# taz.de -- Würstchen und Wertpapiere: Sturz des Sittenpredigers | |
> Uli Hoeneß, Bayern-Boss, Moralapostel und Entrepreneur, hat sich wegen | |
> Steuerhinterziehung selbst angezeigt. Die Staatsanwaltschaft hat den Fall | |
> übernommen. | |
Bild: Der Schattenmann: Uli Hoeneß lebte offenbar zwei Leben. | |
BERLIN taz | Uli Hoeneß ist am Samstag gar nicht erst mitgereist zum Spiel | |
des FC Bayern nach Hannover. Der Präsident der Münchner hat einen 6:1-Sieg | |
seines Klubs verpasst. Hoeneß hätte sich nach dem Spiel unangenehmen Fragen | |
stellen müssen. Fragen nach seinem offenbar unversteuerten | |
Millionenvermögen in der Schweiz, Fragen nach der Herkunft des Geldes, | |
Fragen nach Moral und Anstand. | |
Der Pressesprecher der Bayern, Markus Hörwick, ließ wissen, Hoeneß und der | |
ebenfalls abwesende Karl-Heinz Rummenigge würden sich wie so mancher | |
Spieler fürs Champions-League-Spiel am Dienstag gegen den FC Barcelona | |
schonen. | |
Die Spieler sagten, sie würden nur einen „korrekten Herrn Hoeneß“ kennen | |
und keinen, der Geld am deutschen Fiskus vorbei in der Schweiz deponiert. | |
Alles würde sich aufklären, hofften die Profis und spielten in Hannover | |
auf, als sei nichts gewesen. | |
Dabei zieht gerade ein veritabler Sturm über den Verein hinweg. Denn Uli | |
Hoeneß hat bereits im Januar über seinen Steuerberater Selbstanzeige beim | |
Finanzamt erstattet und dabei gleich noch eine Summe von mindestens 5 | |
Millionen Euro überwiesen. Er sagte das erst jetzt seinem | |
Leib-und-Magen-Blatt, dem Focus, dessen Herausgeber Helmut Markwort im | |
Verwaltungsbeirat der Bayern sitzt und ein enger Freund von Hoeneß ist; | |
erst kürzlich war der Focus mit einer peinlichen Huldigungsausgabe zur | |
Meisterschaft der Bayern aufgefallen, in der Funktionäre des Klubs als | |
reine Wohltäter und große Menschenfreunde dargestellt wurden. | |
Die Selbstanzeige hänge mit „einem Konto von mir in der Schweiz“ zusammen, | |
verlautbarte Hoeneß in dem Magazin. Derzeit würden die Wirksamkeit der | |
Selbstanzeige und die steuerlichen Folgen geprüft. Im März soll die | |
Staatsanwaltschaft das Haus von Hoeneß im Tegernseer Tal durchsucht haben. | |
Noch am Mittwoch leugnete Hoeneß auf Anfrage der Münchner Abendzeitung, | |
dass es Ermittlungen gegen ihn gebe; dabei hatte das Magazin Stern bereits | |
im Januar auf einen möglichen Fall Hoeneß hingewiesen, ohne jedoch den | |
Namen des Machers aus München zu nennen; seinerzeit war nur von einer | |
„Toppersonalie aus der Ersten Fußballbundesliga“ die Rede. Es geht allem | |
Anschein nach um ein Nummernkonto bei der Schweizer Bank Vontobel, | |
Ziffernkürzel „40…A“. | |
„Auf dem Konto und dem zugehörigen Depot sollen längerfristig Wertpapiere | |
und Barvermögen von 600 Millionen Schweizer Franken gebunkert worden sein. | |
In der Spitze sollen Konto und Depot sogar um die 800 Millionen Franken | |
schwer gewesen sein. Selbst mit einem damals schwachen Franken waren das | |
umgerechnet eine halbe Milliarde Euro. Das ist mehr Geld, als Spieler oder | |
Funktionäre gemeinhin ansparen können“, schreibt der Stern. | |
## Nummernkonten in der Schweiz | |
Ob das Vermögen sich noch in der Schweiz befindet, ist unklar. Seit 2009 | |
soll es massive Abhebungen gegeben haben, just zu einem Zeitpunkt, als der | |
SPD-Finanzminister Peer Steinbrück die „Kavallerie“ ins diskrete Schweizer | |
Bankenland schicken wollte. | |
„Ein Teil des Geldes floss angeblich auf Nummernkonten bei anderen | |
Schweizer Instituten, etwa bei der Credit Suisse und bei der Bank Julius | |
Bär. Ein anderer Teil verschwand spurlos. Hunderte Millionen – im Frühjahr | |
2009 waren sie einfach weg.“ | |
Das Finanzamt könnte ab dem Jahr 2002 finanzielle Ansprüche geltend machen, | |
Fälle von Steuerhinterziehung vor dem Jahr 2007 sind möglicherweise nicht | |
strafrechtlich relevant. Hoeneß hat offenbar die Hoffnung gehegt, sein | |
Vermögen über das deutsch-schweizerische Steuerabkommen zu legalisieren. | |
Doch das Gesetz scheiterte Ende 2012 im Bundesrat, also blieb dem | |
61-Jährigen kein anderer Weg als die Selbstanzeige. | |
## Hoeneß, der Spekulant | |
„Ich bin ein Mann, der mal spekuliert und der in erster Linie in den | |
letzten Jahren sein Geld in der Wurschtfabrik angelegt hat“, sagte Hoeneß | |
