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# taz.de -- Klage wegen Brustimplantaten: „Die haben uns angelogen“
> Der TÜV Rheinland hat die fehlerhaften Brust-Implantate zertifiziert. Nun
> geriert er sich in Frankreich als Opfer eines Industrieschwindels.
Bild: Gefährliches Zeug.
PARIS taz | Wo endet mangelhaftes Pflichtbewusstsein, wo beginnt sträfliche
Nachlässigkeit? Das war die Frage, mit der sich das Handelsgericht von
Toulon im Zusammenhang mit dem Skandal um die fehlerhaften
PIP-Brustimplantate am Freitag beschäftigen musste.
Beklagt war, wie schon eine Woche zuvor im Landgericht Frankenthal, nicht
die französische Firma PIP, die die mit Industriesilikon gefüllten Kissen
fabriziert hatte, sondern die deutsche Zertifizierungsstelle, TÜV
Rheinland. Diese wurde von sechs Abnehmerfirmen und von 1.550 betroffenen
Frauen der schweren Unterlassung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe der
Qualitätsprüfung beschuldigt.
Vor dem großen Strafprozess gegen den PIP-Gründer Jean-Claude Mas und
einige seiner Mitarbeiter, der am 17. April in Marseille beginnen soll, war
die Verhandlung in der südfranzösischen Nachbarstadt Toulon nur eine
Vorrunde. Dennoch erlaubte die Anhörung der Anwälte, sich das Ausmaß dieses
medizinischen Betrugsskandals, der europaweit Zehntausende Patientinnen
betrifft, in Erinnerung zu rufen und sich ein Bild von der Rolle der
verschiedenen Beteiligten in den künftigen juristischen
Auseinandersetzungen zu machen.
Aus Sicht der Klagevertreter hat der TÜV Rheinland weniger als das Minimum
getan, um die Qualität der Implantate zu gewährleisten: keine Tests, keine
unangemeldeten Besuche, keine Nachforschungen bei Experten, keine Reaktion
auf erste Warnungen von Ärzten. „Was hätte es denn noch gebraucht, um den
TÜV wachzurütteln?“ Das wollte der Rechtsanwalt Laurent Gaudon im Namen der
empörten Implantateträgerinnen wissen. Bei Inspektionen wurde, wie der TÜV
Rheinland bestätigte, die PIP-Direktion im Voraus informiert.
## „Von Anfang bis Ende belogen“
Der TÜV Rheinland bestritt die Zuständigkeit dieser zivilrechtlichen
Instanz und fühlte sich zu Unrecht beschuldigt. In Marseille will die
Prüfgesellschaft übrigens als Nebenklägerin auftreten, da sie sich selbst
als Opfer bezeichnet: „Man hat uns vom Anfang bis zum Ende belogen“, sagte
TÜV-Anwältin Cécile Derycke: „Wer hätte sich vorstellen können, dass 120
Personen, vom Direktor bis zum Lagerarbeiter, schwindeln?“
Der TÜV Rheinland sei zwar „nicht sehr neugierig gewesen“, habe aber „ni…
gegen gesetzliche Auflagen verstoßen“, räumte nachsichtig Nicolas Bessone
als Vertreter der Staatsanwaltschaft ein. Und: Nichts habe die Prüfer über
die Routine hinaus zu besonderem Eifer bei der Überwachung verpflichtet.
Beobachter werteten dies als Hinweis, dass der TÜV Rheinland, wie zuvor in
Frankenthal, auch in Frankreich ungestraft aus dem Verfahren hervorgehen
könnte. Das Urteil von Toulon ergeht erst am 7. Oktober, lange nach dem
Strafprozess gegen PIP in Marseille.
24 Mar 2013
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
PIP
Brustimplantate
Klage
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Implantate
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