# taz.de -- Weltsozialforum in Tunis: Das Fähnchen des neuen Libyen | |
> Erstmals sind libysche Zivilorganisationen beim Sozialforum. Sie stöhnen | |
> über ihre Regierung und versuchen, Inhaftierten Beistand zu leisten. | |
Bild: Gefängniszelle in Bengasi. | |
TUNIS taz | Sie sind die ersten ihrer Art. Beim letzten Weltsozialforum, | |
2011 in Dakar, war Gaddafi noch an der Macht, eine libysche | |
Zivilgesellschaft undenkbar. Am Mittwochvormittag steht Nadr Abo Zile mit | |
zwei Kolleginnen im Raum TD3 der Universität von Tunis und stellt die | |
Arbeit seiner Organisation vor, der „Libue Foundation to Support Freedom | |
and Human Rights“ aus Tripolis. | |
Es ist einer der Hauptvorträge am zweiten Tag des Sozialforums. Er ist der | |
Frage gewidmet, was der Arabische Frühling, den alle hier begeistert | |
feiern, gebracht hat. Auf dem Tisch hat Abo Zile eine kleine Fahne des | |
neuen Libyen aufgestellt, er trägt ein dunkelblaues Jackett mit dicken | |
weißen Ziernähten, ist etwas nervös, strahlt aber dennoch, selbst, als der | |
bestellte Dolmetscher nicht erscheint. | |
„Bei uns dauert alles viel länger als hier in Tunesien“, sagt Abo Zile. | |
„Ihre Revolution hat 18 Tage gedauert, unsere sechs Monate. Hier war die | |
Armee nicht gegen die Bürger, sie konnten also bleiben.“ Die Libyer jedoch | |
hätten bei null anfangen müssen. „Wir hatten nichts. Keine Polizei, keine | |
Sicherheitsbehörden. Viele Menschen haben deswegen ihre Waffen behalten. | |
Die Sicherheitslage im Land ist schlecht, die Regierung schwach“, erzählt | |
Abo Zile. Und eine schwache Regierung sei gefährlich. | |
Im heutigen Libyen gebe es „Meinungsfreiheit, aber nicht zu allen Themen“, | |
sagt er. „Über die Milizen kann man nicht einfach so sprechen.“ Die | |
Regierung mache es „sich sehr einfach, Menschen ins Gefängnis zu stecken, | |
und sehr schwer, da wieder rauszukommen“, sagt Abo Zile, der unter Gaddafi | |
selbst im Gefängnis saß. „Sie kümmert sich nicht im Geringsten um Menschen- | |
und Bürgerrechte, sie hat auch keine Ahnung davon.“ | |
Stattdessen versuche sie alle, „die abweichende Meinungen“ hätten oder die | |
sie für Ex-Alliierte Gaddafis hält, einzusperren. „Diese Verhaftungen sehen | |
aus wie Kidnappings. Sie werden von Zivilisten durchgeführt, es gibt keinen | |
richterlichen Beschluss, auch Frauen werden verschleppt.“ In den | |
Gefängnissen würden die Insassen misshandelt. Wer einmal drin sitzt, dem | |
sei nur sehr schwer zu helfen. „Das ist dann unsere Arbeit.“ | |
Abo Ziles Gruppe versucht, Inhaftierten juristischen Beistand zu leisten, | |
sie hat einen Katalog von Forderungen an die Regierung formuliert: keine | |
Festnahmen mehr ohne richterlichen Entscheid, Zugang für Rechtsanwälte zu | |
den Gefangenen. | |
Doch auch wenn es in seinem Land noch düster zugeht: Dass er überhaupt hier | |
steht und seinen Vortrag hält, sei ein gutes Zeichen. „Es wird besser“, | |
sagt Abo Zile, „aber es könnte schneller gehen.“ | |
28 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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