| # taz.de -- Brustimplantate-Skandal in Frankreich: Körperverletzung durch Sili… | |
| > Laut des Urteils eines Berufungsgerichts können jetzt auch Frauen, die | |
| > sich ihre PIP-Brustimplantate präventiv entfernen ließen, klagen. | |
| Bild: Ein defektes Brustimplantat der Firma Poly Implant Prothese (PIP). | |
| PARIS taz | Gegen den heute 73-jährigen Gründer der Firma PIP, Jean-Claude | |
| Mas, ermittelt die französische Justiz wegen fehlerhafter Brustimplantate | |
| mit einer nicht zugelassenen Hausmischung aus Industriesilikon. Doch nicht | |
| nur wegen dieses Schwindels, sondern auch wegen Klagen auf | |
| Körperverletzung. Der Prozess wegen Betrugs gegen Mas und vier Mitarbeiter | |
| beginnt am kommenden Mittwoch in Marseille mit mehr als 5.000 | |
| Nebenklägerinnen. Wer aber ist im zweiten, separaten Verfahren berechtigt, | |
| als Opfer auf fahrlässige Körperverletzung zu klagen? | |
| Eine Untersuchungsrichterin in Marseille, Annick Le Goff, hatte die | |
| Rechtslage sehr restriktiv ausgelegt und angeordnet, dass eine | |
| Körperverletzung nur dann vorliegen könne, wenn diese dubiosen | |
| Brustimplantate bereits defekt und undicht waren und somit wegen | |
| Entzündungsgefahr und anderen möglichen gesundheitlichen Risiken eine | |
| Entfernung dringend notwendig geworden war. | |
| Die Richterin wies darum die Klage von fünf ehemaligen | |
| Implantateträgerinnen ab, denen ihre PIP-Produkte präventiv durch andere | |
| operativ ersetzt worden waren. Das hatten die französischen | |
| Gesundheitsbehörden allen PIP-Patientinnen angeraten. Von 30.000 in | |
| Frankreich betroffenen Frauen hatten sich bereits rund die Hälfte einer | |
| zweiten Operation unterzogen. Sie mussten befürchten, diese beträchtlichen | |
| Zusatzauslagen selber tragen zu müssen. | |
| Dass die erste Instanz die Rolle des Opfers so eng definiert, hat über | |
| Frankreich hinaus schockiert. Diese Auslegung des Rechts hätte auch | |
| unmittelbare Auswirkungen auf die Vergütung der Operationskosten durch die | |
| Krankenversicherung, sowie auf spätere Wiedergutmachung nach einer | |
| Verurteilung von Mas und der PIP. | |
| ## 30.000 mögliche Klägerinnen | |
| Das Berufungsgericht in Aix-en-Provence hat nun anders entschieden. Alle | |
| Frauen, die solche potenziell gefährlichen Silikonkissen austauschen lassen | |
| mussten, dürfen als Opfer einer Körperverletzung gelten und in diesem | |
| Verfahren als zivile Nebenklägerinnen auftreten. | |
| Als ermutigenden „Sieg“ betrachtet das Alexandra Blachère, Sprecherin der | |
| Vereinigung der PIP-Implantateträgerinnen. Von einem Erfolg spricht auch | |
| ihr Anwalt, Philippe Courtois, der Berufung eingelegt hatte. Eine | |
| Verurteilung wegen Körperverletzung eröffnet ihm zufolge weitergehende | |
| Ansprüche auf Wiedergutmachung und vergrößert die Zahl möglicher | |
| Klägerinnen in Frankreich auf 30.000. | |
| Als Pyrrhussieg bezeichnet hingegen Laurent Gaudon, der Anwalt einer | |
| anderen Gruppe von PIP-Opfern, den Entscheid der Berufungsinstanz: „Das ist | |
| eine Katastrophe! Das Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung wird | |
| wegen einer zu großen Zahl von Klagenden nicht vor Ablauf von zehn Jahren | |
| stattfinden, es wird 15 Millionen Euro kosten, und für die Opfer bleibt am | |
| Ende kein Cent übrig“, befürchtet er. | |
| Der Hauptangeklagte Mas ist laut seinem Anwalt müde und zahlungsunfähig, | |
| seine Firma Pleite. Für die Entschädigungen existiert aber ein staatlicher | |
| Fonds. Letztlich geht es den Opfern nicht bloß um Geld, sondern um ihre | |
| moralische Anerkennung. | |
| 12 Apr 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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