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# taz.de -- Tod von Jonny K.: Sechs Angeklagte, keine Schuld
> Jonny K. starb im Oktober 2012 nach einer Attacke junger Männer auf dem
> Berliner Alexanderplatz. Im Prozess will keiner die Tat gestehen.
Bild: Sitzen hinter schusssicherem Glas: die Angeklagten.
BERLIN taz | Der Gerichtssaal 500 ist einer der größten im Berliner
Kriminalgericht Moabit. Doch diesem Ansturm ist er kaum gewachsen.
Verwandte und Freunde der Angeklagten und des Opfers sind gekommen, junge,
alte, viele Menschen, deren Eltern oder Großeltern einmal nach Deutschland
eingewandert sind. Im vorderen, durch eine Brüstung abgetrennten Teil des
Saals studiert die Schwester des jungen Mannes, um dessen Tod es hier geht,
die Gesichter. Tina K. ist im Prozess Nebenklägerin. „Ich will wissen, wer
schuld ist“, sagt sie den Journalisten. „Die Jungs sollen sagen, was
passiert ist, und sich nicht gegenseitig die Schuld geben.“
Das Opfer, der 20-jährige Jonny K., war im Oktober 2012 auf dem Berliner
Alexanderplatz nach einer Prügelattacke gestorben. In dem Prozess, der am
Montag vor einer Jugendkammer des Landgerichts beginnt, müssen sich sechs
junge Männer im Alter von 19 bis 24 Jahren verantworten. Vier von ihnen
wird gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen, zweien
gefährliche Körperverletzung.
Der 24-jährige Bilal K. und der 19-jährige Onur U. waren monatelang in der
Türkei untergetaucht, haben sich dann aber doch gestellt. Am ersten
Prozesstag äußern sie sich erstmals in Form einer von ihren Verteidigern
verlesenen Erklärung zu den Vorwürfen. Sie seien es nicht gewesen, lautet
der Tenor.
Jonny K.s Tod hat viel Aufsehen erregt. Ausgerechnet ein junger Mann, der
den Ruf hatte, eine besonders friedliche Natur zu sein, war Opfer sinnloser
Jugendgewalt geworden. Seine ältere Schwester Tina hat eine Kampagne gegen
Gewalt initiiert. Ihr Credo: So etwas dürfe nie wieder passieren. Am Tatort
ist für Jonny K. ein provisorisches Mahnmal erreichtet worden. „Er zeigte
Zivilcourage und half anderen Bedrängten“, steht auf einer selbst gemalten
Tafel.
## Mit dem Stuhl fing alles an
Die Anklage hört sich nicht so an, als habe Jonny K. Ärger gesucht, als er
um 4.00 Uhr morgens mit drei Freunden nach einem Barbesuch auf dem Heimweg
war. Vor einem Eiscafé kam es zum Zusammentreffen mit den sechs
Angeklagten. Beide Gruppen kannten sich nicht. Einer aus Jonny K.s Gruppe –
sein Freund Gerhard C. – hatte einen betrunkenen Kumpel auf dem Rücken.
Diesen wollte Gerhard C. auf einem Stuhl vor dem Eiscafé absetzen. Mit dem
Stuhl fing laut Staatsanwaltschaft alles an.
Onur U. soll den Stuhl weggestoßen haben, woraufhin Gerhard C. mit dem
Betrunkenen zu Boden gefallen sei. Mit erhobenen Armen und dem Wort „Ey“
sei Jonny K. herangetreten, ohne auch nur ansatzweise tätlich zu werden.
Nun soll Onur U. auf Jonny K. losgegangen sein, auch die Angeklagten Bilal
K., Osman A. und Melih Y. sollen kräftig mit Faustschlägen und Tritten
mitgemischt haben. Jonny K. ging zu Boden, schlug dabei wuchtig mit dem
Hinterkopf auf dem Pflaster auf und blieb bewusstlos liegen. Nunmehr soll
er noch einen weiteren Fußtritt von Bilal K. bekommen haben.
Den genauen Tathergang zu klären, wird nicht einfach sein. Onur U., der
unabhängig von Bilal K. in der Türkei abgetaucht war, räumte eine
Beteiligung an der Schlägerei ein, soweit diese Gerhard C. betrifft. Er
gibt auch zu, sich später einem Kumpel gegenüber damit gebrüstet zu haben:
„Ich habe einen Schwarzen fertiggemacht.“ Gerhard C. ist Afrodeutscher.
Jonny K. will Onur U. nicht mal gesehen, geschweige denn angefasst haben.
Bilal K. gibt einen Tritt gegen den Oberschenkel von Jonny K. zu. Aber
dadurch sei der nicht zu Fall gekommen. „Mein Tritt war es nicht.“ Er habe
aber gesehen das Melih Y. auf den am Boden Liegenden eingetreten habe.
## Ein ethnischer Konflikt?
Auf der Suche nach Gründen der Tat war auch spekuliert worden, vielleicht
sei ein ethnischer Konflikt austragen worden. Die sechs Tatverdächtigen
sind griechischer beziehungsweise türkischer Herkunft. Jonny K. ist
Thaideutscher, er war zusammen mit dem Afrodeutschen Gerhard C. und zwei
gebürtigen Vietnamesen unterwegs.
Der Staatsanwaltschaft zufolge sollen Zeugen gehört haben, dass die
Angeklagten auf dem Rückweg gesagt haben: „Hurensöhne, uns fickt keiner!“
Auf die Frage, wie das gemeint gewesen sei, sollten sich die Angeklagten
schon einmal vorbereiten, kündigt Richter Schweckendieck am Montag an. Der
Prozess ist vorerst bis Juni terminiert.
13 May 2013
## AUTOREN
Plutonia Plarre
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