# taz.de -- Testfahrt mit dem Porsche Cayenne: Unterwegs mit dem Bösen | |
> SUVs werden gehasst, zerkratzt, sie sind Symbole für Dekadenz und | |
> Umweltzerstörung. Aber in Deutschland werden sie mehr gekauft denn je. | |
> Warum eigentlich? | |
Bild: Hassobjekt vieler, heimlicher Traum unseres Autors: der Porsche Cayenne. … | |
Es gibt die guten Autos, die bösen und die Millionen Autos dazwischen. SUVs | |
sind die bösesten Autos, die auf deutschen Straßen fahren; sie sind | |
Monster, sie sind schuld am Klimawandel, Symbol des amerikanischen | |
Imperialismus, unerträglich und lebensgefährlich. Das sind wir uns einig. | |
Auf der einen Seite. | |
Auf der anderen Seite bin ich von diesen Autos fasziniert. Wahrscheinlich | |
ist das die Faszination des Verbotenen: Es ist einer meiner geheimsten | |
Träume, so ein Auto zu fahren. Ich will es tun. Ein Wochenende. Nicht mehr. | |
Ist doch, wie in eine McDonalds-Filiale zu rennen, sich vollzustopfen und | |
dann verschämt wegzugehen. Das tun auch viele. | |
Die bösen Autos werden vertreten durch ein Modell aus Stuttgart, den | |
Cayenne S von Porsche. Ein Hassobjekt der Klimaschützer: Es ist sehr teuer | |
und verbraucht viel. Aber auch irgendwie nett bei aller Stillosigkeit, ein | |
Schwabe eben. Neu kostet er ungefähr 80.000 Euro. | |
## Der Ekel in den Rückspiegeln der anderen | |
Der Cayenne ist der Ekel in den Rückspiegeln der anderen. Er hat es nicht | |
leicht, wenn er sich in eine Spur einfädeln will. Niemand macht Platz für | |
diesen Panzer. Alles Pazifisten. Als sei es nicht schon schwer genug, ein | |
Monster zu sein. Als habe man nicht Probleme genug als Geländewagen in | |
einer Großstadt. | |
Zum Beispiel beim Einparken. Das Auto braucht nur Sekunden, um sich in | |
einer vollgeparkten Straße zu verkeilen. Der Park-Assistent piepst nervös. | |
Erst in längeren Abständen, dann in kürzeren, schließlich durchgängig. Als | |
sei der Patient gestorben. | |
DU-DUDUDU-DUDU-DUUUUUUUU. | |
Bei Schnee und Eis fängt das Auto grundlos zu piepsen an, wenn man | |
beispielsweise an einer roten Ampel wartet, die Sensoren des | |
Park-Assistenten sind mit Eiskristallen verstopft. DUUUUUUUUUU. Ein | |
seltsamer Park-Assistent. Würde man streng leistungsgerecht urteilen, so | |
müsste man diesen Assistenten feuern. | |
Vielleicht ist das ein Grund, von diesem Auto genervt zu sein, von innen | |
gesehen. Von außen bekommt der Cayenne sowieso Hass ab. Die anderen geben | |
sich große Mühe, ihre Ablehnung sichtbar zu machen: Kopfschütteln, | |
Abwinken. Wenn sich das Auto beim Einparken verkeilt, dann machen sie | |
dieses Gesicht: Selbst schuld, wenn du so ein Auto kaufst, Arschloch. | |
Das echte Problem ist der Sprit, kurzes Nachtanken kann 90 Euro kosten. Das | |
Auto verbraucht 14 Liter in der Stadt. Der Kofferraum ist absurd klein für | |
ein so großes Auto, nicht mal diagonal passt ein Ivar-Regal in den | |
Laderaum. | |
Wenn man sich beim Öffnen des Wagens auf der Fernbedienung verdrückt, | |
springt der Kofferraum auf. Wenn man ihn wieder zudrücken will, dann | |
weigert sich die Klappe. Es gibt einen Knopf, gut versteckt. Man muss ihn | |
finden, wenn man nicht mit offener Klappe fahren möchte. | |
Wenn sich an der Autobahn, bei der Auffahrt zum Rastplatz, die Straße | |
teilt, Autos rechts, Lkw links, dann ist sich der Fahrer kurz unsicher, | |
wohin das Auto eigentlich gehört. | |
Alles am Porsche Cayenne ist auf Weltflucht ausgelegt. Ein Auto der | |
Romantik. Dieses Auto will eigentlich den Rückzug. Allein sein. Privatheit. | |
Gepanzert in einer dunklen Welt. | |
Aber wenn das Auto dann auf dem Parkplatz steht, dann sieht man das volle | |
