# taz.de -- Kaffeeexperte über fairen Handel: „Fairer Handel setzt nicht die… | |
> Börsenpreise und Kaffeemultis wie Nestlé bestimmen den Markt, Dennoch | |
> hilft fairer Handel den Bauern im Süden, sagt Experte Jonas Lorenz. | |
Bild: Jeder muss sich selber überlegen, ob er das ethisch vertreten kann: den … | |
taz: Herr Lorenz, der Schweizer Nahrungskonzern Nestlé erzielt etwa 27 | |
Prozent des weltweiten [1][Umsatzes mit Kaffee]. Würden Sie ein Tässchen | |
Nescafé oder Nespresso mit mir trinken? | |
Jonas Lorenz: Ich persönlich bin kein Fan von Instantkaffee. Bei Nespresso | |
stört mich, dass extrem viel Müll durch die Kapseln erzeugt wird. Jeder | |
muss sich überlegen, ob er es ethisch vertreten kann, diese Art von Konsum | |
zu unterstützen. | |
Warum bestimmen Multis wie Nestlé trotzdem das Marktgeschehen? | |
Die Börsenpreise haben zwar wenig mit der Realwirtschaft zu tun, dennoch | |
haben sie Einfluss auf fairen Kaffee – dessen Handel geschieht ja nicht im | |
luftleeren Raum. Und: Wenn sich beim weltgrößten Produzenten Brasilien eine | |
gute Ernte ankündigt, fallen die Weltmarktpreise natürlich tendenziell. | |
Fair-Handels-Unternehmen können nicht einfach die Preise setzen, die | |
Großkonzerne dominieren den Markt. Im Klartext: Wenn der Preis für fairen | |
Kaffee zu weit über dem Konventionellen liegt, werden ihn weniger Menschen | |
kaufen. In Deutschland liegt der Fair-Trade-Anteil am Gesamtumsatz mit | |
Kaffee bei knapp 5 Prozent. | |
Viele Kunden hier glauben, dass Fair Trade den Produzenten ein | |
einträgliches Auskommen bringt. Dennoch verdienen die Kaffeepflücker in | |
Peru kaum mehr als den Mindestlohn vor Ort. Warum ist das so? | |
Natürlich wäre es wünschenswert, dass der Börsenpreis bei mindestens 2,20 | |
Dollar für ein Pfund Arabica liegt – und dementsprechend viel bei den | |
Kaffeebauern ankommt. Insgesamt sind die Preise auf dem Weltmarkt seit den | |
frühen 1980er Jahren jedoch um zwei Drittel gesunken, derzeit wird etwas | |
über ein Dollar gezahlt. Der Fair-Trade-Mindestabnahmepreis von 1,40 Dollar | |
spannt da ein Sicherheitsnetz. Außerdem gibt es noch eine Fair-Trade-Prämie | |
von 20 Cent sowie einen Biozuschlag von 30 Cent. Das hilft vor Ort enorm. | |
Gleichzeitig fahren die Konzerne des Nordens enorme Gewinne ein. Wie kann | |
das sein? | |
Das ist eine große Ungerechtigkeit. Wir haben in einer neuen Studie | |
ausgerechnet, dass allein in Deutschland die Einnahmen beim Verkauf von | |
Rohkaffee in den vergangenen 20 Jahren um 130 Millionen Euro gesunken sind, | |
ein Rückgang von 10 Prozent. Gleichzeitig wurden aber hier jährlich 2,74 | |
Milliarden Euro mehr umgesetzt. Das entspricht einer Steigerung von 215 | |
Prozent. Die größte Spanne wird mit portioniertem Kaffee, also Pads und | |
Kapseln erzielt, nicht mit Rohkaffee. | |
Entwicklungsminister Müller hat gefordert, die Steuer für fair gehandelten | |
Kaffee zu streichen … | |
Ein richtiger Ansatz. In Deutschland liegt der Steuersatz für Röstkaffee | |
bei 2,19 Euro je Kilo, für löslichen Kaffee sind es 4,78 Euro. Also gar | |
nicht wenig. Einige Experten glauben, eine Befreiung könnte den Absatz | |
verdoppeln. | |
Und das Problem? | |
Es gibt keinen gesetzlichen Standard für „fair“. Und falls einer eingefüh… | |
wird, ist es uns wichtig, dass dadurch das Konzept nicht verwässert wird. | |
28 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Kaffee-und-die-ungerechte-Weltordnung/!5565350 | |
## AUTOREN | |
Kai Schöneberg | |
## TAGS | |
Kaffee | |
Fairer Handel | |
Bio-Lebensmittel | |
Nestlé | |
Bioland | |
Kleinbauern | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Julia Klöckner und Nestlé: Kuscheltier der Industrie | |
Das Video der Verbraucherministerin mit einem Nestlé-Manager ist | |
symptomatisch für ihre Politik: Ihr fehlt die Distanz zur | |
Lebensmittelindustrie. | |
Ökologisch Einkaufen: Discounter jagen Bioläden Kunden ab | |
Die Kooperation zwischen Bioland und Lidl wirbelt die Branche auf. Sind | |
Billiganbieter nur Trittbrettfahrer, die vom Ökoboom profitieren wollen? | |
Internationaler Kakao-Handel: Der Weihnachtsmann ist gar nicht fair | |
Fairer Kakao hilft der Umwelt und ist für Bauern in Afrika eine Chance. | |
Doch Hersteller und Handel in Deutschland kassieren ab. |