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# taz.de -- Internationaler Kakao-Handel: Der Weihnachtsmann ist gar nicht fair
> Fairer Kakao hilft der Umwelt und ist für Bauern in Afrika eine Chance.
> Doch Hersteller und Handel in Deutschland kassieren ab.
Bild: Wer verdient mit dem Weihnachtsmann eine goldene Nase? Jedenfalls nicht d…
Die Ankündigung klingt zunächst wie eine rundum gute Nachricht für
Kleinbauern, die entlang des Äquators leben: Ab Oktober kommenden Jahres
erhöht Fairtrade den Mindestpreis für Kakao um 20 Prozent. Für Elizabeth
Osei Agyei aus Ghana eine gute, späte Nachricht. Sie produziert Kakao, der
mit dem Fairtrade-Siegel zertifiziert ist: „Die Preiserhöhung war lange
überfällig“, sagt sie. Doch noch immer sei der Mindestpreis zu niedrig,
klagt die Berliner Entwicklungsorganisation Inkota. Um die Lücke zu
existenzsichernden Einkommen zu schließen, müssten bei Fairtrade weitere
Preiserhöhungen folgen.
Lange Zeit gab es diese Existenz-Lücke gar nicht. Der Anbau von Kakao bot
insbesondere für Bauern in Westafrika eine vergleichsweise lukrative
Einnahmequelle. Doch der Anteil, den die Kakaoproduzenten vom
Endverkaufspreis für Schoko-Weihnachtsmänner erhalten, ist in den letzten
Jahrzehnten immer weiter gesunken, berichtet die Deutsche Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Bonn. Betrug der Anteil der Bauern
um 1970 noch rund 25 Prozent, liegt er heute bei unter 6 Prozent.
Schokoladenhersteller, die das Fairtrade-Siegel erwerben, zahlen
grundsätzlich deutlich besser. Allerdings liegt der Weltmarktpreis zurzeit
nahe am Fairtrade-Mindestpreis, sagt Helene Naegele vom Deutschen Institut
für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Außerdem werde nur etwa ein
Drittel der Fairtrade-Produktion auch mit dem Label und damit zu den
höheren Fairtrade-Preisen verkauft. Die Expertin für Wettbewerb und
Verbraucher weist auf ein grundlegendes Dilemma hin: „Fixkosten und hohe
Preise für Insider führen zu einem Gleichgewicht, in dem sich
Lizenzgebühren und erwartete Erlöse durch Fairtrade-Verkauf aufwiegen.“
Bauern müssen nämlich Lizenzgebühren zahlen, wenn sie ein Siegel erwerben.
Um auf Nachfrageschwankungen der einzelnen Siegel-Verwahrer zu reagieren,
setzen Bauern auf Doppel- und Dreifachzertifizierungen bei Fairtrade, UTZ
oder Rainforest Alliance/SAN. Und das kostet. „Die empirische Forschung hat
gezeigt“, sagt Naegele, „dass sich das meist ungefähr aufwiegt und die
Bauern am Ende ungefähr so gut dastehen, als hätten sie nicht mitgemacht.“
## Konzerne schlagen sogar Extra-Margen oben drauf
Richtig abkassieren können dagegen Hersteller und Einzelhändler. Bei ihnen
bleiben drei Viertel des Verkaufspreises von Schokoprodukten hängen.
DIW-Forscherin Naegele hat am Beispiel Kaffee festgestellt, dass die
Konzerne auf zertifizierte Produkte sogar noch Extra-Margen oben
draufschlagen. „Dieser Preisaufschlag ist für den Endverbraucher höher als
der Fairtrade-Preisaufschlag für den Bauern.“
Claudia Brück von Fairtrade Deutschland warnt allerdings vor einer
„einseitig an Marktkriterien ausgerichteten Sichtweise“. Fairtrade sei mehr
als Mindestpreise und eventuell eine zusätzliche Prämie. Dazu gehörten
ebenso die Organisationsentwicklung und die Professionalisierung des
Kakao-Anbaus sowie Umweltkriterien. Diese trügen zu einer umweltschonenden
und nachhaltigen Produktion bei. Diese Aspekte würden so gut wie nie in
externen Studien untersucht, kritisiert Claudia Brück. Sie seien jedoch für
die Fairtrade-Produzenten von sehr großer Bedeutung.
„Wir sind uns bewusst, dass wir uns weiterhin dafür einsetzen müssen, dass
wir für die Produzentenorganisationen höhere Absätze über den fairen Handel
ermöglichen“, sagt Claudia Brück von Fairtrade Deutschland. In Deutschland
hat Fairtrade-Kakao derzeit einen Marktanteil von acht Prozent.
15 Dec 2018
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
## TAGS
Kleinbauern
Handel
Weihnachten
Fairtrade
Bio-Lebensmittel
Ghana
Fair Trade
Fairtrade
Kakao
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