# taz.de -- Herstellung von Schokolade: Bittere Zeiten für Kakaobauern | |
> Die Arbeit auf westafrikanischen Kakao-Plantagen lohnt sich immer | |
> weniger. Nun fürchten Konzerne wie Nestlé und Mars um den Rohstoff. | |
Bild: Mangel an Nachwuchs: ein ivorischer Kakaobauer. | |
BERLIN taz | Adama Yameogo ist 30 Jahre alt, Soziologiestudent aus der | |
Elfenbeinküste in Hamburg. Seit sechs Jahren lebt er in Deutschland. Über | |
die Zukunft weiß der junge Mann mit dem offenen Lächeln eines ganz sicher: | |
Er wird definitiv nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten. „Kakaobauer | |
zu sein ist sehr unattraktiv“, sagt er. „Ich kann mir nicht vorstellen, | |
dass es Kakaobauern gibt, die mit ihrem Job zufrieden sind.“ | |
Wie er denken viele jüngere Leute in Westafrika. Der Grund: Die Arbeit | |
lohnt sich immer weniger. Vom Preis, den die Kunden für eine Tafel | |
Schokolade bezahlen, erhält der Kakaobauer am Ende vier Cent. „Das | |
Durchschnittseinkommen westafrikanischer Kakaobauern liegt meist weit unter | |
der Armutsgrenze“, sagt auch Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut in | |
Siegburg, der sich seit fünf Jahren mit Kakao und den Anbaubedingungen in | |
Westafrika beschäftigt. „Der Börsenpreis für Kakao lag 1980 noch bei über | |
5.000 US-Dollar pro Tonne“, erklärt er. „Heute sind es 2.400 US-Dollar. | |
Viele Kakaobauern wollen aussteigen – schlicht und einfach deshalb, weil | |
sie zu wenig verdienen.“ | |
Adama Yameogos Vater gehören fünf Plantagen. Über die Bezeichnung | |
„Großgrundbesitzer“ lacht der Student: „Die Fläche ist riesig, das stim… | |
Aber mein Vater hat fünfzehn Kinder und drei Frauen zu versorgen!“ Das | |
bedeutet: Obwohl sie selbst Arbeiter beschäftigt, lebt die Familie an der | |
Armutsgrenze. Dass Adama Yameogo es trotzdem so weit gebracht hat, verdankt | |
er einem Onkel, der ihm sein Studium in Deutschland finanziert. | |
Achtzig Prozent der Kakaobauern Westafrikas wollen nicht, dass ihre Kinder | |
später die Plantage übernehmen, wie Friedel Hütz-Adams und seine Kollegen | |
aus den Niederlanden jüngst bei einer Umfrage herausfanden. Das | |
Durchschnittsalter der Kakaobauern liegt bereits bei über fünfzig Jahren – | |
die Lebenserwartung aber nur bei sechzig. | |
## Weniger Bauern, mehr Nachfrage | |
Dr. Eberhard Krain von der Deutschen Gesellschaft für Internationale | |
Zusammenarbeit (GIZ) bestätigt den Trend: „In der Elfenbeinküste etwa ist | |
das deutlich sichtbar. Ich würde es als schleichenden Prozess bezeichnen. | |
Denn natürlich steigen die Kakaobauern nicht leichtfertig aus dem Geschäft | |
aus.“ | |
Die Schokoladenindustrie fürchtet bereits, dass es schon in wenigen Jahren | |
zu wenig Kakaobauern geben wird, während die Nachfrage nach Kakao deutlich | |
steigt. „Selbst wenn es gelingen würde, den Ertrag auf den verbleibenden | |
Feldern zu verdoppeln, könnte in zehn, fünfzehn Jahren eine große Lücke | |
zwischen Angebot und Nachfrage klaffen“, so Friedel Hütz-Adams. | |
Folge dieser Entwicklung: Viele Firmen zeigen plötzlich Gewissen. Der | |
amerikanische Marktführer Mars zum Beispiel will bis 2020 komplett auf | |
zertifizierte nachhaltige Schokolade umsteigen, ebenso Ferrero. Das | |
Unternehmen Mondelez International, ehemals Kraft Foods, gab bekannt, es | |
werde in den nächsten zehn Jahren 400 Millionen US-Dollar in die | |
Kakaobauern investieren. | |
Selbst der Schweizer Nestlé-Konzern ließ sich von der Fair Labour | |
