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# taz.de -- Debatte über Steuerhinterzieher Hoeneß: Wer ko, der ko!
> Bayern-Chef Uli Hoeneß hat den Bundesliga-Fußball durchkommerzialisiert.
> Die Schweiz-Millionen erscheinen manchen deshalb nur noch als Peanuts.
Bild: Optimierte Verwertung: Hoeneß mit eigenen Fanartikeln
Am kuriosesten wird es immer, wenn ein angeblicher Skandal aufgedeckt wird.
Dann scheint es jedes Mal so, als hätte niemand geahnt, was sich hinter den
Kulissen abspielt. Alle geben sich empört und geloben Veränderung.
Dachte vor dem Amazon-Skandal ernsthaft jemand, bei Amazon sei das Arbeiten
angenehm? Dachte ernsthaft jemand, Gunter Sachs hätte sein Vermögen durch
ehrliches Wirtschaften abgesichert? Glaubte wirklich eine oder einer, dass
Uli Hoeneß ein jovialer Self-made-Guy wäre, der hart, aber gerecht nur das
Wohl seines Vereins und das Ansehen des deutschen Fußballs mehren wollte?
Im Gegensatz zu anderen Steuerflüchtlingen findet Uli Hoeneß engagierte
Verteidiger von fast allen Seiten. Im Vergleich zu dem, was er mit Herzblut
seit Jahrzehnten geleistet hätte, sei ja alles gar nicht so schlimm. Im
Großen und Ganzen sei der gefühlige Mia-san-mia-Hitzkopf doch ein
aufrechter Sportsmann mit dem Herz am rechten Fleck. Er habe seinen Fehler
ja jetzt eingesehen und zeige Reue.
Und im Übrigen: Die paar Millionen, das seien doch nur Peanuts – im
Vergleich zu den Banken, zur Griechenlandhilfe, zu den wirklich großen
Betrügern. So sympathisch das Argument der Verteidiger – jeder macht mal
Fehler – auch ist, so absurd mutet es an, wenn man die Entwicklungen
betrachtet, die Uli Hoeneß tatsächlich im Sport forciert hat.
## Angenehme Inszenierung als zynische Täuschung
Besonders gerne inszenierte sich Hoeneß als straightes Arbeiterkind, das
sich trotz persönlicher Niederlagen hochgekämpft hätte in die höchsten
Etagen des Profifußballs und der Gesellschaft. Der fast schon legendäre
Höhepunkt seiner Inszenierung war die Wutrede auf einer
Mitgliederversammlung des FC Bayern, in der er sich als Vorkämpfer
erschwinglicher Eintrittskarten für die Südkurve produzierte. Diese
anheimelnde Biografie täuscht zynisch darüber hinweg, dass Hoeneß die
fragwürdigen Regeln des modernen Sport-Business und der imageschaffenden
Selbstdarstellung tiefer in sich aufsog als andere.
Hoeneß hat das reine Verwertungsprinzip zwar nicht erfunden, das sich mit
der Globalisierung der Märkte und dem Auftauchen des neuen, großen Geldes
vom Golf, aus Fernost und Russland entwickelte. Aber der langjährige
Bayern-Manager erklärte die grenzenlose Merkantilisierung der
Sport-Leidenschaft auch in Mitteleuropa als einer der Ersten für
alternativlos.
So gründete Bayern München als erster deutscher Club ein Fußball-Internat.
Was auf den ersten Blick nach fürsorglicher Talentförderung aussieht, ist
in Wirklichkeit eine reine Leistungsauslese, die ihre Schatten bis auf die
F-Jugend-Mannschaften in der Provinz wirft. Der Spaß am Sport gerät damit
bereits im Kindesalter zur Karriereoption.