unlängst in einem Fernsehinterview. Er sei aufgeschlossen für Aktienkäufe, | |
Devisenspekulationen und kaufe auch mal einen Optionsschein auf steigende | |
oder fallende Kurse, ließ er wissen. | |
Insider berichten davon, dass Hoeneß gerne und oft an der Börse zockt. | |
Gefragt, ob er eher auf dem „Würstelbein“ stehe, dem „Bayern-Bein“ ode… | |
„Börsenbein“, soll Hoeneß geantwortet haben: Auf dem Börsenbein. Aber ko… | |
man allein mit Würstel- und Spekulationsgewinnen sowie einem | |
Bayern-Einkommen auf eine Summe von 800 Millionen Franken? | |
Wenn man davon ausgeht, dass Uli Hoeneß in Deutschland auch ein größeres | |
Vermögen besitzt, dann ist aus dem Metzgersohn aus Ulm ein Euromilliardär | |
geworden. Das hätte Oligarchenformat. | |
## Der Moralprediger | |
Es sind freilich nicht die Dimensionen seines vermuteten Reichtums, die | |
verblüffen und zu Diskussionen im Netz führen, sondern es ist der | |
moralische Anspruch von Hoeneß, den er seit Jahrzehnten gepflegt und wie | |
eine Monstranz vor sich hergetragen hat. | |
Auf diese Weise ist Hoeneß zum Alleswisser und Alleserklärer in der | |
deutschen Medienlandschaft aufgestiegen. Er durfte sich in prominenten | |
Runden zum deutschen Sozialstaat und den NSU-Morden äußern. Seine Stimme | |
hatte Gewicht. „Hoeneß erscheint gerade wie der mustergültige Deutsche, wie | |
ein Vorbild für das ganze Land“, flötete der Spiegel kürzlich und zeichnete | |
das Bild eines warmherzigen „Patrons“. | |
Fast jedes Blatt, das zuletzt über Hoeneß berichtete, schickte erst einmal | |
eine Ergebenheitsadresse nach München an die Säbener Straße, um in den | |
Genuss der Hoeneß’schen Sittenpredigten zu kommen. Die Fallhöhe ist also | |
ordentlich für den ehemaligen Stürmer. Er wäre freilich nicht der erste | |
Patriarch, der über dem Gesetz zu stehen glaubt. | |
## CSU-Huber rät zur Steuerflucht | |
In den siebziger Jahren war es der heutige Bayern-Ehrenpräsident Franz | |
Beckenbauer, der in Konflikt mit dem Finanzamt geriet. Er hatte Werbegeld | |
in der Schweiz versteckt. Beckenbauer offenbarte in seinen Memoiren „Ich – | |
wie es wirklich war“, dass ihm der damalige Finanzminister Ludwig Huber | |
persönlich zur Steuerflucht geraten und ihm zugesichert habe: „Franz, wenn | |
was ist, nur melden.“ | |
Die Frage ist, ob sich am Ermittlungseifer der bayrischen Beamten heute | |
etwas geändert hat. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der „seit | |
geraumer Zeit“ von den Ermittlungen gegen Hoeneß wusste, versucht, solchen | |
Befürchtungen entgegenzuwirken: „Er wird behandelt wie jeder andere Bürger | |
auch.“ | |
Die Reaktionen auf die Steuerflucht von Hoeneß fallen zum Teil harsch aus. | |
Die frühere Leichtathletin Sylvia Schenk sagt in ihrer Funktion als | |
Sportbeauftragte bei Transparency International sehr deutlich, was sie von | |
Hoeneß hält: „Wenn er Herrn Blatter angreift und fordert, dass dieser den | |
Fifa-Saustall endlich aufräumen soll, aber selbst Geld an der deutschen | |
Steuer vorbeibringt, dann schmeißt Uli Hoeneß hier mit Felsbrocken aus dem | |
Glashaus“, sagte Schenk in einem Zeitungsinterview. | |
## Daum ist überrascht | |
Christoph Daum, seit Ende der achtziger Jahre Erzfeind von Hoeneß, sagt, | |
ihn habe die Nachricht „absolut überrascht. Das hätte ich ihm niemals | |
zugetraut, vor allem nicht, wenn man sieht, wie er in vielen Situationen | |
seines Lebens aufgetreten ist.“ | |
Hoeneß habe sich „zu einer absoluten moralischen Instanz aufgeschwungen. | |
Ich hätte so etwas niemals vermutet.“ Hoeneß hatte Daums Karriere als | |
Nationaltrainer verhindert und dessen Kokainkonsum öffentlich gemacht. | |
„Hoeneß tut mir leid“, sagt Daum, „so möchte ich nicht leben. Ich versp… | |
Mitgefühl.“ | |
„Mich enttäuscht, dass jemand wie Uli Hoeneß, der Leistung, Disziplin und | |
Geradlinigkeit unerbittlich wie kaum ein anderer fordert, beim Steuerzahlen | |
Anspruch und Wirklichkeit nicht in Übereinstimmung bekommt“, sagt | |
NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). Florian Pronold, Chef der | |
Bayern-SPD, urteilt: „Uli Hoeneß ist kein Vorbild mehr.“ | |
21 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
Markus Völker | |
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