# taz.de -- Halbfinale in der Champions League: FC Barça München | |
> Wie der FC Bayern München erst bei Real Madrid abkupferte und später dann | |
> beim Team des Jahrzehnts, dem FC Barcelona. Eine Analyse. | |
Bild: Von Barcelona lernen heißt siegen lernen – ob Bastian Schweinsteiger g… | |
Als der 27-jährige Uli Hoeneß im Sommer 1979 Manager des FC Bayern wurde, | |
wählte er, fasziniert und inspiriert von den Berichten seines von 1974 bis | |
1977 bei Real Madrid kickenden Kumpels Paul Breitner, die „Königlichen“ als | |
Vorbild für seinen Klub. Auf dem Spielfeld wirkten die Münchner dann | |
tatsächlich viele Jahre wie eine billige Ausgabe der Madrilenen. Stars | |
wurden gekauft, die die Zuschauer in das Stadion trieben und die Umsätze | |
des Merchandising ankurbelten. | |
Der Trainer hatte aus dem Haufen ein titelfähiges Team zu formen. Eine | |
sportliche Leitidee existierte nicht. Der Präsident Franz Beckenbauer | |
forderte nicht nur Titel, sondern auch attraktiven Fußball. Als Trainer | |
verpflichtete man dann Giovanni Trapattoni, Otto Rehhagel und Felix Magath, | |
die zwar Erfolg versprachen, aber weder Unterhaltung noch eine | |
zukunftsträchtige Spielidee. | |
Europäisch brachte dies wenig Erfolg. Der letzte Bayern-Sieg in der | |
[1][Champions League wurde 2001 errungen], als im europäischen Fußball | |
keine dominante Spielidee existierte und der Finalgegner nur FC Valencia | |
hieß. Eine Saison später gewann Real Madrid den Henkel-Pott, aber seither | |
erreichte der Rekordsieger nicht einmal mehr das Finale. Gemessen an den | |
immensen Investitionen, die die „Königlichen“ seit der Jahrtausendwende | |
betrieben, ist ihre europäische Bilanz ein ziemliches Desaster. | |
Allerdings ist der Gewinn der europäischen Königsklasse auch schwieriger | |
geworden. Seit der Einführung der Champions League in der Saison 1992/93 | |
konnte bislang noch kein Klub den Titel verteidigen. Im alten Wettbewerb | |
war dies mit Real Madrid, Benfica Lissabon, Inter Mailand, Ajax Amsterdam, | |
Bayern München, FC Liverpool, Nottingham Forest und dem AC Mailand gleich | |
acht Klubs gelungen. Real triumphierte sogar fünfmal in Folge, Ajax und | |
Bayern je dreimal. Die Champions League kennt keine Seriensieger. | |
## „Mehr als ein Klub“ | |
Mittlerweile hat der FC Bayern mit dem FC Barcelona mehr gemeinsam als mit | |
dem einstigen Vorbild Real. Der FC Barcelona behauptet, er sei „mehr als | |
ein Klub“. Der Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán bezeichnete Barça | |
einmal als „epische Waffe eines Landes ohne Staat“. Unter dem | |
katalanistischen Präsidenten Joan Laporta (2003–2010) wurde Barça noch | |
katalanischer. Laporta propagierte eine „katalanische Republik des FC | |
Barcelona“, der Klub sollte für „Sportlichkeit, Fairness, Universalismus | |
und Gemeinwohl“ sowie „einen schönen Lebensstil“ stehen. | |
Der Trainer Pep Guardiola (2008–2012), ein Sympathisant der katalanischen | |
Autonomiebewegung, formte eine Mannschaft, die das katalanische | |
Selbstbewusstsein beförderte und die denkbar beste Werbung für den | |
Katalanismus betrieb. Fußball, Politik und Kultur gingen (und gehen) in | |
einem Ausmaß Hand in Hand, wie bei keinem anderen Großklub Europas. | |
Auch der FC Bayern demonstriert regionale Identität und steht mit seiner | |
„Mia san mia“-Philosophie für einen gewissen Separatismus. Als [2][Pep | |
Guardiola beim FC Bayern unterschrieb], erklärte Bayerns | |
Exministerpräsident Edmund Stoiber, Aufsichtsrat des deutschen | |
Rekordmeisters, die Entscheidung des Katalanen mit bayerischen | |
Verhältnissen: „Er hat sich überlegt: Wo gibt es keine Schuldenkrise? Wo | |
gibt es stabile Verhältnisse? Wo ist es sicher, wo gibt es gute Schulen, wo | |
ist eine stolze Kulturnation? Er geht nach Bayern.“ | |
Gerade Uli Hoeneß wollte stets, dass sein Klub „mehr als ein Klub“ ist und | |
gewisse Werte repräsentiert, was nun allerdings [3][durch seine | |
Steueraffäre torpediert wird]. Der FC Bayern steht für solides, ehrliches, | |
konservatives Finanzgebaren und das soziale Gewissen des Profigeschäfts. | |
Kontrastprogramm zum wilden Gezocke in Spanien, Italien und England, wo die | |
Klubs immense Schulden anhäufen. Hoeneß war die Verkörperung dieser | |
Politik. Der Bayern-Macher schaffte es in die Polit-[4][Talk-Runden], wo er | |
den Politikern die Leviten las und Scheinheiligkeit vorhielt. An Hoeneß und | |
des FC Bayern Wesen sollte das Land genesen. | |
