| # taz.de -- Jesuit über Uli Hoeneß: „Die dunkle Seite des Saubermanns“ | |
| > Wer Uli Hoeneß als Steuersünder bezeichnet, der nun gebeichtet habe, | |
| > verharmlose den Betrug, meint der Jesuit und Sozialethiker Friedhelm | |
| > Hengsbach. | |
| Bild: „Eine Krankenschwester trägt mehr zur Volkswirtschaft bei als ein Spek… | |
| sonntaz: Herr Hengsbach, Sie sind Jesuit. Wird jetzt, wo Uli Hoeneß seine | |
| Steuerhinterziehung gebeichtet hat, alles gut? | |
| Friedhelm Hengsbach: Er hat nicht gebeichtet, er hat sich angezeigt. Diese | |
| religiösen Termini nerven mich - er sei Steuersünder, er habe gebeichtet. | |
| Diese Wortwahl verharmlost. Sie macht Steuerbetrug zu einem persönlichen | |
| Fehler. | |
| Ist es das nicht? | |
| Wer es so benennt, verkennt, dass der Staat das Recht hat, Steuern | |
| einzuziehen und umzuverteilen. Damit wird deutlich, dass individuelles | |
| Einkommen nie nur durch eigene Leistung zustande kommt, sondern durch viele | |
| Vorleistungen von anderen. | |
| Hoeneß ist gerne als Wohltäter, als Saubermann aufgetreten. Kommt zur | |
| Steuerhinterziehung noch die Lüge? | |
| Ich würde es eher einen Widerspruch nennen, eine dunkle Seite seines | |
| Lebens, die sich nun zeigt. Hoeneß, ein reicher Unternehmer, der einen Teil | |
| des Gewinns aus seiner Wurstfabrik an soziale Einrichtungen spendet - das | |
| ist ja hoch anzuerkennen. Gleichzeitig hat er den Staat beschimpft, dass er | |
| die Vermögenden zu sehr besteuere und sie ins Ausland vertreibe. | |
| Der Mann hat also Steuern hinterzogen. Kann er das, weil das Delikt - | |
| wieder religiöser Duktus - eine lässliche Sünde ist? | |
| Dass man zur Steuerzahlung herangezogen wird, wurde lange als Eingriff in | |
| das Persönlichkeitsrecht wahrgenommen. Der Versuch, die Finanzbehörden und | |
| den Staat auszutricksen, galt als Kavaliersdelikt. Aber seit der | |
| Finanzkrise hat sich das verändert. Es wird nicht mehr als Spielchen | |
| betrachtet, sondern als Betrug. Das ist in dieser Schärfe neu. | |
| Trotzdem ist Hoeneß kein Einzelfall. | |
| Weil sich die große Legende lange halten konnte, dass der Markt sich selbst | |
| regelt, dass Eingriffe des Staates immer schädlich seien. Sie schadeten | |
| Menschen in ihrer Eigeninitiative, Einkommen zu erzielen und Vermögen | |
| anzuhäufen. Das ist die große Erzählung marktradikaler, | |
| wirtschaftsliberaler Eliten. Ich dagegen sage, dass das Zustandekommen | |
| hoher Einkommen und Vermögen durch wirtschaftliche Macht und politische | |
| Schwäche verursacht ist. | |
| Wie? | |
| Die Kapitaleigner und Manager bestimmen, wie viel Geld sie aus dem | |
| gemeinsam Erarbeiteten für sich herausholen und was sie den Lohnabhängigen, | |
| der Umwelt und dem Staat zur Verfügung stellen wollen. Nicht der Markt | |
| regelt das, sondern die Eliten, weil sie die Macht dazu haben. Aber Umwelt, | |
| Entlohnung der abhängig Beschäftigen, gesellschaftliche Infrastruktur, das | |
| Bildungs- und Gesundheitswesens sind Teile der Wertschöpfung, die nicht | |
| allein den Kapitaleignern gehört. | |
| Wohlhabende werden argumentieren, dass sie - wie Hoeneß - große Summen | |
| spenden. | |
| Das wird auch im kürzlich veröffentlichten Armuts- und Reichtumsbericht | |
| naiv beschönigend hervorgehoben. Es ließ sich nicht verheimlichen, dass die | |
| Schere zwischen Arm und Reich seit Anfang des Jahrhundert extrem | |
| auseinanderklafft. Die oberen 10 Prozent besitzen über 50 Prozent des | |
| Vermögens, die untere Hälfte 1 Prozent. Dann wird gesagt: Die Vermögenden | |
| spenden. Spenden sind steuerlich begünstigt - Wohltäter profitieren also | |
| davon. Hinzu kommt, dass sie ihre Spenden nach eigenen Vorstellungen | |
| verteilen, dem Staat aber Einnahmen entgehen, die nun nicht entsprechend | |
| den sozialstaatlichen Kriterien verteilt werden können. | |
| Ist die Regierung der Steigbügelhalter dieser Entwicklung? | |
| In der Entwicklung, die zur Finanzkrise geführt hat, war das | |
| offensichtlich. Damals hat der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, | |
| Rolf-E. Breuer, gesagt, die Finanzmärkte seien die fünfte Gewalt der | |
| Demokratie. Und zwar deshalb, weil die Kapitaleigner bessere Signale für | |
| vernünftige Politik an die Regierung geben als das Volk durch die | |
| Parlamentswahlen. Die Signale: Finanzsektor deregulieren, Lohnentwicklung | |
| drosseln, möglichst wenig umverteilen, Steuern senken, Abgaben senken, | |
| Gewerkschaften in Schach halten. | |
| Geiz ist geil für die Armen, Gier ist geil für die Reichen … | |
| Wenn der Staat die Anhäufung von Einkommen und Vermögen im oberen Bereich | |
| und die Kürzungen der Sozialleistungen und die Verringerung der Löhne durch | |
| Gesetze begünstigt, dann folgt daraus bei den betroffenen Personen ein | |
| solches Verhalten - geizig, gierig. Mit dieser Wahrnehmung individualisiert | |
| man aber wieder strukturelle Defizite. | |
| Gibt es keinen Aufschrei gegen solches Verhalten, wie es sich an Hoeneß | |
| zeigt, weil fast jeder schon mal in der Versuchung war, sich einen Vorteil | |
| auf Kosten anderer zu sichern? | |
| Aber es gibt doch jetzt heftige Empörung. Wahrscheinlich wegen der riesigen | |
| Enttäuschung über die dunkle Seite eines Saubermanns. Die kann ich jedoch | |
| nicht mit Schwarzfahren in der Straßenbahn vergleichen. Es passierte mir | |
| auch schon, dass ich am Bahnhof schnell eine Straßenbahn erwischen wollte | |
| und keinen Fahrschein hatte. | |
| Wofür steht die Causa Hoeneß dann? | |
| Positiv ist, dass der bayerische Staat das jetzt nicht unter den Tisch | |
| kehrt. Was unter Strauß, unter Stoiber möglich gewesen sein mag, ist wohl | |
| vorbei. Es gibt keine Sonderrechte für die Reichen und Mächtigen. | |
| 28 Apr 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Waltraud Schwab | |
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