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# taz.de -- Entwicklungsaktivistin über Schokolade: „Fairtrade muss Mindestp…
> Immer mehr Kakao wird „nachhaltig“ gehandelt. Die produzierenden Bauern
> bleiben trotzdem arm, sagt Entwicklungsaktivistin Evelyn Bahn.
Bild: Geerntete Kakaobohnen in Brasilien: Fairtrade?
taz: Frau Bahn, der Marktanteil von nachhaltiger Schokolade ist seit 2009
rasant gewachsen und lag bei Ihrer letzten Untersuchung vor zwei Jahren bei
16 Prozent. Dennoch verdient eine Kakaobauernfamilie pro Kopf in der
Elfenbeinküste weiterhin durchschnittlich nur 0,50 US-Dollar am Tag. Sind
Siegel wie Fairtrade, Rainforest Alliance und Utz gescheitert?
Evelyn Bahn: Nein, das kann man so nicht sagen. Es ist auf jeden Fall so,
dass nachhaltiger Kakaoanbau ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der
Lebensbedingungen der Bauern ist. Der Bauer erhält Trainings und kann seine
Anbaumethoden verbessern. Auch wird der Aufbau von Kooperativen gestärkt.
Die Bauern stehen somit ökonomisch besser da. Aber das allein reicht nicht
aus, um sie aus der Armut zu holen.
Wie viel mehr verdient denn ein Bauer, dessen Kakao zum Beispiel durch
Fairtrade zertifiziert wurde?
Nach aktuellen Berechnungen kann ein Bauer sein Einkommen um etwa zehn
Prozent erhöhen. Nach der Definition der Weltbank liegt die Armutsgrenze
bei zwei Dollar am Tag. Ein Kakaobauer müsste sein Einkommen also um 300
Prozent erhöhen, um aus der Armut herauszukommen.
Wie lässt sich das erreichen?
Damit Kakaobauern ein existenzsicherndes Einkommen erwirtschaften können,
ist es wichtig, dass sie einen höheren Preis für die Bohnen erhalten. Auch
der von Fairtrade festgelegte Mindestpreis pro Tonne Kakao lag in den
letzten Jahren unter dem Weltmarktpreis. Daher ist auch Fairtrade gefragt,
zu prüfen, ob diese Mindestpreisschwelle angepasst werden muss.
Wieso ist der Preis für Kakao denn zu niedrig?
Der Preisdruck in der Wertschöpfungskette ist mit der Zeit unglaublich
gestiegen und geht letztendlich auf Kosten der Produzenten. Während ein
Kakaobauer in den 80er Jahren noch 16 Prozent am Verkaufspreis einer
Schokolade erhielt, sind das heute nur noch sechs Prozent.
Was müsste passieren, damit Kakaobäuer*innen mehr vom Verkaufspreis
erhalten?
Hier sind alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette gefragt. Aber auch
die Regierungen in den Produktionsländern tragen eine Verantwortung. In der
Elfenbeinküste und in Ghana ist der Kakaomarkt staatlich reguliert. In
Ghana bekommen die Bauern etwa 70 Prozent des Weltmarktpreises. Die Frage
ist, was passiert mit dem Rest des Geldes. Die Regierung müsste viel mehr
in die Kakao-Anbauregionen investieren. Also in die dortige Infrastruktur
und den Aufbau von Gesundheitssystemen.
Welche Rolle spielen die Schokoladenunternehmen?
Nur acht Händler und Vermahler kontrollieren drei Viertel des Welthandels
mit Kakao. Die Unternehmen müssen sich dafür einsetzen, dass der Bauer
einen höheren Preis für Kakao erhält. Deswegen müssen die Unternehmen ihre
internen Kostenstrukturen so verändern, dass sie einen höheren Preis an
Kakaobauern zahlen können.
Was machen die Schokoladenunternehmen aktuell, um die Situation der
Kakaobäuer*innen zu verbessern?
Die deutsche Schokoladenindustrie hat versprochen, dass sie bis 2020
mindestens 50 Prozent des gesamten Kakaos, der in Deutschland verwendet
wird, aus nachhaltigem Anbau beziehen will. Das allein reicht aber nicht
aus. Im schlimmsten Fall werden wir 2020 feststellen, dass die Bauern trotz
des steigenden Anbaus von nachhaltigem Kakao noch immer in Armut leben.
Dann würden wir feststellen, dass wir Armut zertifiziert haben.
22 Jul 2015
## AUTOREN
Katharina Schwirkus
## TAGS
Fairtrade
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