## Der Politiker Hoeneß ist erledigt | |
Aber weil in Deutschland andere Maßstäbe als in Italien und auch in Spanien | |
gelten, im Fußball wie in der Politik, ist zumindest der Politiker Hoeneß | |
nun erledigt. Würde Hoeneß ein politisches Amt bekleiden, wäre ein | |
Rücktritt unausweichlich. Was die Steueraffäre nun für den FC Bayern und | |
dessen Imagepolitik bedeutet, bleibt abzuwarten. | |
Wie beim FC Barcelona mit Pujol, Xavi, Iniesta, Busquets, Messi und Co., | |
entstammen mittlerweile auch beim FC Bayern mit Alaba, Badstuber, Lahm, | |
Müller und Schweinsteiger ein nicht unerheblicher Teil des Kaders aus der | |
hauseigene Nachwuchsschmiede. Seit der Verpflichtung von Jürgen Klinsmann | |
im Sommer 2008, die sich allerdings als Flop erwies, bemüht sich der Klub | |
auch um eine Spielphilosophie, die von der der Katalanen gar nicht so weit | |
entfernt ist. | |
Dafür haben die Klinsmann-Nachfolger Louis van Gaal und Jupp Heynckes | |
gesorgt. Mit van Gaal, der einige Jahre auch den FC Barcelona trainierte, | |
kam der Ballbesitz. Heynckes verfeinerte das System, verbesserte das | |
Umschaltspiel, ließ Schweinsteiger und Kroos fast auf einer Line agieren | |
(wie bei Barça Iniesta und Xavi) und noch höher attackieren. Während seiner | |
Zeit bei Athletic Bilbao (1992–1994) hatte sich der Rheinländer zu einem | |
der dezidiertesten Kritiker des deutschen Fußballs entwickelt. | |
Anfang Februar 1993 veröffentlichte der Kicker ein Doppel-Interview mit | |
Heynckes und dem Guardiola-Mentor Johan Cruyff. „Die beiden | |
Fußballphilosophen“ (Kicker) waren sich in vielen Punkten einig. Jupp | |
Heynckes war damals vielen seiner deutschen Kollegen um Längen voraus und | |
wirkte wie ein Gegenentwurf zu Otto Rehhagel. | |
## Barcas „fünfte Kolonne“ | |
Auch der FC Bayern betritt das Feld, um ein Spiel zu dominieren. Was auch | |
für Borussia Dortmund zutrifft, während dies bei Real Madrid vom Gegner | |
abhängig ist. Gegen schwächere Gegner tritt Real dominant auf, gegen den FC | |
Barcelona verzichtet Mourinhos Team schon mal auf den Ball und verlegt sich | |
ganz aufs Kontern. Und während bei Barça, Bayern und dem BVB der kollektive | |
Auftritt begeistert, ist es bei Real mehr die individuelle Klasse der | |
Akteure. | |
José Mourinho wurde auch nicht verpflichtet, um schönen und attraktiven | |
Fußball zu spielen, wie es die „Königlichen“ in ihrer Geschichte wiederho… | |
getan haben. Sein Auftrag lautete schlicht, die Dominanz des FC Barcelona | |
zu brechen. Dafür durfte der Zweck die Mittel heiligen. Seinen ersten Krieg | |
führte Mourinho mit dem damaligen Sportdirektor Jorge Valdano, einem | |
„Fußballphilosophen“, Freund des schönen Spiels und Bewunderer von Pep | |
Guardiola. Für Mourinho war Valdano nur die „fünfte Kolonne“ des Erzfeind… | |
Barça. | |
Seit einigen Jahren investiert Bayer-Boss Uli Hoeneß auch in den Basketball | |
und stärkt damit die Bedeutung der Institution FC Bayern. Als Vorbild | |
dienen erneut die beiden spanischen Giganten. Denn Barça und Real liefern | |
sich nicht nur im Fußball ein Kopf-an-Kopf-Rennen, sondern stellen auch die | |
erfolgreichsten Basketballteams ihres Landes. Barças und Reals Basketballer | |
reüssieren auch auf der internationalen Bühne. | |
## „Wenig Ahnung vom Fußball“ | |
Pep Guardiola hat sich ganz bewusst für den FC Bayern und gegen die | |
englischen Mitbewerber entschieden, die als Klubs nicht wirklich existieren | |
und in denen russische Oligarchen oder arabische Scheichs das letzte Wort | |
haben. So behauptet der Journalist Ramon Belsa, Guardiola habe eigentlich | |
nach England gehen wollen, „aber die derzeitige Situation in den Vereinen | |
gefällt ihm nicht. Dort haben Leute sehr viel Macht, die wenig Ahnung vom | |
Fußball besitzen.“ | |
Guardiola wollte einen „richtigen“ Verein, wie er ihn aus Barcelona kennt. | |
Mit vielen Mitgliedern, einer Nachwuchsakademie und einer Bedeutung und | |
Ausstrahlung, die nicht am Spielfeldrand endet. In der Premier League war | |
für den Katalanen nur Manchester United von Interesse, das etwas anders | |
gestrickt ist als der neureiche Nachbar Manchester City und Chelsea. Aber | |
da wollte der langjährige Trainer Alex Ferguson noch nicht den Platz frei | |
machen. | |
23 Apr 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=8qjZebsLl58 | |
[2] /!109178/ | |
[3] /Verdacht-auf-Steuerhinterziehung/!114873/ | |
[4] http://www.youtube.com/watch?v=gZwgVQfrwIU | |
## AUTOREN | |
Dietrich Schulze-Marmeling | |
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