Ausmaß der Katastrophe: Der Cayenne wirkt in der Frontansicht verkniffen | |
und lustbefreit, wie ein Bachelor-Student, der für ein Kurzpraktikum auf | |
die Weihnachtsferien verzichtet. Aus den Scheinwerfern kommt kaltes | |
Xenon-Licht. | |
Aber das sieht man ja nicht, zum Glück, wenn man im Auto sitzt und mit | |
Hilfe von 400 PS über die Autobahn rauscht. Das sind die guten Momente. | |
Dann gibt es dieses Gefühl des Aus-der-Welt-Seins. Permanente | |
Ereignislosigkeit wie bei Flügen über die Langstrecke. Und würde die | |
Stewardess Kaffee bringen, so gibt es beim Porsche Cayenne in der | |
Mittelkonsole zwei solide Becherhalter, praktischer Luxus. Und wenn der | |
Fahrer Pilot sein will, kann er per Tastendruck das Fahrwerk ändern: | |
Normalmodus, Sportmodus, Komfortmodus. | |
## Muss man dieses Auto hassen? | |
Was auch immer das bedeuten mag. | |
2012 waren 16 Prozent der neu zugelassenen Autos in Deutschland SUVs, bis | |
2020 wird der Anteil nach Expertenschätzungen auf über 30 Prozent steigen. | |
Es muss Gründe geben, warum in Deutschland so viele SUVs verkauft werden | |
wie nie zuvor. | |
Vielleicht sind es diese Knöpfe. Man muss diese Knöpfe mögen. | |
Dieser eine zum Beispiel, beim Porsche Cayenne an der Hinterseite des | |
Lenkrads. Man findet ihn, wenn man das Handbuch gelesen hat oder durch | |
Zufall, beim Kurbeln in der Kurve. Er entschädigt für den seltenen Fall, | |
dass der Winter zurückkehrt Anfang März, und man dieses Auto, das fünf | |
Meter lang ist, so hoch wie ein großer Mensch und so schwer wie ein kleiner | |
Elefant, 2,2 Tonnen, vor dem Losfahren von Schnee und Eis befreien muss. | |
Dieser Knopf aktiviert die Lenkradheizung, es ist der | |
Verfluchtes-Scheißwetter-Knopf. | |
Dann gibt es diesen zweiten Knopf. Der Fahrer findet ihn auf der | |
Mittelkonsole, beim Herumdrücken auf den vielen Knöpfen, die auf teure | |
Weise billig aussehen, beeindruckend glitzernd wie Schmuck aus dem | |
Kaugummiautomaten. Er macht das Auto höher, man sitzt dann im | |
Straßenverkehr wie ein Bademeister in seinem Ausguck. | |
Dieser Knopf aktiviert die Höhenverstellung. Es ist der | |
Ich-will-euch-alle-nicht-sehen-Knopf. | |
Dann gibt es diesen dritten Knopf. Der Fahrer muss eine Weile auf dem | |
Bildschirm herumdrücken, der in die Armaturen eingelassen ist, um ihn zu | |
finden. Er befreit aus der AM-FM-Radiohölle: Flitzer-Blitzer, Morningshow. | |
Dieser Knopf verbindet einen iPod per Bluetooth mit den Lautsprechern des | |
Autos. Es ist der Ich-kann-das-alles-nicht-mehr-hören-Knopf. Dieser Knopf | |
ist Johann Sebastian Bach gewidmet oder Schubert oder Coldplay. Er | |
verdrängt das angestrengte Heulen des 8-Zylinder-Motors, das manchmal | |
klingt wie der pfeifende Wind in einer Alpen-Gondel. | |
Es ist ein gutes Gefühl, dieses Auto zu fahren. Es ist wie ein großer | |
Bruder. Man kann in diesem Auto aufrecht sitzen, auch wenn man über zwei | |
Meter groß ist. | |
Muss man dieses Auto also hassen? | |
Vielleicht ist der Porsche Cayenne nicht einfach ein großes Auto. Er ist | |
ein Sündenbock. Wir Umweltbewussten, die wir normale Autos fahren mit | |
durchschnittlichem Verbrauch, aber im Herbsturlaub nach Bolivien fliegen | |
und im Sommer nach Südspanien, projizieren unser schlechtes Gewissen auf | |
dieses Auto. | |
Danach machen wir dann weiter wie gehabt. | |
Nein, man kann dieses Auto sogar mögen. | |
Der Autor ist 2,04 Meter groß und kann in wenigen Autos aufrecht sitzen. | |
Für seinen Text hat ihm Porsche ein Wochenende kostenlos einen Cayenne | |
ausgeliehen. | |
17 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Felix Dachsel | |
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