# taz.de -- Studierenden-Aktivistin über WSF: „Ich habe Angst“ | |
> Molka Sousi, Sprecherin des Studierendenverbandes Union générale des | |
> étudiants de Tunisie, über den Einfluss der Religiösen in Tunesien und | |
> auf dem Weltsozialforum. | |
Bild: Von Islamisten umgeben oder selber welche? Teilnehmer des WSF in Tunis. | |
Auf dem Campus der El Manar Universität in Tunis läuft bis Samstag das | |
Weltsozialforum. Das Treffen ist in diesem Jahr geprägt von der Präsenz | |
religiöser und islamistischer Gruppen, die teils am Forum teilnehmen, teils | |
ohnehin an der Universität vertreten sind. Auf dem Campus gibt es in diesen | |
Tagen immer wieder heftige Diskussionen zwischen religiösen und säkularen | |
Studierenden. | |
taz: Sind die islamistischen Studierenden eine starke Kraft an der | |
Universität? | |
Molka Sousi: Bei den Wahlen zu den landesweiten Studierendenvertretungen am | |
23. März haben die Islamisten keine Mehrheit bekommen. Trotzdem sind sie | |
auf dem Campus sehr präsent. | |
Sie lehnen das Programm der Religiösen strikt ab. Weshalb? | |
Wir haben nichts gegen die Religion oder gegen den Islam, aber die UGTE | |
steht für islamistische Ideen, die mit Demokratie oder Fortschritt – | |
politisch, sozial oder sonstwie – nicht das geringste zu tun haben. Sie | |
wollen unter anderem die Burkapflicht und sie wollen die Separation: | |
Getrennte Seminarräume für Männer und Frauen. | |
Wie ist zu erklären, dass Menschen mit solchen Wertvorstellungen das eher | |
linke Weltsozialfoum ganz selbstverständlich für sich zu reklamieren | |
versuchen? | |
Wir sind hier in Tunesien, dieses Land wird islamistisch regiert. Es ist | |
normal, dass sie hier sind. | |
Hat nicht eine gewisse politische Beliebigkeit des Forum ihr massives | |
Auftreten hier begünstigt? | |
Das Motto des Forums ist Würde, alle sind für Würde und Gerechtigkeit. Die | |
Islamisten sagen natürich, dass sie das auch sind. Aber das ist nicht wahr. | |
Warum nicht? | |
Vor den Wahlen am 23. Oktober haben die Islamisten viel von Frieden und | |
Demokratie geredet. Jetzt sind sie gewählt und sie machen genau das | |
Gegenteil. Der ganze Auftritt hier ist genauso verlogen: Sie sind | |
Manipulatoren, sie geben hier ein falsches Bild. Wenn sie regieren, gibt es | |
Verletzte und Gewalt, man hat es an dem [1][Mord an Chokri Belaid] gesehen. | |
Gibt es auch an der Universität Konfrontationen? | |
Ja, in meiner Fakultät zuletzt am 4. März. Sie wollten in dem Gebäude ihre | |
Propaganda verbreiten. Es gab eine große Schlägerei mit Verletzten, es war | |
schrecklich. | |
Wie verhalten sich die Professoren? | |
Sie unterstützen uns, sie sind größtenteils laizistisch. | |
Viele sagen, die Ennahda ist das kleinere Übel – sie verhindere, dass die | |
wirkich harten Islamisten an die Macht kommen. | |
Die wirkich harten Islamisten gibt es auch in der Ennahda, sie ist im Kern | |
islamistisch. | |
Wächst der Einfluss der Islamisten im Land? | |
Ja, er wächst, erschreckend schnell, vor allem unter jungen Leuten. | |
Die Universitäten sind aber eine Ausnahme? Weshalb? | |
Das hat mit dem Bildungsgrad zu tun: Mit höherer Bildung dechiffriert man | |
ihren politischen Diskurs leichter. | |
Zehntausende Menschen haben sich in diesen Tagen hier versammelt und feiern | |
die Revolution von vor zwei Jahren. Wie sehen Sie Tunesien in zwei Jahren? | |
Ich habe Angst vor dem was passieren kann, ich befürchte das Schlimmste. | |
Wir versuchen, den Leuten zu helfen, das wahre Konzept der Ennahda zu | |
verstehen. Sie sollen ihnen nicht glauben. Bei den letzten Wahlen sind wir | |
damit aber gescheiert. | |
Wenn das so bleibt – wie könnte Ihr Leben in zwei Jahren aussehen? | |
Die ganze Kultur wird sich ändern. Ich hoffe, dass ich das nicht erleben | |
muss. | |
29 Mar 2013 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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