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# taz.de -- Bayerns Vorbilder: Mannsbilder wie Uli Hoeneß
> Bayern stellt zuverlässig die vorgestrigsten, verbohrtesten und
> kleingeistigsten Männer in sein Schaufenster. Uli Hoeneß ist das beste
> Beispiel.
Bild: Uli Hoeneß darf immer und überall seinen Senf dazugeben
Beginnen wir mit etwas Kontroversem: Ich finde nicht, dass
Steuerhinterzieher*innen inhaftiert gehören. Überhaupt finde ich
Haftstrafen nur in absoluten Ausnahmefällen vertretbar. Etwas derart
Archaisches wie Gefängnisse sind einer humanistischen Gesellschaft nicht
würdig.
Eine Alternative zur Haft wären soziale Strafen: das Verbot, Ämter
wahrzunehmen zum Beispiel, oder als Funktionsträger*in nicht mehr in
der Öffentlichkeit auftreten zu dürfen. Es gibt einen Haufen guter Konzepte
dazu, in Deutschland forscht daran unter anderem Thomas Galli.
Andererseits leben wir ja auch nicht in einer humanistischen Gesellschaft,
wie man unschwer an jenen erkennen kann, die innerhalb dieser Gesellschaft
zu Ehren gekommen sind; zum Beispiel Leute, die aus Spaß mal mit mehreren
hundert Millionen rumzocken und dabei vergessen, [1][so was wie Abgaben
abzuführen]. Also zum Beispiel Uli Hoeneß. Der darf immer noch zu allem
Möglichen in offizieller und halboffizieller Funktion seinen Senf
dazugeben, und wenn etwas im Fernsehen läuft, das ihm nicht passt, dann
ruft der da direkt an und wird ins Studio durchgestellt. Ich wünschte, das
wäre ein Witz.
Dass dabei allerhand inkohärentes Zeug rauskommt, hat nur zum Teil damit zu
tun, dass der Uli ein Bayer ist. Meine selige Großmutter, selbst aus der
Nähe von Altötting stammend, pflegte zu sagen: Nie wird ein Bayer
Bundeskanzler, weil die Bayern können nicht reden. (Mir ist klar, dass der
Uli streng genommen Württemberger ist, aber für Ulmer gilt das auch.)
## Vorgestrig und kleingeistig
Wobei das ohnehin nur die eine Hälfte ihres Unglücks ist, die andere:
Bayern in seiner Pracht und Wonne stellt sich an relevanten Zeitpersonen
[2][zuverlässig die vorgestrigsten,] verbohrtesten, gräulichsten und
kleingeistigsten Mannsbilder ins Schaufenster, ganz so, als müsste es dem
Rest der Republik beweisen, dass das Vorurteil von einer
katholisch-patriarchal vermorschten Hinterwäldlerkultur unbedingt stimmt.
Das ist natürlich falsch, es gibt ganz wunderbare männliche Bewohner des
Freistaates. Aber die werden dem Rest des Landes vorenthalten, aus Rache
vermutlich, dass Bayern Teil dieses Deutschlands sein muss, obwohl dort der
Himmel so viel blauer, das Bier so viel hopfiger, die Maibäume so viel
bunter und überhaupt die Lebensqualität so gut ist, dass manche sogar das
Schalmeispielen anfangen, um sie auf ein erträgliches Maß zu senken.
[3][Uli Hoeneß’ Weltbild] ist bayrisch-ptolemäisch: Unter diesem ach so
blauen Himmel thront die Erde auf vier Füßen, und alles, was vier Füße hat,
ist per definitionem bajuwarensis ein Stammtisch. Neulich hat er wieder
einmal bekundet, dass ihm die öffentlich-rechtliche Berichterstattung zur
Weltmeisterschaft nicht behagt hat: „Wenn ich die Fifa wäre, würde ich ARD
und ZDF keine WM-Rechte mehr geben. Da wurde bis zehn Minuten vor dem
ersten Spiel über Menschenrechte gesprochen. Die sind natürlich wichtig,
ich bin ein großer Freund der Menschenrechte. Aber irgendwann muss der
Moment kommen, an dem es um Fußball geht.“
Anders gesagt: Einige von Uli Hoeneß’ besten Freunden sind Menschenrechte.
Aber wir leben in modernen Zeiten, da dauert ein Spiel nicht mehr 90
Minuten, sondern mit Vor- und Nachberichterstattung um die dreieinhalb
Stunden. Und da will man nicht behelligt werden mit solchem Quark wie toten
Arbeiter*innen. Kritikwürdig ist nicht, wer solche Verbrechen begeht oder
an ihnen verdient: Kritikwürdig ist, wer zu viel darüber spricht. Uli
Hoeneß wird sein Lebtag weiter Schweinshaxe essen können, weil da, wo
andere ein Herz haben, sitzt bei ihm eine Registrierkasse; kein Anlass
also, sich über verstopfte Arterien Gedanken machen zu müssen. Und das ist
einer der profiliertesten Vertreter des deutschen Fußballs, na servus.
16 Mar 2023
## LINKS
[1] /Der-FC-Bayern-und-der-Freistaat/!5653363
[2] /Die-Wahrheit/!5892517
[3] /Hoeness-Zeit-Interview/!5068173
## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
Kolumne Helden der Bewegung
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Bayern
IG
Boris Becker
Fußball
Uli Hoeneß
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