## Brutales Scouting
Dieses perfektionierte System des Talent-Scoutings ist in den letzten
Jahren zu einem internationalen Netzwerk von scheinbar seriösen Agenturen
herangewachsen, die vor allem in Südamerika und Afrika nach
Nachwuchsspielern Ausschau halten. Junge Spieler werden mit der Aussicht
auf eine große Karriere geködert. Die wenigsten aber schaffen es – und die,
die es nicht schaffen, werden ohne Absicherung und Perspektive wieder
fallen gelassen. Spielermaterial, das keinen Mehrwert erwirtschaften kann,
ist nutzlos.
Entsprechend verfuhr Hoeneß auch auf allen anderen Feldern: Das
Merchandising baute er zum internationalen Geschäft aus, das sogar in Japan
und der Volksrepublik China Gewinne einfuhr. Noch der nutzloseste Nippes
wird als Ausdruck eines Gemeinschaftsgefühls der Fans zu überhöhten Preisen
angepriesen. Neben den Vereinen aus Spanien und England war es vor allem
der FC Bayern, der westlichen Fußball zum Dreh- und Angelpunkt des
internationalen Sportkonsums aufbaute – zu einem Milliardengeschäft, von
dem sehr wenige sehr viel profitieren und die meisten gar nicht.
Das Leistungsprinzip und die Eigenverantwortung, von denen Hoeneß in
Talkshows so gerne phrasierte, zählen in Sportökonomie und Sportpolitik
nichts, die Old-Boys-Netzwerke aus Verbänden, Sponsoren, Oligarchen,
Entscheidern, Politikern, Großkonzernen dagegen alles. Ohne diese kruden
Strukturen im Zentrum der Macht hätten sich nicht an der Peripherie die
ähnlich mafiösen Organisationen der Wettmafia etablieren können. Dass die
Gelder auf einem Schweizer Konto nun als Peanuts bezeichnet werden können,
verdankt sich gerade den durchkapitalisierten Verhältnissen mit ihren
irrwitzigen Gehältern und Gewinnen, die Hoeneß mit generierte.
Uli Hoeneß wusste als Marketing-Genie genau, wie er diese geschäftliche
Skrupellosigkeit als Werk für die Gemeinschaft zu verkaufen hatte. Nach der
Prügelattacke auf Dominik Brunner rief er zu mehr Zivilcourage auf, an
seinem Wohnort im Tegernseer Tal trat er als privater Sponsor lokaler
(Sport-)Vereine und Einrichtungen auf, den pleitebedrohten Kiezclub FC St.
Pauli unterstützte er mit einem Benefizspiel: eine sauber kalkulierte
Mischung aus Populismus und vorzeigbarer Charity.
In den letzten Monaten forcierte Hoeneß auch die Förderung der
Basketballmannschaft von Bayern München, was ihm von der lokalen Presse
natürlich hoch angerechnet wurde. Wahrlich, der jetzige Kautionshäftling
war ein Rekordmeister darin, noch jede Optimierung der
Verwertungsstrukturen als herzelnde Großtat zu verkaufen.
## Amigos überall
Bei aller Kritik an Hoeneß bleibt aber nicht zu vergessen: Er war nur einer
von über 3.300 deutschen Steuerhinterziehern, die sich nach dem Scheitern
des Abkommens mit der Schweiz selbst anzeigten. Hoeneß ist auch nicht das
schwarze Schaf in einer ansonsten weißen Herde des Sportgeschäfts, die
albernen Ressentiments gegen den FC Bayern sind geschenkt.
Ohne Ruchlosigkeit ist nichts mehr zu holen, Amigos gibt es nicht nur an
der Säbener Straße: Gazprom ist als Sponsor in der Bundesliga genauso gerne
gesehen wie arabische Feudalsprößlinge als Geldgeber bei den Blauen vom TSV
1860 München. Wie die Gönner zu ihrem Geld gekommen sind, fragt niemand.
Der eigentliche Skandal ist nicht, dass Uli Hoeneß mutmaßlich dubiose
Gelder in der Schweiz hatte, sondern dass sein Verständnis von Fußball und
Geschäft allgemein als große Leistung anerkannt war. Und der noch größere
Skandal ist, dass dies auch so bleiben wird.
26 Apr 2013
## AUTOREN
Marcel Malachowski
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