# taz.de -- Gedenken an Burak B. und Jonny K.: Misstrauen gegenüber den Behör… | |
> Mit einer Demonstration und einem Benefizkonzert soll am Wochenende in | |
> Berlin an die Ermordung zweier Jugendlicher gedacht werden. | |
Bild: Gedenkmarsch für Burak B. in Berlin-Neukölln im April 2012. | |
An diesem Wochenende wird in Berlin zweier Jugendliche gedacht, die im | |
vergangenen Jahr in der Hauptstadt gewaltsam ums Leben gekommen sind. Mit | |
einem großen Benefizkonzert hält ein Verein das Andenken an Jonny K. wach, | |
der vor einem halben Jahr von einer Gruppe von Jugendlichen auf dem | |
Berliner Alexanderplatz tot getreten wurde. | |
Eine Demonstration am Samstag erinnert an den unaufgeklärten Tod des damals | |
22-jährigen Burak B., der vor genau einem Jahr im Süden Berlins auf offener | |
Straße von einem Unbekannten erschossen wurde. | |
Er wolle „ein Zeichen setzen, dass dieser Fall nicht in Vergessenheit | |
gerät“, sagte der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU), als er am | |
Mittwoch die Familie besuchte, deren Sohn Burak in der Nacht vom 4. auf den | |
5. April 2012 ermordet wurde. Zwei andere junge Männer aus Buraks Gruppe | |
wurden angeschossen und schwer verletzt, zwei weitere blieben unverletzt. | |
Der Täter war in dieser Nacht unvermittelt an einer Bushaltestelle auf die | |
bunte Gruppe – die jungen Männer waren arabischer, türkischer und | |
russischer Herkunft – zugegangen und verschwand nach den Schüssen spurlos. | |
Die Tat geschah im Süden des Berliner Stadtteils Neukölln. Hier, in einer | |
ruhigen und grünen Einfamilienhaussiedlung, lebt die Familie des Opfers: | |
Der Vater ist selbständiger Handwerker, die Mutter Krankenpflegerin, ihre | |
drei Kinder sind Schüler oder Auszubildende. Burak stand kurz vor dem | |
Abschluss einer Lehre als Kfz-Händler. | |
## Noch immer Fragezeichen | |
Eine Initiative aus Freunden des Getöteten, antirassistischen Vereinen und | |
der Opferberatungsstelle ReachOut will mit einer Demonstration am Samstag | |
darauf aufmerksam machen, dass der Fall immer noch nicht aufgeklärt ist. | |
Neben diesem Misserfolg wirft die Initiative den Ermittlungsbehörden eine | |
„katastrophale Informationspolitik“ vor. Sie klärten die Familie und die | |
Öffentlichkeit zu wenig darüber auf, wie und in welche Richtungen ermittelt | |
werde, klagt Helga Seyb von ReachOut, die Sprecherin der Initiative. | |
Was die Reihenhausidylle im Neuköllner Süden vom multikulturellen Norden | |
unterscheidet, der häufig als „Problemkiez“ bezeichnet wird, ist, dass hier | |
die Neonazis traditionell stark sind: Übergriffe sind keine Seltenheit, | |
Naziaufkleber an der Tagesordnung. Mehrmals wurde der Treffpunkt der | |
sozialistischen Jugendbewegung „Falken“ in Brand gesteckt, antirassistische | |
Einrichtungen und ihre Aktivisten wurden angegriffen. | |
Dass auch die Schüsse auf Burak B. und seine Freunde rassistisch oder | |
rechtsextrem motiviert gewesen seien, wolle man zwar nicht behaupten, sagt | |
die Initiative, es sei aber auch nicht auszuschließen. „Deswegen wollen wir | |
von der Polizei wissen, in welche Richtungen ermittelt wird und in welche | |
nicht“, so Seyb. | |
## Rechtsextremer Hintergrund nicht auszuschließen | |
Sie artikuliert damit das Misstrauen, das nicht nur viele Migranten | |
gegenüber deutschen Behörden hegen, seit die NSU-Mordserie aufgeflogen ist. | |
Die Pressestelle der Berliner Staatsanwaltschaft sagt zum Fall Burak B., es | |
gebe keine Hinweise auf einen Täter, daher könne ein rechtsextremer | |
Hintergrund nicht ausgeschlossen werden. Als Beleg für die Ernsthaftigkeit | |
ihrer Ermittlungen verweist sie auf die „Auslobung einer hohen Belohnung“ | |
und die „Vorstellung des Falles“ bei der TV-Sendung „Aktenzeichen XY“. | |
Die Polizei tue „alles, um den Mörder Ihres Sohnes zu fassen“, verspricht | |
auch Innensenator Henkel Buraks trauerndem Vater bei seinem Besuch. In den | |
vergangenen Jahren habe Berlin viele Bürger durch Gewalt verloren, sagt | |
Henkel – etwa Giuseppe M., Jonny K. und eben Burak B.. Er hoffe, dass diese | |
„Spirale der Gewalt“ in der Hauptstadt eines Tages durchbrochen werden | |
könne, so der CDU-Politiker. | |
Am meisten Schlagzeilen hatte im vergangenen Jahr der Tod von Jonny K. | |
gemacht. Der junge Thai-Deutsche war im Oktober am Berliner Alexanderplatz | |
nachts von einer Gruppe türkischstämmiger Jugendlicher so heftig attackiert | |
worden, dass er wenig später an Gehirnblutungen starb. | |
Gegen fünf Tatverdächtige soll im Mai der Prozess beginnen. Der | |
Hauptverdächtige hatte sich nach der Tat in die Türkei abgesetzt. Wie am | |
Donnerstag bekannt wurde, ermittelt nun die türkische Justiz wegen | |
„vorsätzlichen Mordes“ gegen ihn. | |
Am 7. April wäre Jonny K. 21 Jahre alt geworden. Nachdem ihr Bruder | |
ermordet wurde, gründete seine Schwester Tina den Verein „I am Jonny“. | |
Seitdem spricht sie in Schulen und Kindergärten über Gewaltprävention, im | |
November 2012 erhielt sie dafür den Medienpreis „Bambi“. Für das | |
Benefizkonzert am Sonntag konnte sie Musiker von Seed und andere Berliner | |
Popgrößen gewinnen. Die Erlöse sollen in Anti-Gewalt-Projekte fließen. | |
Seit Mittwoch ist auf der Webseite des Vereins überdies ein Video zu sehen, | |
in dem sich prominente Schauspieler, Musiker und Sportler wie Minh Khai | |
Phan-Thi, Sibel Kekilli, Jérôme Boateng und Max Herre gegen jede Form von | |
Gewalt aussprechen. | |
Sie zitieren die Namen von Menschen, die in den letzten Jahren aus | |
verschiedenen Gründen gewaltsam zu Tode gekommen sind – von Amadeu Antonio | |
in Dessau und Fabian Salar Saremi in Frankfurt über Aziz Güler in Köln und | |
Daniel Sievers in Kirchweyhe bis zu Dominik Brunner im München. Und | |
natürlich Jonny K. und Burak B. in Berlin. | |
5 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
Daniel Bax | |
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