Macht über den Moderator
Katja Riemann hatte das übliche Geschäft an diesem Tag schon nach wenigen
Sekunden aufzukündigt. Gut möglich, dass sie die Nachricht vom Tod der
Schauspielerin, der Mutter einer Freundin, von dem sie an jenem Tag erst
durch einen Einspielfilm erfuhr, komplett aus der Bahn geworfen hat.
Möglich auch, dass ihr der Moderator einfach unsympathisch war.
Sicher war es höchst unsensibel von der Redaktion, die Sendung mit einem
solchen Einspielfilm einzuleiten, und wenn Katja Riemann ihre Erschütterung
darüber als Grund angeführt hätte, sich bestimmten Fragen und den üblichen
Routinen zu verweigern, dann hätte es sogar ein spannendes Gespräch werden
können. Doch die Schauspielerin zog es vor, sich dem Gespräch fortan zu
verweigern, ohne sich zu erklären, und so den Moderator ihre Macht spüren
zu lassen.
Denn Macht hatte sie: sie hätte jeden Augenblick aufstehen und den Eklat
damit komplett machen können. Der Moderator, der mühsam immer wieder aufs
Neue versuchte, ein Gespräch in Gang zu bringen, weil das nun mal sein Job
ist, hatte diese Möglichkeit dagegen nicht.
So wurde man als Zuschauer Zeuge, mit welcher Herablassung die Münchner
Schauspielerin andere Menschen, die von ihren Launen abhängig sind,
offenbar zu behandeln pflegt, wenn ihr gerade danach ist. Riemann lachte
den Moderator aus, als wäre alles an ihm völlig unter ihrem Niveau, und
stellte ihn damit als Dummkopf hin. Der Moderator versuchte, trotzdem die
Contenance zu wahren, dabei konnte man sich zwischendrin nur wünschen, er
würde einfach aufstehen und die sinnlose Sache hinschmeißen.
## Dumme Fragen mit System
Schade, dass Katja Riemann so unsouverän reagiert hat. Denn dumme,
unsensible oder aufdringliche Moderatorenfragen sind ja tatsächlich eine
Pest. Dagegen gibt es viele Möglichkeiten, sich zu wehren, auch und gerade
im Fernsehen. Statt dafür aber nun einen einzelnen Moderator an den Pranger
zu stellen, wie es manchen Journalisten nun gefällt, bräuchte es eher eine
grundsätzliche Kritik an einem Talk-Show-Unwesen, das der Quote wegen auf
Krawall oder die Selbstentblößung seiner Protagonisten zielt.
Denn das hat System: Erst am Sonntag ist Günther Jauch eine Talk-Runde zu
einem ernsten Thema [6][entglitten], weil er zu sehr auf Krawall statt auf
Erkenntnis gesetzt hatte. Und am Dienstag Abend, bei Markus [7][Lanz] im
ZDF, konnte man Zeuge werden sehen, wie der Moderator die
Piraten-Politikerin Marina Weisband bedrängte, ja fast zu nötigen
versuchte, sie möge sich doch bitte zu ihrer Familiengeschichte äußern, und
damit zur deutsch-jüdischen Vergangenheit insgesamt.
Das wollte die junge Frau aber partout nicht, wie sie mehr als einmal klar
stellte, doch der Moderator ließ nicht locker. Unterstützt wurde er dabei
vom greisen Historiker Arnulf Baring, der sein eigenes selbstgefälliges
Gequatsche kaum stoppen konnte, Weisband über den Holocaust belehrte und
auch allen anderen ständig besserwisserisch über den Mund fuhr. Das
peinliche Szenario zog sich so lange hin, bis andere Teilnehmer der
Talkrunde beherzt einschritten und diese Übergriffe beendeten.
Auch das war ein schmerzhaft peinlicher Moment, der zeigte: Wer sich
derzeit ins deutsche Fernsehen begibt, kommt darin um.
21 Mar 2013
## LINKS
[1] http://kbso.de.tl/
[2] http://www.youtube.com/watch?v=qmpCL11QEWo
[3] http://www.stefan-niggemeier.de/blog/katja-riemann-verursacht-auflaufunfall…
[4] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/katja-riemann-alle-sind-verrue…
[5] http://www.daserste.de/unterhaltung/film/filmmittwoch-im-ersten/sendung/ver…
[6] http://daserste.ndr.de/guentherjauch/rueckblick/salafismus121.html
[7] http://markuslanz.zdf.de/
## AUTOREN
Daniel Bax
Daniel Bax
## TAGS
NDR
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