Association – einer Allianz von Firmen, NGOs und Hochschulinstituten – auf | |
die Arbeitsbedingungen seiner Zulieferer durchleuchten. Nestlé hat nun | |
einen „Cocoa Plan“ auf den Weg gebracht. | |
Die Kakao- und Schokoladenindustrie wolle „sich dafür einsetzen, dass der | |
Kakaoanbau für seine Farmer attraktiv bleibt und Kakao unter ökonomischen, | |
ökologischen und sozialen Bedingungen nachhaltig angebaut wird“, lässt der | |
Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie verlauten. | |
Ähnlich äußert sich Branchenführer Mondelez International: „Nur wenn die | |
Lebensumstände der Kakaobauern verbessert werden können und die Einkommen | |
der Farmer ausreichend gesichert sind, ist der Kakaoanbau ein | |
zukunftsfähiger Beruf, den auch nachfolgende Generationen gern ausüben.“ | |
Hinter solchen Äußerungen stecke schlicht die Sorge, so Friedel Hütz-Adams, | |
„dass in zehn, fünfzehn Jahren die Kakaoversorgung nicht mehr stimmt.“ | |
## Nestlé verteilt Kakaopflanzen | |
Neben dem Standard-Schlagwort „Zertifizierung“ sind „Aus- und | |
Weiterbildung“ und „neue Pflanzen“ die großen Stichworte, um die sich die | |
Programme von Mars und Co. drehen. Der Ertrag soll gesteigert werden: | |
Vielerorts sind die Kakaobäume schon über 20 Jahre alt. Die Bauern hatten | |
kein Geld übrig, um neue Pflanzen zu kaufen, und produzieren nur etwa 400 | |
Kilogramm Kakao pro Hektar. Möglich wäre mindestens das Doppelte. 2012 | |
verteilte Nestlé deshalb eine Million Kakaopflanzen an Bauern. | |
Mars gab 2010 zusammen mit IBM und dem US-Landwirtschaftsministerium | |
bekannt, in seinen Laboren sei das Erbgut des Kakaobaums entschlüsselt | |
worden. Seitdem werden dort resistentere und ertragreichere Pflanzen | |
gezüchtet. | |
In Schulungen sollen die Farmer bessere Anbaumethoden kennenlernen und so | |
den Kakaoertrag und ihr Einkommen steigern. Die World Cocoa Initiative | |
schreibt sich auf die Fahne, bislang 125.000 Kakaobauern weitergebildet zu | |
haben. Nestlé hat nach eigenen Angaben vergangenes Jahr 24.000 Bauern | |
geschult. Weltweit gibt es rund 5,5 Millionen Kakaokleinbauern. | |
„Die Kakaobauern werden Hilfen der Schokoladenkonzerne gern annehmen“, sagt | |
der Student Yameogo. Bei seinem Vater sei jedoch noch niemand mit neuen | |
Bäumen vorbeigekommen. Der Vater überlegt nun, auf Kautschuk umzusteigen. | |
„Viele Bauern in der Elfenbeinküste haben diesen Gedanken, die Preise für | |
Kautschuk sind gerade hoch“, sagt Friedel Hütz-Adams. „Aber wie lange wird | |
das so sein?“ Er hält diesen Ausweg für ebenso unsinnig wie Programme, die | |
nur auf Ertragssteigerung aus sind. „Doppelter Ertrag bedeutet ja auch mehr | |
Arbeit – und die Abhängigkeit vom Weltmarktpreis bleibt.“ | |
Genau diese Abhängigkeit von schwankenden Weltmarktpreisen sieht er als | |
Hauptproblem. „In alle Projekte muss Diversifizierung rein“, so seine | |
Überzeugung. Die Bauern sollten sich nicht auf den Anbau einer Frucht | |
konzentrieren, sondern mehrere nebeneinander wachsen lassen. | |
Um die Plantage von Yameogos Vater müssen sich Nestlé und Co. aber erst mal | |
keine Sorgen machen: „Einige meiner Geschwister werden die Plantagen | |
übernehmen“, sagt der Student. „Nicht, weil sie es gern wollen. Aber sie | |
haben halt keine andere Möglichkeit.“ | |
31 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Anke Fischer | |
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