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# taz.de -- Politische Krise in Elfenbeinküste: Der neue ivorische Bürgerkrie…
> Nicht in Abidjan, sondern im Westen des Landes schlägt die Konfrontation
> zwischen Gbagbo und Ouattara in Gewalt um. Kämpfe und Pogrome verwüsten
> die Stadt Duékoué.
Bild: Wachsam: UN-Mission in Elfenbeinküste.
Alles begann an einer Straßensperre. Bewaffnete Milizionäre überfielen am
vergangenen Montag am Rand der Stadt Duékoué einen Lastwagen. Sie
eröffneten das Feuer, die Händlerin Sally Diomandé starb auf der
Ladefläche. Empörte Lastwagenfahrer, Lastenträger und andere Arbeiter im
Verkehrswesen errichteten aus Protest ihrerseits eine Straßensperre bei der
Zentrale der Miliz "Force Armée de lOuest" (FAO).
Es entwickelten sich Schlägereien, jede Seite holte Verstärkung. Die daraus
folgenden Straßenkämpfe gehen seitdem jeden Tag weiter und haben, wie die
UN-Mission in der Elfenbeinküste (Unoci) am Donnerstag bilanzierte,
mindestens 14 Menschen das Leben gekostet und 10.000 in die Flucht
geschlagen. Und Duékoué ist zur ersten heißen Front des drohenden neuen
ivorischen Krieges geworden.
Es ist kein Zufall, dass dies in der bergigen Waldregion "Moyen Cavally" im
Westen der Elfenbeinküste Richtung Liberia geschieht. Hier gibt es
Kakaoplantagen und illegale Goldminen, Holzfäller und Fernhändler, die
Menschen sind arm und das Konfliktpotenzial ist hoch. Die alteingesessene
Bevölkerung sieht sich durch die Ausbreitung des Kakaoanbaus
marginalisiert. Für sie sind die Kakaobauern aus der zentralen
Elfenbeinküste, die Wanderarbeiter und Kleinhändler aus dem Norden des
Landes mitbringen, Konkurrenten.
Als 2002 Rebellen gegen den ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo die
Nordhälfte des Landes unter ihre Kontrolle brachten, bildeten sich in der
westlichen Elfenbeinküste lokale Milizen gegen die "Fremden" aus dem
Norden. Sie bekamen, so wie Gbagbos verbliebene Armee insgesamt,
Schützenhilfe französischer Eingreiftruppen, die den Vormarsch der Rebellen
Richtung Abidjan stoppten. Duékoué liegt südlich der damals gezogenen
Waffenstillstandslinie und war Stationierungsort der französischen
Fremdenlegion, die den Gbagbo-Kämpfern diskret zur Seite stand.
Multiethnische Stadt
Die Milizen und traditionellen Führer der Region trommelten auch bei den
Wahlen 2010 für Gbagbo. Aber das multiethnische Duékoué stimmte bei der
Stichwahl vom 28. November pluralistisch: 52,9 Prozent für Gbagbo, 47,1
Prozent für seinen Gegner Alassane Ouattara. Duékoué ist ein Mikrokosmos
der Vielfalt der Elfenbeinküste. Damit ist Duékoué auch ein Mikrokosmos des
ivorischen Konflikts. Den Milizen der Guéré- und Wê-Völker stehen ebenso
irreguläre bewaffnete Gruppen aus dem Umfeld der nordivorischen Rebellen
gegenüber, die "Dozos" genannten traditionellen Jägerbünde aus dem Norden.
Die getötete Händlerin gehörte dem nordivorischen Malinké-Volk an. Dozos
haben sie gerächt, die lokalen Milizen schlagen blutig zurück. Es gab
Gefechte mit schwerer Artillerie. Zahlreiche Geschäfte sind in Flammen
aufgegangen. Tausende Menschen drängen sich als Flüchtlinge in der
katholischen Mission der Stadt. Zwei Menschen wurden auf der Straße bei
lebendigem Leib verbrannt.
Jede Nacht, so berichtet die ivorische Presse, flammt die Gewalt neu auf.
"Maskierte Männer haben unser Viertel die ganze Nacht belagert und am
frühen Morgen die Häuser angezündet. Ich konnte nichts retten, alles ist
verbrannt", zitierte gestern die Ouattara-nahe Zeitung Le Patriote eine
Augenzeugin aus dem von Malinké bewohnten Viertel Latif. Unabhängige
Zeitungen berichten von liberianischen Kämpfern auf Seiten der
Gbagbo-treuen Milizen und davon, dass Armeelastwagen die Milizionäre
transportieren. Die Gbagbo-nahe Presse wiederum feiert Siege über die
Rebellen, die versucht hätten, Duékoué einzunehmen, und zurückgeschlagen
worden seien.
Inzwischen zählt die Unoci 10.000 Vertriebene in Duékoué, die katholische
Kirche 15.000, das Krankenhaus ist voller Verletzter mit Schusswunden. Die
Zahl der Flüchtlinge aus der westlichen Elfenbeinküste in Liberia ist
mittlerweile auf 22.000 gestiegen.
Insgesamt sind laut Unoci seit Mitte Dezember 210 Menschen in der
Elfenbeinküste politischer Gewalt zum Opfer gefallen, davon 31 in der
laufenden Woche. Und eine Lösung des Konflikts zwischen Gbagbo und Ouattara
ist weiter nicht in Sicht.
6 Jan 2011
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Kakao
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